Wirtschaftsbericht 2015 übt Zweckoptimismus

„Auch in Österreich scheint die Talsohle durchschritten“, hofft die Regierung.
Wien. (VN) Niedriger Ölpreis und schwacher Euro machen Hoffnung, dass die Exporte weiter wachsen. Im Vorjahr wurde der vierte Exportrekord in Folge erzielt, stellt der „Wirtschaftsbericht Österreich 2015“ fest, der am Mittwoch von der Regierungsspitze präsentiert wurde. Nach dem realen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent im Jahr 2014 erwarten die Wirtschaftsforscher für 2015 und 2016 höhere Steigerungsraten – allerdings wachsen auch diese nicht in den Himmel. Das Wifo rechnet für heuer mit 0,5 Prozent, das IHS mit 0,8 Prozent Wachstum. Für 2016 gehen die Institute von 1,3 bis 1,6 Prozent aus.
Die Aussichten im Bericht sind von Zweckoptimismus geprägt: Es gebe die Hoffnung, dass die Steuerreform ab 2016 den Konsum ankurbeln werde. Die Arbeitslosigkeit steige, obwohl auch die Beschäftigung zulege, „aufgrund der Zunahme der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitskräften sowie von ausländischen Arbeitskräften aus der EU“.
Bei den Wirtschaftsauguren löst der Bericht keine Euphorie aus. Kritisch sieht Wifo-Chef Karl Aiginger die Entwicklung. Er sieht „eine Pause im Erfolgslauf Österreichs“, weil das Wachstum das dritte Jahr in Folge unter einem Prozent liegt und das zweite Jahr in Folge unter dem EU-Schnitt, bei zugleich höherer Inflation. Das seien „Warnsignale, auf die Österreich mit der Auflösung des Reformstaus reagieren muss“. Und weiter: „Neben der kalten Progression und einer hohen Belastung des Faktors Arbeit werden Gebühren erhöht, und nicht die Produktivität der öffentlichen Leistungen“, schreibt er.
Ähnlich kritisch Bernhard Felderer, Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses: „Wie die EU in ihrer jüngsten Prognose zeigt, ist es Österreich nicht gelungen, nach der Krise mit dem Durchschnitt Europas mitzuhalten. 2015 belegt Österreich einen der letzten Plätze im Ranking der Wachstumsraten.“ Die Gründe dafür seien bisher nicht ausreichend diskutiert worden, „von den daraus zu ziehenden wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen ganz zu schweigen“.
IV-Chefökonom Christian Helmenstein sieht ebenfalls Österreichs Wirtschaft „auf der Kriechspur“, und IHS-Ökonom Helmut Hofer fordert „Reformen zur langfristigen Stärkung des Standortes Österreich“ ein.
Europa und Österreich
» Arbeitsmarkt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Die Arbeitslosenquote liegt niedriger und die wichtigsten Parameter sind günstig.“
» Nutznießer. Laut Bertelsmann-Studie „hat jeder Bürger jährlich
280 Euro mehr in der Tasche“.
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