Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Sicherheit anstatt Freiheit?

Markt / 22.04.2016 • 19:03 Uhr / 3 Minuten Lesezeit

Flüchtlinge werden auch in unserem Land zunehmend als Bedrohung empfunden. Das Mitleid mit ihrem schweren Los, das sie aus infernalen Krisengebieten zur Flucht trieb, wird von Verdrängungs-, Abstiegs- oder Überfremdungsängsten, aber auch der Angst vor Terroranschlägen überlagert. Politische Extrempopulisten befeuern auch bei jungen Menschen wachsende Zukunftsängste.

 

Zuflucht wird in einer Festung Europa hinter Zäunen und Mauern gesucht, der Arbeitsmarkt soll abgeschottet werden. Dabei wird vergessen, dass die Vorboten der Flüchtlingswellen ignoriert worden sind, die staatlichen Sicherheitseinrichtungen überfordert waren und unser Flüchtlingsmanagement in Österreich vor allem im Durchwinken bestand. Nicht einmal eine ausreichende Bereitstellung von Quartieren war möglich, obwohl es sie gab. Nur die bewundernswerten Leistungen von Hilfsorganisationen oder privaten Initiativen haben ein noch größeres Desaster verhindert.

 

Unser Heer wurde viel zu spät aktiviert. Jetzt rächen sich auch die Versäumnisse der Vergangenheit. Die nach der Volksbefragung 2013 über die Zukunft des Bundesheeres gemachten Versprechungen wurden nicht umgesetzt, der im Nationalrat einstimmig beschlossenen Sicherheitsstrategie nicht entsprochen. Das Bundesheer hatte 2000 noch ein gleich hohes Budget wie die Polizei, inzwischen um ein Drittel weniger. Österreich gibt nur 0,55 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für das Heer aus, die Schweiz den dreifachen Anteil. Unser Nationalrat hat inzwischen einstimmig eine budgetäre Aufstockung verlangt.

 

Nichts aber haben wir eigentlich mehr zu fürchten als die Furcht selbst. Weil Angst lähmt. Und weil Einschränkung von Freiheiten keine Lösung für Sicherheitsaufgaben sein kann. „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“ Die rasche Bereitschaft, Freiheits- und Menschenrechte aufzugeben, taugt ebenso wenig wie eine neue Fremdenfeindlichkeit zur Bewältigung der Zukunft. Wer aussperrt, sperrt sich auch selbst aus. Ausländerfeindlichkeit ist keine Inländerfreundlichkeit, sondern schadet uns wirtschaftlich selbst.

 

Die Flüchtlingsproblematik wird sich nur durch gesamteuropäische Konzepte, die auch die Bekämpfung der Ursachen an den Entstehungswurzeln beinhalten müssen, im Guten regeln lassen. Nicht aber mit Zäunen, Mauern oder dem Verrat unserer eigenen Werte.

Nichts aber haben wir eigentlich mehr zu fürchten als die Furcht selbst. Weil Angst lähmt. 

markt@vorarlbergernachrichten.at
Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.