„Kleine Banken müsste man entlasten“

Die Strategie der Sparkassen bis 2020: Festhalten am Filialnetz.
Werner Böhler setzt auf Vertrauen und kritisiert überbordende Regelungen.
Dornbirn Werner Böhler ist Vorstandsvorsitzender der Dornbirner Sparkasse und Sprecher der Vorarlberger Sparkassen. Im Interview spricht er über die Herausforderung von Regulatorien, wie man neue Kunden gewinnt und welche Tipps er für Anleger hat.
Heuer standen bei den Vorarlberger Sparkassen hohe Jubiläen an. Sie und Ihre Kollegen nahmen dies auch zum Anlass, auf die schwierige Situation für kleine Banken hinzuweisen. Wie schwierig ist es wirklich?
Böhler Es ist unglaublich herausfordernd. Wenn die wirklich großen Entscheidungen, die Banken betreffen, in Brüssel oder Frankfurt gefällt werden, entscheiden das Menschen aus Ländern, in denen es kaum kleine Banken gibt. So werden oft Entscheidungen getroffen, die für uns sehr schwer umsetzbar und anwendbar sind. Die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Größen wird immer nur sehr marginal angewendet. Das heißt, die kleinen Banken müssen das Gleiche tun wie die großen. Nur, dass die Großbanken sich einen Apparat dafür leisten können.
Man müsste also bei den Regulatorien einen Unterschied zwischen Groß- und Kleinbanken machen, oder mit welchen Maßnahmen könnte man die Situation sonst ändern?
Böhler Die Verhältnismäßigkeit wäre ein ganz großer Wunsch. Man müsste sagen, den Banken, die regional tätig sind und nicht weltweit, traut man zu, dass sie die Gegebenheiten vor Ort richtig einschätzen können, weil sie ihre Kunden kennen. Diese Banken sollten von den vielen Verpflichtungen entlastet werden. Zudem kommen noch neue Regelungen wie Basel IV auf uns zu. Das bedeutet hohe Kosten, weil man dafür die IT ändern und anpassen muss. Auch bei Mifid, einer Regelung, die Wertpapiergeschäfte betrifft, gibt es Voraussetzungen, die kaum zu erfüllen sind, und die beim Kunden Unverständnis auslösen. Unser Geschäftsmodell hingegen ist auf Vertrauen aufgebaut. Da glaubt man einander. Leider gibt es vermehrt Systeme, die vorgeben, was man zu tun hat und was man darf.
Erschwert es die Argumentation, dass die meisten Regularien zur Sicherheit der Konsumenten eingeführt wurden?
Böhler Den Konsumentenschutz nehmen wir als Bank sehr ernst. Ich bin sehr dafür, dass die Konsumenten in den wesentlichen Dingen geschützt sind. Aber ich glaube, dass überbordende Bestimmungen letztlich nicht zum Vorteil der Konsumenten sind.
Welche Beispiele fallen Ihnen dazu ein?
Böhler Es gibt Gesetze, die die Möglichkeiten der Bank bei Kunden massiv einschränken. Wenn jemand beispielsweise über ausreichend Vermögen und Besicherung verfügt, einen Kredit aber zu Lebzeiten nicht zurückzahlen kann, darf er diesen nicht bekommen. Das betrifft einen 60-Jährigen, der drei Häuser besitzt, diese aber nicht verkaufen will, sondern sich mittels Kredit 20 schöne Jahre leisten will. Obwohl man ja sagen könnte, ich nehme einen Kredit auf eines der Häuser auf und meine Nachkommen, die das ganze Vermögen erben, zahlen den Kredit. Somit ist ein Generationenkredit sehr schwer argumentierbar, auch wenn das heute viel mehr nachgefragt wird.
Wie gewinnt man heutzutage neue Kunden? Was muss man als Bankinstitut bieten?
Böhler Es ist stark die Wirkung nach außen, die durch Mitarbeiter und Kunden transportiert wird. Uns ist sicherlich zugutegekommen, dass wir ein klares Bekenntnis zu den Filialen abgegeben haben. Zudem ist es das Erlebnis, das die Kunden aus der Beratung mitnehmen. Somit sind unsere Mitarbeiter der große Hebel dafür, um Attraktivität für unsere Bank zu schaffen.
