Auf Augenhöhe

Adriana Collini ist gerade für drei Monate im kambodschanischen Phnom Penh.
Adriana Collini (29) bereist die Welt, um innovative Gründer zu unterstützen.
Hohenems, Phnom Penh Von Pakistan über China nach Nepal und die Philippinen: 15 Länder in sieben Monaten, 1000 Start-up-Bewertungen, 22 Flüge und zwölf Nächte ohne Matratze auf dem Boden schlafend – so könnte man das erste Jahr von Adriana Collini (29) bei Seedstars in aller Kürze beschreiben. Als reisende Mitarbeiterin organisierte sie anfangs die Präsentation-Wettbewerbe („pitches“) für Unternehmensgründer in ganz Asien.
Heute ist die Hohenemserin im Investment-Team von Seedstars und gerade für drei Monate in Kambodscha. Die Organisation, die 2012 in Genf gegründet wurde, hat es sich zum Ziel gesetzt, das Leben der Menschen in Schwellenländern mittels Technologie und Unternehmertum positiv zu beeinflussen. Seedstars ist in 80 Städten und 65 Ländern der Welt aktiv, organisiert dort Start-up-Wettbewerbe, bietet Co-Working-Spaces an und unterstützt die jungen Gründer vor Ort.
Das Verständnis und die Wertschätzung für andere Kulturen, haben ihr ihre Eltern mitgegeben, erzählt Adriana Collini. In die große weite Welt zog es sie dann nach dem Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien und Auslandsemestern in Russland und Indien. „Länder, die nicht einfach sind“, sagt die 29-Jährige. Aber die etwas auslösten. In Indien belegte sie Kurse, die sich darum drehten, wie das Land durch Innovation und Globalisierung zu ökonomischem Wachstum kommt. „Meine Erkenntnis war, es gibt viele Menschen, die Probleme haben, von denen wir keine Ahnung haben, aber Lösungen dafür entwickelt haben“, erzählt sie. Das Missverständnis sei nur, dass diese Projekte oft als Charity wahrgenommen würden und nicht als Investment. Das versucht Seedstars aufzubrechen.
Nicht cool, ein Start-up zu sein
Einen Start-up-Hype wie in den USA oder Europa gebe es in den Schwellenländern übrigens nicht. Die Motivation der Jungunternehmer sei dort vielmehr, dem Land etwas Gutes zu tun. „In diesen Ländern ist es nicht cool, ein Start-up zu haben. Von vielen wird das nicht respektiert“, sagt Collini. Oft müsse man als Investor zuerst mit den Eltern sprechen und diese davon überzeugen, welch innovative Idee ihr Kind denn verfolge.
Die hohe Motivation der Gründer, die oft Widerständen trotzen müssen, sei faszinierend. „Aus Kambodscha beispielsweise sind viele geflüchtet. Nun kommen aber junge, hochgebildete Menschen wieder zurück in ihr Land, um die Wirtschaft mitzuentwickeln und Jobs zu schaffen. Sie wollen positiven Einfluss auf die Gesellschaft ausüben“, sagt die Hohenemserin. Umso wichtiger ist es ihr in ihrer Arbeit, die Menschen Ernst zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, nachhaltige Geschäftsbeziehungen aufzubauen und Ermöglicher zu sein.
„Es kommt viel zurück“
Das Ziel ist es letztlich, innovative Gründer mit potenziellen Investoren zusammenzubringen. Zudem investiert Seedstars selbst in ausgewählte Start-ups. Das Spektrum reicht von Branchen wie Gesundheit über Finanzen, Bildung oder Landwirtschaft. „Innovation gibt es nicht nur im Silicon Valley“, sagt Adriana Collini und merkt ihr die Begeisterung für die Länder, die sie bereist, an. „Ich lerne nicht nur verschiedene Menschen und Kulturen kennen, es kommt auch viel zurück.“
Zwölf innovative Gründer
In Kambodscha managt Collini derzeit ein Accelerator-Programm. Ein Förderprogramm für zwölf Start-ups, um sie bei ihrem Entwicklungsprozess zu unterstützen. Darunter sind Gründer, die ein offline abrufbares Onlinelernportal, eine Jobplattform für gering qualifizierte Arbeitnehmer oder eine Plattform für Krankenhäuser, um Patientenakten zu digitalisieren, entwickelt haben. „Die ganze Gruppe ist extrem motiviert und die Zusammenarbeit ist bisher wirklich toll, lehrreich und inspirierend“, berichtet sie aus Phnom Penh.
Mit Menschen, die einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, zusammen arbeiten zu dürfen, empfindet Adriana Collini dabei als Bereicherung. Auch wenn sie auf ihren Reisen sehr gefordert ist und Probleme oft keinen Aufschub dulden. „Für viele wäre das nichts. Ich aber mag es, Verantwortung zu übernehmen.“
Zuhause in der Natur
So gerne sie weltweit Start-ups sucht, findet und unterstützt, so gerne ist sie aber auch zuhause in Hohenems. Am liebsten entspannt Collini dabei am Alten Rhein oder am Schlossberg. Sie schätzt die für sie nicht immer alltäglichen Dinge umso mehr. Zum Beispiel das, was für viele in Vorarlberg eine Selbstverständlichkeit ist, ihr aber auf ihren Reisen oft fehlt: den Zugang zu einer Waschmaschine.
Zur Person
geboren 15. 11. 1989
Ausbildung Studium Wien, Russland und Indien
Laufbahn nach Praktika und berufl. Stationen nun bei Seedstars als Acceleration-Program-Manager
Zu Seedstars
Gegründet 2012
Schwerpunkt internationale Organisation, die die Lebensbedingungen in Schwellenländern mit Technologie und Unternehmertum verändern will