Frei zu sein bedarf es wenig
So einfach geht das also: Der politischen Gemengelage entsprechend, feiert der Aktionismus Urständ und das sozusagen in der kleinsten Hütte – oder, um es zu konkretisieren in Vorarlberger Dörfern und Städten. Was nicht ins Weltbild passt, wird einfach ausgesperrt. Und in Zeiten der Gemeindewahlen ist es natürlich opportun und einfacher, statt sich ernsthaft mit Themen auseinanderzusetzen, wenn man sich richtig deklariert.
Ein Zeichen des richtigen Willens soll es sein, begründen die Unterzeichner ihr eigentümlich und nichtsdestotrotz auch in Vorarlberg epidemisches Tun. Es ändert sich nämlich nichts, außer dem Zustand des Gewissens. Der kann ohne Problem dann vom Modus „schlecht“ in die „gut“-Position geändert werden.
Die politische Diskussion ist deshalb überhaupt nicht geführt, nur weil ein Dorf etwa „atomwaffenfrei“ ist, oder Gentechnik vor die Gemeindegemarkungen verbannt. Oder sich ganz aktuell auch TTIP verweigert. Die Liste kann beliebig erweitert werden, wie geschichtsbewusste Leser wissen.
Wie soll das funktionieren? Die Welt dreht sich ja weiter, Strom wird erzeugt, Verhandlungen werden geführt und bildschönes Gemüse gezüchtet, ob nun Hard oder Viktorsberg „frei“ von Übel sind oder nicht. Bei allem Verständnis für politisches Marketing, so kann das heute doch nicht gehandhabt werden. Oder kann man sich ein Unternehmen vorstellen, das sich für „bürokratiefrei“ oder „konkurrenzlos“ erklärt und damit auch erfolgreich ist? Mit Problemen und Perspektiven – egal wie positiv oder negativ sie sind – muss man sich schon auseinandersetzen, wenn man sein Ziel erreichen will.
Statt schön formulierter Presseaussendungen und womöglich einer bunten Plakette an Ortsschild oder Rathaus wäre es wohl angebracht, dass sich Bürger und Meister in einer globalisierten Welt auch mit den globalen Fragen auseinandersetzen.
Frei zu sein bedarf es wenig. Sich „frei“ zu erklären, zeugt entweder von Hilflosigkeit, es kann auch einfach ein Feigenblatt sein, mit dem man sich feit vor unangenehmen Diskussionen und Wahrheiten, oder man verkauft seine Gemeindebürger schlicht und einfach für dumm. Erreicht wird aber nichts: Wenn man wirklich verändern will, muss man sich mit Menschen, die anderes tun und andere Pläne haben, an einen Tisch setzen und Argumente einsetzen. Aber ganz sicher nicht leere Sprüche klopfen.
Kann man sich eine Firma vorstellen, die sich für ,bürokratiefrei‘ erklärt und damit durchkommt?
andreas.scalet@vorarlbergernachrichten.at, 05572/501-862
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