Wie eine alpine Großbaustelle die Handwerker fordert

Jahresrückblick 2021 / 21.09.2021 • 05:45 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Wie eine alpine Großbaustelle die Handwerker fordert
Baustelleneinrichtung für die Sanierung des ÖBB-Kraftwerks Spullersee.  FA

Jäger Bau saniert im Hochgebirgswinter ÖBB-Kraftwerk Spullersee.

Lech, Schruns Auf 1800 Metern Seehöhe bei Eis und Schnee ein beinahe 100 Jahre altes Kraftwerk zu erneuern, ist eine besondere Herausforderung. Die Untertagebau-Spezialisten des Schrunser Bauunternehmens Jäger Bau wurden genau mit diesem 11,5 Mill. Euro-Projekt von den ÖBB beauftragt, die Arbeit startete im August 2019. „Durch die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten kann das erneuerte Kraftwerk Spullersee pünktlich an die ÖBB übergeben werden“, informiert jetzt Projektleiter Josef Tschofen von Jäger Bau.

Die Bauspezialisten stellten sich den harten Bedingungen. Sie kämpften zusammen mit den Kollegen der ÖBB gegen Kälte, Eis und Schnee an, denn die notwendige Seeentleerung war nur während der Wintermonate möglich. „Dies erforderte eine penible Einhaltung des Zeitplans“, erklärt Tschofen. „Im Frühjahr musste das Kraftwerk wieder betriebsbereit sein, um ein allfälliges Überlaufen des Speichers zu verhindern.“

Innovative Logistiklösungen

Insgesamt wurden 10.000 Kubikmeter Fels für den 500 Meter langen Zugangsstollen herausgesprengt, bevor die unterirdischen Anlagenteile erneuert, 450 Tonnen genietete Stahlleitung rückgebaut und 1750 Meter neue Rohrleitungen verlegt werden konnten. Da während des Winters keine Transportversorgung möglich war, mussten vier 200 Tonnen Spritzbetonsilos sowie vier 50-Tonnen-Konstruktionsbetonsilos ins Hochgebirge gebracht und mit  Trockenbaustoff befüllt werden. Die neuen, tonnenschweren Anlagenteile wurden bereits im Herbst auf der Baustelle eingelagert. Nur so war es möglich, dass diese unter meterhohem Schnee sofort gefunden werden konnten, bevor sie mit einem speziellen Transportgerät durch den neuen Zugangsstollen transportiert und mit einem eigens installierten Brückenkran montiert werden konnten.

Bauen, wo andere Ski fahren

Für den Abtransport der alten Beton- und Stahlteile durch den engen Rohrstollen wurde ein Kleintraktor mit einem speziell entwickelten Anhängersystem adaptiert. Mit dieser Eigenentwicklung wurden innert weniger Wochen 200 Stück der knapp neun Meter langen und bis zu drei Tonnen schweren Stahlrohre ausgebaut und abtransportiert. Anschließend wurde die neue Druckrohrleitung in Rekordzeit eingebaut.

Portal zum Zugangsstollen, im Hintergrund die Hütte, in der Bauleiter Christoph Sinkovec den Winter verbracht hat und wo auch schon der Bauleiter vor 100 Jahren gewohnt hat.
Portal zum Zugangsstollen, im Hintergrund die Hütte, in der Bauleiter Christoph Sinkovec den Winter verbracht hat und wo auch schon der Bauleiter vor 100 Jahren gewohnt hat.

Durchkommen nur mit Motorsägen

Nachdem im Winter die Baustelle nur mit Werksseilbahn und einem Fußmarsch durch den beengten Rohrstollen lawinensicher erreicht werden konnte, wurde im Baustellenbereich ein Wohnlager eingerichtet. Dies führte dazu, dass neben den besonderen Anforderungen infolge der Schneelasten auch rund 3000 Gerichte für die Verpflegung der Baustellenmannschaft eingelagert werden mussten. „Alle Beteiligten zeigten einen großartigen Einsatz“, berichtet Bauleiter Christoph Sinkovec über den Winter im Gebirge. Schneeverwehungen erforderten ein permanentes Räumen der Zufahrt und der Baubereiche. Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt war ein Durchkommen meist nur mithilfe spezieller Motorsägen möglich. Wegen dieser extremen Bedingungen gilt die Sanierung des Spullersee-Kraftwerks in Fachkreisen als vorbildliche Umsetzung eines komplexen Großprojekts.