Deshalb braucht es den zweiten Arbeitsmarkt

Pandemie verstärkt Langzeitarbeitslosigkeit. Mehr Mittel für soziale Unternehmen.
altach Im Carla Shop in Altach ist man froh, wieder geöffnet zu haben. Der Andrang ist für einen Donnerstagvormittag gut, zahlreiche Menschen nutzen die Sale-Angebote des von der Caritas betriebenen sozialen Unternehmens. Und doch hängt die Corona-Pandemie wie ein Damoklesschwert über den sozialen Unternehmen. Sie rechnen nicht nur mit einem weiteren Anstieg an Personen, die schwer auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind, sie wissen es. Das zeigen die Zahlen, die Bernhard Bereuter, Geschäftsführer des AMS, präsentierte. Von den rund 16.000 Arbeitslosen, die derzeit in Vorarlberg gemeldet sind, sind rund 3000 davon betroffen, 80 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Inzwischen komme die Langzeitarbeitslosigkeit in der Mitte der Gesellschaft an, schlägt die Vereinigung der Vorarlberger sozialen Unternehmen, „Arbeit plus“, Alarm.
Appell an Firmen
Dagmar Jarc aus Lustenau ist eine davon. Sie arbeitete 37 Jahre in einer Stickerei in Lustenau und verlor, als das Unternehmen an eine ausländische Firma verkauft wurde, von einem Tag auf den anderen ihren Arbeitsplatz. Weil sie so lange in ein und demselben Unternehmen arbeitete, musste sie feststellen, dass sie in ihrem Alter und ohne die heute geforderten Qualifikationen schwer bzw. eigentlich gar nicht mehr vermittelbar ist. „Ich hatte psychische Probleme, bekam Tabletten, ich habe sogar an Selbstmord gedacht“, berichtet die 58-Jährige, die immer arbeiten konnte und wollte. Einen Arbeitsplatz bekam sie schließlich bei Carla. Das hat sie aufgefangen, ihr Appell an die Firmen: „Lagern sie nicht aus, schaffen sie Arbeitsplätze auch für Menschen die 50 Jahre und älter sind.“ Und an arbeitslose Menschen: „Nicht aufgeben.“
Weiterer Ausbau
Bis es auch aus demoskopischen Gründen ein Umdenken bei den Arbeitgebern gibt, brauche es aber jetzt weitere Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose, betont die Geschäftsführerin von Arbeit plus, Benedicte Hämmerle, die auch auf die Qualifizierungsmaßnahmen in sozialen Unternehmen hinweist. Ihr Ruf wurde gehört: Das Land Vorarlberg und das AMS haben ihre Beiträge für den zweiten Arbeitsmarkt angesichts der Lage nochmals erhöht. Die Notwendigkeit der höheren finanziellen Unterstützung zur Verhinderung von Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit unterstreicht auch Wirtschaftslandesrat Marco Tittler: „Die bewährten niederschwelligen Beschäftigungs- und Ausbildungsinitiativen im Rahmen der Vorarlberger Joboffensive unterstützen langzeitbeschäftigungslose Menschen beim Wiedereintritt in ein geregeltes Berufsleben. Deshalb haben wir uns klar für deren Fortsetzung und weiteren Ausbau entschieden. Die Zahl der Plätze und der geplanten Eintritte wurden deutlich ausgeweitet und die Mittel um rund 1,3 Mio. Euro erhöht“, so Tittler. Insgesamt beträgt die Unterstützung von AMS und Land heuer 12,5 Millionen Euro.
„Von der Gesellschaft wird man abgestempelt, auch wenn man nichts für den Jobverlust kann.“
Dagmar Jarc, Betroffene
Ziel der Arbeitsprojekte sei es aber auch, wirtschaftlich zu arbeiten, betont Karoline Mätzler, Leiterin des Fachbereichs Arbeit & Qualifizierung der Caritas Vorarlberg. Rund 70 Prozent werden in dem Sozialunternehmen selbst erwirtschaftet. Zu über 70 Prozent sind es Frauen, die in Carlabetrieben arbeiten. In Sachen Qualifizierung sei man auch immer wieder bemüht, neue Wege zu gehen. „Man könnte zum Beispiel Ausbildungsmaßnahmen wie Staplerfahrer oder IT-Kurse ins Programm aufnehmen“, schlägt sie vor. Arbeit genug also in Zukunft für die sozialen Unternehmen in Vorarlberg.
Arbeit plus
Geschäftsführerin Benedicte Hämmerle
Obmann Florian Kresser
Mitgliedsbetriebe AQUA Mühle, Kaplan Bonetti Arbeitsprojekte, Integra, carla – Caritas Vorarlberg, Dornbirner Jugendwerkstätte
AMS-Förderung 9 Mill. (2021)
Landesförderung 3,5 Mill. (2021)
Betreuungsangebot diverse gemeinnützige Tätigkeiten in befristeten Dienstverhältnissen, Arbeitstrainings, Qualifizierungsangebote, Schulungen, persönliche Unterstützung durch Sozialarbeitende