Digitalkonferenz Interactive West: Kreative Lösungen gegen die Krise

Markt / 16.06.2020 • 21:00 Uhr / 9 Minuten Lesezeit
Digitalkonferenz Interactive West: Kreative Lösungen gegen die Krise
Die Gründer der Interactive West: Gerold Riedmann und Georg Burtscher. SAMS

Sechs Speaker brachten ihren Input direkt ins Homeoffice.

Schwarzach Normalerweise gastiert die Interactive West, die größte Digitalkonferenz im Bodenseeraum, im Dornbirner Messequartier. Durch Corona ist heuer alles anders. So brachten die Gastgeber Gerold Riedmann und Georg Burtscher den ersten Teil der Konferenz nun via Webinar direkt zu den Teilnehmern nach Hause. Die sechs Speaker, die ihre Inputs direkt ins Homeoffice lieferten, gingen vor allem den Fragen nach, welche Auswirkungen die Coronapandemie auf Unternehmen hat, was sich ändern wird und wie man auch in Schieflage kreative Lösungen findet.

Einig waren sich die Speaker, dass die Krise durchaus Chancen bringt. Viele Dinge seien bereits passiert, die zuvor unmöglich erschienen. Genauso bringe die Pandemie mehr Flexibilität, spreche bei Menschen aber auch andere Bedürfnisse an. Der Schlüssel sind dabei nicht nur neue Technologien, sondern Werte. Eine gelebte Unternehmenskultur, Transparenz, Vertrauen und eine dynamische Führung, die Mitarbeiter fordert und fördert, können dazu beitragen, dass Unternehmen am Ende gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Philipp Maderthaner.
Philipp Maderthaner.

Philipp Maderthaner ist bekannt als „Kanzler-Macher“, als Kampagnenmanager von Sebastian Kurz. Heute beschäftigt er sich damit, wie man Unternehmen unbesiegbar macht. Digitale Transformation zeige, was alles möglich wäre, sei aber mehr als eine „fancy Applikation“. Es gehe darum, das Unternehmen und sich selbst zu verändern. „Es ist nicht die Technologie, die uns überlegen macht, sondern es geht darum, wie der Mensch mit Technologien und Veränderungen umgeht.“

In der Coronakrise seien Dinge passiert, die davor nicht möglich schienen. „Krisen sind Veränderungsbeschleuniger. Gleichzeitig zeigen sie immer die besten und zugleich schwächsten Seiten auf.“ Marketing werde ein Unternehmen nicht retten. Es gehe vielmehr darum, die Substanz zu stärken. „Eine Kultur stärkt man nicht, indem man Bällebäder im Büro aufstellt. Es geht um Zugehörigkeit, um Wurzeln, um Werte, die man übt und lebt.“ Der Job der Führung wiederum sei es, Mitarbeitern zu Durchbrüchen und Erfolgserlebnissen zu verhelfen, eine Wachstumshaltung zu fördern. „Und letztlich muss man sich von der Scheinwelt lösen, die digital praktiziert wird, und uns suggeriert, dass alles einfach sein und schnell gehen muss.“

Nico Lumma.
Nico Lumma.

Nico Lumma ist Managing Partner bei Next Media Accelerator, dem führenden Zentrum für Medieninnovationen in Europa. Dort unterstützt er Start-Ups dabei, ihre Ideen umzusetzen, Investoren zu finden und sich mit Medienhäusern zu vernetzen. Eine Aufgabe, die derzeit schwierig ist. „Es wird weniger investiert in Start-ups. Es werden weniger Firmen gekauft. Es gibt weniger Folgefinanzierungen. Und es ist nicht absehbar, wie es weitergeht.“

Insgesamt bringe die Krise Gewinner und Verlierer mit sich. „Wenn man mehr zuhause ist, entstehen neue Bedürfnisse. Alle haben ein Smartphone, arbeiten oder wollen unterhalten werden. Gefragt sind also Streamingdienste, Essen-Bestellservices, Videokonferenztools oder digitale Werkzeuge für Vorstellungsgespräche.“ Gleichzeitig würden neue Herausforderungen wie Einsamkeit und gleichzeitig Ablenkung entstehen. „Und dadurch, dass wir nicht mehr zum Arbeitsplatz fahren, gewinnen wir mehr Zeit und sind flexibler.“ Lumma ist aber insgesamt überzeugt: Working at home wird einen neuen Innovationsschub bringen. „Es ist eine Veränderung zum Positiven und vieles davon wird bleiben. Denn Flexibilität macht letztlich nicht nur für Familien Sinn.“

Jodok Batlogg.
Jodok Batlogg.

Der Bezauer Jodok Batlogg ist quasi der Vorzeigeschüler in Sachen Vorarlberger Start-up-Kultur. Er war maßgeblich am Aufbau von StudiVZ, der größten Online-Community Europas beteiligt und gründete zusammen mit Christian Lutz Crate.io. Das Tech-Unternehmen mit Standorten in Dornbirn und dem Silicon Valley entwickelt auf Maschinendaten spezialisierte Echtzeit-Datenbank-Lösungen für das Internet der Dinge.

