„Unsere Inflation ist zum Teil hausgemacht“

Nowotny sieht Wirtschaft in Österreich aufkeimen. Inflation soll zurückgehen.
DORNBIRN. Der Gouverneur der österreichischen Nationalbank, Ewald Nowotny, erklärte im Interview mit den VN, was ihm Sorgen bereitet, wie er die momentane wirtschaftliche Situation einschätzt und was er in den nächsten sechs Jahren seiner neuen Amtszeit erwartet.
Der Gesetzesentwurf zur Finanztransaktionssteuer wird von der EU-Kommission als Meilenstein bezeichnet. Als was bezeichnen Sie ihn?
Ewald Nowotny: Es ist sicher ein Meilenstein, weil damit eine sehr lang anhaltende Diskussion umgesetzt worden ist. Aber es ist eine Steuer, die noch nicht für alle EU-Staaten gilt – was sicherlich bezüglich der Wirksamkeit ein gewisses Problem darstellt. Man wird auch sehen, inwieweit es gelingt, Verlagerungen zu verhindern.
Sie haben es angesprochen, elf Staaten sind vorerst dabei. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass andere Länder folgen?
Nowotny: Der zentrale Staat ist natürlich Großbritannien mit dem Finanzplatz London. In dem Entwurf der EU-Kommission sind einige Vorkehrungen getroffen, um diese Ausweicheffekte zu verhindern. Wie wirkungsvoll sie sind, kann jetzt noch nicht gesagt werden.
Kann die Finanztransaktionssteuer in dieser Form ein Präventionsmittel sein?
Nowotny: Damit wird schon erreicht, dass die Realwirtschaft gegenüber dem rein monetären Bereich gestärkt wird. Ein Lenkungseffekt kann sich nach meinem Ermessen also schon einstellen.
Wie 2013 wirtschaftlich aussehen wird, da sind sich die Experten uneins. Was denken Sie, wie sich die Wirtschaft heuer entwickeln wird?
Nowotny: In Europa müssen wir 2013 von einer negativen Entwicklung ausgehen, die etwa minus 0,2 oder 0,3 Prozent betragen kann. Dahinter steht eine massive wirtschaftliche Auseinanderentwicklung zwischen südlichen und den anderen Staaten, die sich sogar noch verschärfen könnte. Wir haben jetzt eine Stabilisierung im geldpolitischen Bereich. Da zeigt sich, dass die Zinssätze in den Problemstaaten deutlich zurückgehen. Aber wir haben noch keine Stabilisierung im realwirtschaftlichen Bereich.
Und Ihr Ausblick für Österreich?
Nowotny: Auch für Österreich wird es kein einfaches Jahr, weil wir ja die gesamtwirtschaftliche Nachfrageschwäche, die inzwischen ja auch Deutschland zum Teil erfasst hat, spüren. Auch hier werden die Wachstumsraten gering sein.
Ist da nicht auch die Notenbank gefragt?
Nowotny: Wir als Nationalbank werden in der Lage sein, die Wachstumserwartungen etwas hinauf zu revidieren. Also doch in eine Höhe von 0,7 bis 0,9 Prozent. Weil wir davon ausgehen, dass wir den Tiefpunkt der Entwicklung um die Jahreswende erreicht haben. Umgekehrt heißt das, dass wir auf Inflationsseite eine deutliche Entspannung sehen werden. Im Eurobereich wird die Inflationsrate insgesamt deutlich unter die zwei Prozent kommen. In Österreich haben wir leider auch eine hausgemachte Komponente, sodass wir um die zwei Prozent liegen werden.
An welche hausgemachten Komponenten denken Sie?
Nowotny: Im Wesentlichen hat das mit dem Dienstleistungssektor zu tun. Das geht von der Tourismusbranche, die eine überproportionale Preissteigerung in den letzten Monaten aufgewiesen hat, bis zur Entwicklung der Mieten und der Anhebung von Gebühren. Darum gibt es eine Vielzahl von hausgemachten Faktoren.
Im Jänner wurde bekannt, dass Sie eine weitere Amtszeit Gouverneur bleiben. Was erwarten Sie in der nächsten Periode?
Nowotny: Ich hoffe schon, dass es ruhigere sechs Jahre werden. Aber realistisch gesehen wissen wir, dass wir zwar jetzt eine Beruhigung haben, aber nach wie vor vor erheblichen Risikofaktoren in der europäischen Finanzwirtschaft stehen. Es wird wichtig sein, dass vonseiten der Notenbanken der Druck auf Budgetkonsolidierung aufrecht bleibt, um damit langfristig stabile Verhältnisse in Europa zu sichern. Der europäische Bankensektor in Europa hat ja eine Reihe von Fehlentwicklungen hinter sich.
Vonseiten der Notenbanken muss der Druck auf Budgetkonsolidierung aufrecht bleiben.
Ewald Nowotny
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