ÖBB fordern Millionen von Bombardier

Lieferverzögerungen bei den Talent-3-Zügen verursachen hohe Kosten. „Wir wollen Schadenersatz“, sagt ÖBB-Chef Matthä.
Wien Ein positives Ergebnis trotz 750 Millionen Euro Umsatzverlust: Damit rechnet ÖBB-Chef Andreas Matthä für das Jahr 2020. Das Bregenzer Bahnhofsprojekt möchte er bald mit Bürgermeister Michael Ritsch besprechen. Von Bombardier fordert er Schadenersatz.
Im Sommer erwarteten Sie trotz Krise ein ausgeglichenes Ergebnis. Nun dauert der Lockdown aber deutlich länger. Wie ist die Bilanz für 2020?
Matthä Meine Einschätzung ist stabil bei 750 Millionen Euro Umsatzverlust. Am stärksten betroffen ist der Personenverkehr, wegen mehrerer Lockdowns stärker als gedacht. Im ersten Lockdown hatten wir 90 Prozent weniger Passagiere. Mittlerweile sind wir bei minus 60 bis 70 Prozent. Den Güterverkehr trifft es etwas weniger. Für das Gesamtjahr sieht es so aus, als wären wir über alle Teilkonzerne leicht im Plus.
Wie ist es möglich, in einem Jahr wie 2020 positiv abzuschließen? Durch staatliche Unterstützung?
Matthä Für die Kurzarbeit haben wir etwa 25 Millionen Euro erhalten. Die Schienennutzungsgebühr wurde gesenkt, das brachte uns 45 Millionen Euro. Und wir haben Zusatzzahlungen zu den Verkehrsdienstverträgen erhalten, weil die kalkulierten Passagiere nicht da waren. Gleichzeitig mussten wir die Tarifeinnahmen abführen. Und wir haben als Unternehmen 300 Millionen Euro eingespart.
Die Flugbranche erwartet, erst 2025 zu den alten Passagierzahlen zurückzukehren. Was ist Ihre Prognose für die Bahn?
Matthä Im Sommer sind die Nachtzüge sprunghaft auf das Vorkrisenniveau zurück gekehrt. Bei den Tagzügen erwarten wir, dass wir Ende 2022 wieder auf dem Vorkrisenniveau sind, im Nahverkehr Ende 2021. Vorausgesetzt, die Schulen haben ab September wieder Präsenzunterricht.
Vorarlberg wartet seit 2019 auf neue Zuggarnituren. Die Lieferung der Talent-3-Züge von Bombardier verzögert sich weiter. Nun haben die ÖBB einen neuen Rahmenvertrag für 100 Züge österreichweit ausgeschrieben. Werden Sie den Anbieter wechseln?
Matthä Bombardier ist jetzt mit Alstom verschmolzen. Mit ihnen sind wir nun in Diskussion, ob die Talentzüge entsprechend fertig werden oder ob wir Alternativen brauchen. Wir wollen keine Vorarlbergerin und keinen Vorarlberger stehen lassen, weshalb wir derzeit mit Zwischenlösungen agieren. Auf die Dauer geht sich das aber nicht aus und wir brauchen neue Züge. Von wem sie am Ende kommen, wissen wir noch nicht.
Wie groß ist das Auftragsvolumen des neuen Rahmenvertrags?
Matthä Es gibt noch keinen fixierten Vertrag und daher auch noch keine Angebotssumme. Aber wir bewegen uns hier im dreistelligen Millionenbereich.
Wie hoch sind die Kosten der Lieferverzögerungen für die ÖBB?
Matthä Das Land Vorarlberg hatte uns gegenüber eine Erwartungshaltung und jetzt eine „vermeintliche Ersparnis“, weil es nichts für neue Züge zahlen muss. Wir müssen aber zusätzlich dazu auch noch Ersatzzüge stellen. Dafür wollen wir Schadenersatz. Wir sind derzeit dabei, die Schadenersatzforderungen gegenüber Bombardier beziehungsweise Alstom zu finalisieren. Es geht dabei um mehrere Millionen Euro.
Es scheint ein Termin mit dem Bregenzer Bürgermeister Michael Ritsch und Ihnen geplant zu sein. Wann findet er statt?
Matthä In den nächsten Wochen. Es ist selbstverständlich, dass wir bei großen Projekten wie dem Bregenzer Bahnhof miteinander reden und Positionen austauschen.
Können Sie sich vorstellen, den Plan aufzuschnüren?
Matthä Der Bregenzer Bahnhof ist ein spannendes Projekt. Reden gehört hier immer dazu.
„Auf die Dauer gehen sich Zwischenlösungen nicht aus und wir brauchen neue Züge.“
Das Interview führten Redakteure der Bundesländerzeitungen, für die VN Birgit Entner-Gerhold