Doppelmayr Seilbahnen: Wann die Stadt das Winterbusiness überholt

Gerhard Gassner und Thomas Pichler über das Geschäft in luftiger Höhe.
Wolfurt Thomas Pichler und Gerhard Gassner leiten die Geschicke von Doppelmayr Seilbahnen. Im Interview sprechen sie über die Geschäfte am Berg und in der Stadt und wo es auf der Welt noch weiße Flecken gibt.
Wann wird das Städtegeschäft das Winterbusiness überholen?
Pichler: Das ist schwierig zu sagen, aber so wie es sich momentan entwickelt, kann es gut in vier oder fünf Jahren so weit sein. Weltweit machen wir 60 Prozent unseres Geschäftes im Winter, 20 Prozent im Ganzjahrestourismus und 20 Prozent im urbanen Bereich. Dort spielen vor allem Mittel- und Südamerika eine Vorreiterrolle, weil der Zuwachs in die Metropolen sehr rasch erfolgt ist. So sind rund um die Metropolen Siedlungen entstanden, die sich oft auf Hügelland befinden. Mit einer Seilbahn kann man einen neuen Stadtteil rasch er- und beispielsweise ans U-Bahn-Netz anschließen.
Ist in Europa der Leidensdruck noch zu gering?
Pichler: Das ist definitiv so. Die Menschen in La Paz (Bolivien) sind zuvor am Tag drei Stunden im Bus gesessen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Per Seilbahn sind es heute 20 Minuten. Zudem haben sich um die Stationen herum Märkte und Geschäfte entwickelt. Somit hat das Projekt die Stadt sehr positiv beeinflusst.
In den Alpen wird es immer schwieriger, neue Bahnen zu bauen. Gründe sind Umweltschutz oder Klimawandel. Was kann man in den bestehenden Skigebieten noch machen?
Pichler: Unser Geschäft am Berg war in den letzten zehn Jahren fast nur Ersatzgeschäft. Ausnahmen sind Skigebietsverbindungen, die ausgiebig diskutiert werden und dann entweder abgelehnt werden oder zustandekommen. Neue Investitionen in Skigebiete gibt es aber vor allem in Osteuropa. Dort investieren Regierungen, private Investoren oder große Konzerne in den Tourismus. Bezüglich Klimawandel tun sich vor allem die kleineren Skigebiete mit der Schneesituation schwer. Dafür steigt bei jedem unserer Kunden das Sommergeschäft. Es gibt unterschiedliche Positionierungen in Richtung Mountainbiker oder Familienfreundlichkeit.
Gleichzeitig gibt es Nationen wie China, die noch kaum Ski fahren.
Pichler: In China haben wir in der Vergangenheit vor allem Seilbahnen auf touristische Hotspots wie die chinesische Mauer gebaut. Durch die Olympischen Spiele 2022 will China nun 200 Millionen Wintersportler generieren. Die Entwicklung ist sehr interessant. In der Mittelschicht wird es schon Skifahrer geben, aber in welcher Anzahl lässt sich heute schwer sagen.
Wo sehen Sie noch weiße Flecken?
Pichler: In Afrika gibt es einige Projekte im urbanen Raum. Die Herausforderung ist allerdings die Finanzierung. Aber wir haben uns für diese komplexe Thematik gerüstet.
Generell ist Ihr Geschäft stark krisen- und konjunkturabhängig.
Pichler: Die Situation im Iran hat uns sehr überraschend getroffen. Vor 20 Jahren gab es das noch nicht. Da waren politische Themen gut vorhersehbar. Wenn man weltweit unterwegs ist, muss man Entwicklungen nun genau beobachten.
Kann man abschätzen, wie der Coronavirus Sie beeinflussen wird?
Pichler: Es ist heute nicht absehbar und kann vom lokalen Produktionsausfall bis hin zur weltweiten Rezession gehen. Wir haben in China 20 Projekte am Laufen, die nun alle für mindestens sechs Monate in Wartestellung sind. Für die Olympischen Spiele haben wir die Arbeiten aber soweit abgeschlossen. Wenn die Situation im Frühjahr/Sommer halbwegs unter Kontrolle ist, wäre es für uns kein Problem.
Am Berg wird oft mit Umweltschutzargumenten gegen Bahnen argumentiert. In der Stadt ist es umgekehrt. Wie gehen Sie damit um?
Pichler: Die Seilbahn ist am Berg genauso umweltfreundlich wie in der Stadt. Sie wird durch einen Elektromotor angetrieben. Aber wenn Kunden eine neue Piste erschließen oder einen Speichersee bauen, sind sie sofort in der Schusslinie und das ganze Projekt hat eine Medienaufmerksamkeit. Somit sieht man uns in der Stadt als Allheilmittel und am Berg mit gemischten Gefühlen.
Doppelmayr ist am Weltmarkt führend. Welche Innovationen können diese Stellung stützen?
Gassner: Wir entwickeln unsere Produkte sehr stark in Zusammenarbeit mit unseren Kunden. Wir schauen uns auch alle derzeit am Markt befindlichen neuen Technologien an, um sie in unsere Produkte einfließen zu lassen. Die Digitalisierung findet aber gleichzeitig auch in unserer Produktion und Fertigung Einzug. Wir haben auch viele langjährige Mitarbeiter, die ihre Erfahrungen einbringen, und setzen stark auf die Lehrlingsausbildung, damit wir auch für die Zukunft gerüstet sind.
Pichler: Viele Innovationen, die wir am Berg entwickelt haben, bescheren uns nun im urbanen Bereich Vorteile. So wie die breiteren Kabinen mit komfortablerem Einstieg und höherer Förderleistung.
Wann wird man in Vorarlberg mit der Wälderbahn fahren können?
Pichler: Wenn der Leidensdruck groß genug ist und wenn die Politik es will. Ich denke, das wird noch eine Zeit dauern. Uns würde ein Leuchtturmprojekt vor der Haustür natürlich freuen, aber das geht nur mit dem Willen und dem Rückhalt von allen.
Welche Überlegungen stehen hinter dem Projekt Leutkirch?
Gassner: Es ist ein Blick in die Zukunft. Es hat sich dort die Gelegenheit geboten, eine Liegenschaft zu erwerben. Aber es gibt noch kein konkretes Projekt. In Wolfurt haben wir vor Jahren damit begonnen, im Bereich Hohe Brücke Grundstücke zu kaufen. Aktuell läuft ein Verfahren, um diese zusammenzulegen.