Apropos Mitarbeiter: Auffallend bei den Vorarlberger Sparkassen ist, dass zuletzt doch einige Filialleiterpositionen mit sehr jungen Mitarbeitern besetzt wurden.
Böhler Da sind wir wahnsinnig positiv überrascht. Letztes Jahr wurden fünf Filialleitungen mit unter 30-jährigen Mitarbeitern besetzt. Es macht uns extrem viel Freude, wie sie mit einer umfassbaren Begeisterung an die Aufgabe herangehen. Das ist keinesfalls aus der Not heraus entstanden, weil sich kein Älterer dafür finden ließ, sondern weil die Jungen sich hervorgetan haben und aufgezeigt haben. Wir sind bis dato mit sämtlichen Neubesetzungen in den Filialen ausgesprochen glücklich. Sie haben einen positiven Schwung mitgebracht, das kommt auch bei den Kunden an. Es ist somit auch ein positives Signal nach außen, das zu einem guten Zulauf bei neuen Mitarbeitern und Neukunden führt.
Das Sparbuch wird mittelfristig wenig bis keine Zuwächse am Konto erlauben. Wie würden Sie Ihr Geld anlegen?
Böhler Letztes Jahr hat erstmals die Summe nicht gebundener Spareinlagen jene der gebundenen übertroffen. Es liegt also mehr Geld auf dem Konto als auf dem Sparbuch. Das hat es noch nie gegeben. Die Frage ist, ist das Resignation oder eher ein Abwarten? Heute ist mehr denn je ein Mix gefragt. Dazu gehört ein entsprechender Aktienanteil. Wenn man weiterhin von einem guten wirtschaftlichen Umfeld ausgeht, ist auch zu erwarten, dass sich Aktien dementsprechend gut entwickeln. Fonds oder Einzeltitel bieten sicher die beste Chance, einen Wertzuwachs zu erzielen.
Wie nimmt man den Kunden die Angst vor diesen Anlageformen?
Böhler Durch eine gute Beratung habe ich die Chance, zusätzliches Wissen zu vermitteln. Wenn man als Berater gefordert ist, wertet das auch die Positon auf. Aber das erfordert Ausbildung und den Zugang zu einem sehr breiten Wissen. Ich finde, das ist eine schöne Aufgabe. Der verantwortungsvolle Umgang mit Finanzthemen fängt schon früh an. Hier sehen wir uns auch als Wissenstransformator.
„Ich glaube, dass überbordende Bestimmungen nicht zum Vorteil des Konsumenten sind.“

Kennzahlen
Sparkassen Bregenz, Dornbirn, Feldkirch, Bludenz und Egg mit Filialen
Mitarbeiter (2016) 831
Bilanzsumme 2016 5,301 Milliarden Euro
Betriebsergebnis 2016 19,4 Millionen Euro
Verwaltete Kundengelder 4,7 Milliarden Euro
Gemeinwohl-Investitionen 1,4 Millionen Euro
Privat
Werner Böhler
Vorstandsvorsitzender Sparkasse Dornbirn, Sprecher der Vorarlberger Sparkassen
Geboren 23. Februar 1956
Ausbildung Pflichtschule in Dornbirn, Handelsakademie in Bregenz
Laufbahn 1976 Dornbirner Sparkasse, 1997 Wechsel zur Sparkasse Feldkirch, ab 2000 Vorstandsvorsitzender in der Sparkasse Feldkirch, seit 2008 Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Dornbirn
Familie verheiratet mit Astrid, zwei Kinder, drei Enkel
„Im innersten bin ich ein glücklicher Mensch“, sagt Werner Böhler. Er arbeite gerne und hat eine Familie, der er sich in der kargen Freizeit widmet. Viel Freude habe er mit seinen drei Enkeln, die alle in der Nähe der Großeltern wohnen. Er will sich keinem Freizeitstress aussetzen und konzentriert sich deshalb neben der Familie aufs Lesen und leichte Wanderungen. Singen wie seine Geschwister würde er gerne. Doch derzeit hat er keine Zeit fürs Proben, weil er drei bis fünf geschäftliche Abendtermine pro Woche hat.