“Jetzt ist die Chance für einen Neuanfang”

Für Erste-Group-Chef Bernd Spalt beginnt eine neue Zeitrechnung.
Dornbirn Eine Bilanzsumme von über 300 Milliarden Euro, 45.400 Mitarbeiter und 2176 Filialen in sieben Ländern – das sind die Kennzahlen der Erste Group. Bernd Spalt ist Vorstandschef der Bankengruppe und gebürtiger Vorarlberger. Bei seinem Kurzbesuch in der alten Heimat traf er sich mit Harald Giesinger, Vorstandschef der Dornbirner Sparkasse, und Martin Jäger, Sprecher der Vorarlberger Sparkassen. Gemeinsam richten sie den Blick nach vorne auf die Chancen, die sich nach der Coronakrise bieten.
Positive Dynamik spürbar
Dabei herrscht Optimismus, der von einer sehr positiven Dynamik gespeist wird. In Vorarlberg haben die Sparkassen im ersten Halbjahr mehr Neukredite vergeben als im gesamten Jahr 2020, das Kundenvermögen ist um weitere fünf Prozent angestiegen. Auch die zunächst befürchtete Insolvenzwelle sei nicht eingetreten, sagt Bernd Spalt im VN-Gespräch. „Manche Schätzungen für Kreditausfälle lagen anfangs im hohen zweistelligen Bereich. Das ist zum Glück nicht eingetreten“, so Spalt über die Robustheit der Wirtschaft. Auch wenn diese im vergangenen Jahr so nicht vorhersehbar war. „2020 war von maximaler Unsicherheit geprägt. Die Rolle der Banken war es, Liquidität zur Verfügung zu stellen. Jetzt mit fortschreitender Durchimpfungsrate haben wir die Basis für ein nachhaltiges Wiederaufmachen“, sieht Spalt nun die Chance für einen Neuanfang mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung.
Eine gute Chance dazu biete der 750 Milliarden Euro schwere Wiederaufbauplan der EU. Daraus sollen 3,5 Milliarden nach Österreich fließen, davon mindestens 37 Prozent für Klimaschutzprojekte und mehr als 20 Prozent für digitale Transformation. „Die Politik ist nun gefordert, das Geld sinnvoll zu investieren um damit an der Zukunft zu bauen. Das ist die Chance für Europa schneller und besser als andere zu sein“, ist Spalt überzeugt.
Die Welt sei nun eine andere wie vor der Krise. Das zeige sich in verschiedenen Bereichen. „Zu Beginn der Krise haben wir unseren Campus in Wien von 5500 Mitarbeitern auf 150 heruntergefahren. Das Homeoffice hat super funktioniert. Wir werden auch in Zukunft anders arbeiten. Remote Work wird normal sein, denn es hat den Beigeschmack verloren, dass es nur für Menschen ist, die nicht arbeiten wollen“, betont Spalt. Es gebe aber kein Entweder-Oder, digital oder persönlich. Viele Themen würden auch weiterhin einen persönlichen Kontakt erfordern.
Auch mit den Negativzinsen werde man noch länger leben müssen. „Durch die Krise liegt noch mehr Geld auf den Sparbüchern. Die Sparquote hat sich weiter erhöht. Aber da es keine Zinsen gibt, braucht es Alternativen“, so der Bankenchef. Wertpapiere böten die Chance mit einem vertretbaren Risiko auch Erträge zu erwirtschaften.
Der große Fokus auf Nachhaltigkeit sei ebenfalls hilfreich. Es gebe immer mehr Anlageprodukte mit nachhaltigen Attributen und Investoren hätten hier mittlerweile ein großes Know-how aufgebaut.
KMU-Fonds für Eigenkapital
Wichtig für Spalt ist auch ein neuer Zugang zu Eigenkapital. Corona habe die Bilanzen der Unternehmen erheblich geschwächt. „Wir müssen hier eine Brücke bilden zwischen den Unternehmen und den Investoren“, denkt er hier an einen KMU-Fonds. Ein entsprechender Vorschlag liege seit Monaten bei der Regierung. „Die Voraussetzungen dafür wären einfach zu schaffen. Es gibt zwar eine Diskussion, aber es geht mir zu langsam“, hofft Spalt auf einen mutigeren Ansatz. VN-reh
„Mit der hohen Durchimpfungsrate haben wir die Basis für einen nachhaltigen Wiederaufbau.“