Vom Spieler zum Zuschauer

„Eine Resozialisierung, die Spaß macht“: Ex-Vizekanzler
Reinhold Mitterlehner über die Zeit nach seinem Rücktritt.
Schwarzach „Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen“. Mit diesem Zitat aus Hermann Hesses Gedicht „Die Stufen“ schloss Reinhold Mitterlehner (62) am 10. Mai 2017 seine Rücktrittsrede. Es sei schlicht unmöglich, einerseits Regierungsarbeit zu leisten und gleichzeitig die eigene Opposition zu sein.
Der Umstieg vom Politiker, vom Wirtschaftsminister und Vizekanzler zur Privatperson war „eine riesen Umstellung, die man sich erst erarbeiten muss“, betont Mitterlehner im VN-Gespräch. „Es war, als ob man von 100 auf 0 abbremst und gleichzeitig war es auch euphorisch befreiend. Es ist aber nicht so, dass man sofort ins Paradies eintritt.“
Jetzt, mit dem Abstand von einem Jahr, sieht er vieles gelassener. Über die Umstände von damals oder das aktuelle politische Geschehen will er sich aber nicht äußern. Nur so viel: „Mit dem Verlust von Macht kann ich gut umgehen.“ Auch vermisse er bestimmte Politikerprivilegien wie den eigenen Chauffeur nicht. „Ich bin immer gerne selber Auto gefahren und habe nun das Bahnfahren für mich entdeckt.“ Das sei eine Resozialisierung, die Spaß macht. Im Endeffekt habe es Vorteile und er könne damit gut leben. „Meine Lebensqualität hat sich erhöht.“
Untätig ist er allerdings nicht geblieben. Vor ein paar Monaten hat der Ex-Vizekanzler sein eigenes Unternehmen für Projektentwicklung und Strategieberatung gegründet. „Ich habe ein bestehendes Netzwerk mit guten Kontakten.“ So auch zu Michael Grahammer (Grahammer & Partner Unternehmensberatung), der am Mittwochabend zusammen mit BDO zum Themenabend „Familienunternehmen am Wirtschaftsstandort Österreich“ lud und dabei Reinhold Mitterlehner als Referenten begrüßte. Das mache ihm Spaß. „Ich diskutiere gerne. Mit Unternehmern genauso wie gestern Vormittag mit Schülern der HAK Lustenau über Europa.“
Das politische Geschehen im Land beobachtet er mittlerweile wieder sehr intensiv. „Nach meinem Rücktritt war es anders. Da wollte ich zuerst gar nichts wissen.“ Nur die Perspektive ist nun eine andere. „Vom Spieler zum Zuschauer“, so Mitterlehner. Aber er bleibe ein politischer Mensch, wenn auch nicht mehr im formalen Sinn.
Zeit für Reformen
In seiner Funktion als Unternehmer unterstützt er nun Firmen in Sachen Strategie oder Kontaktanbahnung. Dazu kommen Vorträge und Aufsichtsratspositionen. Insgesamt eine Aufgabe, die durchaus fordernd sei. Und wie zufrieden ist der Unternehmer Reinhold Mitterlehner mit dem Wirtschaftsstandort Österreich? „Er hat sich ausgesprochen positiv entwickelt. Es gibt gute Nachrichten vom Arbeitsmarkt und beim Export. Die Wachstumsraten sind erfreulich. Die Impulse, die gesetzt wurden, gehen in die richtige Richtung.“ Auch dass Initiativen wie der Beschäftigungsbonus eingestellt wurden, sei durchaus berechtigt, weil die Konjunktur angezogen habe. Allerdings seien Reformen nötig. „Die Zeit muss nun dafür genutzt werden“, ist Mitterelhner überzeugt.
Gute Zeiten also für die aktuelle Wirtschaftsministerin. Der Ex-Vizekanzler hat da aber einen eigenen Zugang. „Die beste Zeit war für mich jene, in der Engpässe zu bewältigen waren. So wie in der Wirtschaftskrise.“ VN-reh