Antwort auf fundamentalen Umbruch

Durch erneuerbare Energien sind Stromhandel und Kraftwerkseinsatz in Zukunft immer flexibler einzusetzen.
Bregenz Simon Preuschoff ist bei illwerke vkw Energiewirtschaft-Experte zu den Themen Stromhandel und Kraftwerkseinsatz. Der 36-jährige Lindauer behält die Energiemärkte und den Energiehandel im Auge, um flexibel die Vorarlberger Pumpspeicherkraftwerke, wie beispielsweise das neue Obervermuntwerk II, der Marktlage entsprechend einzusetzen. „Warum man das Obervermuntwerk II gebaut hat und welche Bedeutung es in Zukunft haben kann, ist im Wesentlichen in der Energiewende begründet, die in Deutschland und in Gesamteuropa im Gange ist. Man versucht, sukzessive die fossile Energieerzeugung durch erneuerbare Energieerzeugung zu ersetzen“, so der Experte. Erneuerbare Ressourcen, die man bisher genutzt habe, seien im Wesentlichen erschöpft. „In der Vergangenheit wurde viel Wasserkraft genutzt, mit der man Erfahrung hatte. In Zentraleuropa wurden an allen größeren Flüssen und Gewässern Wasserkraftwerke gebaut“, sagt er und fügt hinzu: „Heute, wenn man zusätzliche erneuerbare Erzeugungskapazitäten ins Stromnetz bringen will, spricht man von Neuen Erneuerbaren, wie Wind- und Solarenergiekapazitäten.“ Allerdings passt sich das Verhalten der Verbraucher nicht flexibel an die Erzeugung durch Erneuerbare Energien an – der Verbrauch steigt hingegen stetig.
In Deutschland wurde 2000 durch die Rot/Grüne-Bundesregierung das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erlassen. „Es gab hohe Förderungen für die Einspeisung der Neuen Erneuerbaren und Solarenergie. Biomasse und
v. a. viel Windenergie wurden stark ausgebaut.“ In Österreich wurde ein Ökostromförderungsgesetz erlassen. „Nicht so umfangreich und die Förderungen waren gedeckelt.“ Der Ausbau sollte kontrollierter als in Deutschland stattfinden.
Speicherkapazität leisten
„Der deutsche Markt ist der europäische Leitmarkt und unsere Kraftwerke, wie die Kraftwerksgruppe Obere Ill/Lünersee, zu der das Obervermuntwerk II gehört, sind Teil des deutschen Regelblocks“, informiert Preuschoff. Das Netz und die Direktleitungen sind Teil des deutschen Regelblocks. Bei Überlegungen zu Erweiterungen der Kraftwerksgruppe Obere Ill/Lünersee spiele der deutsche Markt eine große Rolle. „Zur Energiewende muss jeder das leisten, was er leisten kann: Wir haben in Vorarlberg ein begrenztes Windaufkommen; es würde keinen Sinn machen, hier Windkraft im großen Stil auszubauen. Die Sonne scheint im Vergleich zu anderen Regionen nicht übermäßig. Wir haben hohe Berge und tief eingeschnittene Täler, somit können wir mit der Kraftwerksgruppe Obere Ill/Lünersee Speicherkapazität zur Verfügung stellen“, zeigt Preuschoff auf. Im Unterschied zu thermischen Kraftwerken, die bisher die Stromversorgung dominiert haben und jederzeit das erzeugen, was Kunden verbrauchen, produzieren die Neuen Erneuerbaren nur Energie, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Photovoltaikanlagen produzieren, wenn der Mensch aktiv ist und viel Energie braucht. „Windanlagen produzieren unterschiedlich und viel nachts. Das erfordert Speicherkapazitätstechnologien, die diese Erzeugung in Zeiten verlagert, wenn sie gebraucht wird.“ Zu Zeiten mit großer Nachfrage wird produziert. „Da ist die Anlage prädestiniert; es sind sehr schnelle Kraftwerke, die durch ihre Technologie auf etwaige Änderungen im Versorgungssystem, die nicht prognostiziert werden können, kurzfristig reagieren können. Das macht man in der Stromversorgung über die Regelenergie.“ Das Obervermuntwerk II wurde als hochflexibles Kraftwerk konzipiert. Bei der Funktionalität habe man darauf Wert gelegt, dass die Anlage diese Flexibilität erreicht. „In wenigen Minuten können wir auf den Markt reagieren und auf volle Leistung gehen. Die Energiewende und der Ausbau der Neuen Erneuerbaren Energien gehen weiter“, prognostiziert der 36-Jährige.
Mehr Schwankungen
„Zentrale Herausforderung: Auf Schwankungen in den erneuerbaren Energieerzeugungen muss man mit neuen Technologien reagieren. Das Obervermuntwerk II ist genau eine dieser Antworten.“ Es ist eine der wenigen großtechnischen Speicherkapazitäten. Ein zusätzlicher Vorteil war, dass bereits zwei Speicherbecken bestehen – das große Oberbecken am Silvrettasee und ein Unterbecken am Vermuntsee – und kein neues gebaut werden musste. Zusätzliche Vorteile waren die vorhandene Infrastruktur des Obervermuntwerks I und die entstandenen Synergien. Die Schwankungen im Stromnetz werden in Zukunft laut Preuschoff zunehmen. Heute müsse man nicht nur Verbrauch, sondern auch die Erzeugung prognostizieren. „Momentan ist man in der Energiewirtschaft in einem fundamentalen Umbruch aus einer sehr thermisch geprägten Vergangenheit, hin zu einer von erneuerbaren Energien dominierten Zukunft.“ VN-BEM
„Das Obervermuntwerk II wurde als hochflexibles Kraftwerk konzipiert.“
Die Serie „Energie für unser Leben“ ist eine redaktionell unabhängige Serie der Vorarlberger Nachrichten mit Unterstützung der illwerke vkw.
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