In seinem täglichen Business beobachtet er durch die Coronakrise vor allem, dass Innovationsprojekte nach hinten verschoben werden. Einbrüche gibt es bei neuen Aufträgen. Und normalerweise wäre er aktuell in den USA. „Hier im Bregenzerwald ist es auch schön. Aber wenn man über Videotools kommuniziert, geht vieles verloren. Die persönliche Kommunikation vermisse ich schon.“ Wie er sich dennoch im Arbeitsalltag konzentriert hält? Kalender-Zero nennt sich das Zauberwort. In seiner Woche gibt es zwei Meeting-freie Tage. Dafür werden andere Tage dafür geblockt. Das Reisen vermisst er dennoch. „Gleichzeitig sehe ich ein riesiges Potenzial für lokale Coworking-Büros in kleinen Dörfern.“ So entstehe für Menschen, die nicht in Städte zur Arbeit pendeln wollen, eine neue Flexibilität.

Philipp Stangl.
Philipp Stangl.

Philipp Stangl gründete das Food-Start-up KochAbo mit. Heute fokussiert er sich mit Rebel Meat auf nachhaltige, biologische Fleischprodukte. „Wir sind mit unseren Burger-Patties auf die Gastronomie zugegangen. Dann kam der Lockdown und die Umsatzbasis brach weg.“ Für ihn aber auch eine Chance.

Zunächst wurde eine lange to-do-Liste geschrieben. „Die Überlegungen reichten von der neuen Website, einem Webshop, einer Crowdfunding-Kampagne für Rostbratwürste bis zum Fokus auf den Lebensmittelhandel.“ Dadurch habe man keinen Mitarbeiter abbauen oder in Kurzarbeit schicken müssen. Ziel war es, gestärkt aus der Krise herauszugehen, damit es auch unternehmerisch vertretbar ist. Und tatsächlich wurde alles umgesetzt, bis auf den Webshop. Heute gibt es die Burger-Patties in den Filialen des Rewe-Konzerns. „Unser Learning ist, wie produktiv man im Homeoffice sein kann. Wir sind sehr stolz, auch wenn nicht alle Pläne gleich aufgegangen sind.” Rebel Meat sieht sich dabei als David, der gegen Goliath kämpft. Eine Übermacht die sich in Form der Krise oder der Lebensmittelbranche zeige. “Aber wir sind flexibler geworden, breiter aufgestellt und als Team zusammengewachsen.“

Marianne Grobner.
Marianne Grobner.

Macht Corona das Management agiler? Marianne Grobner ist Dozentin an der FH Vorarlberg und Unternehmensberaterin. „Früher hat man agil mit Senioren in Verbindung gebracht, die noch aktiv sind. Vor Corona mit Kanban-Tafeln und in Coronazeiten mit Homeoffice, ständiger Anpassung und kurzfristigen Entscheidungen. Es ist aber viel mehr.“

Vor allem gehe es bei agilem Management um Partizipation, also darum, alle zu Beteiligten zu machen und zur Mitgestaltung zu ermächtigen. Dafür brauche es aber Transparenz und das bedeute, alle Mitarbeiter bräuchten unabhängig der Hierarchie den gleichen Zugang zu Informationen. Das wiederum bedinge eine Vertrauenskultur. „Vertrauen heißt auch zutrauen, zumuten, fordern und fördern. Ob eine solche Kultur herrscht, sieht man daran, wie man mit Fehlern umgeht.“

Corona habe auch gezeigt, dass Fünfjahrespläne nicht mehr so leicht umsetzbar sind. „Wir sind an die Grenzen der Planbarkeit gestoßen.“ Nun heiße es, dynamisch zu steuern und Führung zu verteilen. „Fragen statt sagen“, so ihr Tipp an die Führungskräfte. „Durch Corona haben wir den Fußtritt bekommen, sich mit den Themen auseinanderzusetzen.“

Aljan de Boer.
Aljan de Boer.

Aljan de Boer beschäftigt sich mit den Trends, die uns in Zukunft beschäftigen werden. Dabei geht es um Strategien, die es Marken ermöglichen, sich richtig anzupassen und relevant zu bleiben. Er berät dabei unter anderem Ikea oder Vodafone.

Nun oder speziell auch in Coronazeiten gehe es für Unternehmen darum, nicht auf kurzfristige Veränderungen zu reagieren, sondern auf Trends, die auch langfristig bestehen bleiben. „Es gibt Personen, die sagen, alles wird sich ändern. Das glauben wir nicht.“ Es sei zwar eine harte Zeit, aber sie gehe auch wieder vorbei. „Krisen gab es in der Vergangenheit immer. Daraus kann man seine Lehren ziehen.“ Denn in diesen unruhigen Zeiten gebe es zwei Beobachtungen. Die Menschen suchen nach Schutz und sind gleichzeitig sozial isoliert. Darum sei es für Firmen wichtig, sich auf die fundamentalen menschlichen Bedürfnisse zu konzentrieren. Als ein Beispiel nennt er das geistige Wohlbefinden. Dieser Fokus bleibe bestehen, auch wenn er aktuell durch die Krise beschleunigt werde. Für Unternehmen sei es deshalb spannend, Innovationen voranzutreiben, die die psychische Belastbarkeit von Menschen verbessern. Während aber vor allem auch nach der Krise.

Fortsetzung am 1. Dezember

Dieses „virtual popup“ war aber nur der erste Teil. Denn am 1. Dezember 2020 findet die Interactive West wieder wie gewohnt auf der Bühne des Dornbirner Messequartiers statt.

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