Wie die Schweiz Einkaufstouristen bremsen will

Markt / 24.09.2021 • 05:45 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Wie die Schweiz Einkaufstouristen bremsen will
Der kleine Grenzverkehr ist für den Vorarlberger Handel von großer Wichtigkeit.  VN/Paulitsch
 

Abschaffung der Schweizer 300-Franken-Freigrenze hat für Vorarlberg große Auswirkungen.

Schwarzach, Bern Nach Jahren der Diskussion, vergeblicher Initiativen und Klagen wegen Ungleichbehandlung könnte es nun ernst werden. Die Schweizer Politik will nicht länger zuschauen, wie Milliarden Franken durch den Einkaufstourismus ins Ausland, zu einem guten Teil nach Vorarlberg, fließen, der Einzelhandel auf der Schweizer Seite massiv leidet und obendrein dem Staat zwischen 500 und 600 Millionen Franken jährlich an Mehrwertsteuer entgehen. Gleich mehrere Politiker, unter ihnen SVP-Bundesrat Ueli Maurer, der St. Galler Ständerat Benedikt Würth und die Thurgauer Ständerätin Brigitte Häberli-Koller waren mit ihren Initiativen im Schweizer Nationalrat und im Ständerat erfolgreich und erreichten, dass die 300-Franken-Freigrenze bei der Mehrwertsteuer in Frage gestellt wird. Auf dem Tisch liegt neben der Forderung zur gänzlichen Abschaffung auch eine sogenannte Motion, also ein verbindlicher Auftrag an das Parlament, einen Beschluss zu treffen, dass die Freigrenze auf 50 Franken fallen soll.

Milliarden Franken abgeflossen

Nimmt man das vergangene Coronajahr mit den Grenzschließungen aus, sind, so eine Studie der Universität St. Gallen aus dem Jahr 2018, rund neun Milliarden Franken jährlich in den Detailhandel im grenznahen Ausland gelandet, etwa 120 Millionen Franken betrug damals der jährliche Zustupf für den Vorarlberger Handel aus der Schweiz und Liechtenstein.

Dass es auch anders sein könnte, zeigten die bereits erwähnten Grenzschließungen, wie der Geschäftsführer der Wirtschaftskammer Liechtenstein, Jürgen Nigg, betont. Die Umsätze der  Liechtensteiner Geschäfte stiegen sprunghaft an und brachen – wie das Amen im Gebet – nach der Grenzöffnung genauso schnell wieder zusammen. Dito in den großen Einkaufszentren im Schweizer Rheintal. Die Senkung der Freigrenze sei seit Jahren auch eine Forderung des Liechtensteiner Handels, deshalb begrüße man den Vorstoß im Fürstentum, wo vor Corona schon einmal die Regierungsmitglieder aufgefordert wurden, nur im eigenen Land einzukaufen.

In Vorarlberg sieht man die Situation naturgemäß anders. Julius Moosbrugger, Geschäftsführer der Fachgruppe Lebensmittelhandel in der WKV, spricht von einem „Schlag ins Gesicht“. Speziell für Branchen, die teurere Artikel verkaufen, und die nach wie vor an den Folgen der Lockdowns laborieren, sei eine Senkung der Freigrenze auf 50 Franken fatal, aber auch Lebensmittelhändler im grenznahen Bereich und in den Einkaufszentren würden eine solche Maßnahme spüren. „Wir können die Entwicklung beobachten und protestieren, aber ob das in Bern jemanden juckt, ist in Frage zu stellen.“

Messepark-Geschäftsführer Burkhard Dünser bleibt auf VN-Anfrage ruhig: Über dieses Thema werde in der Schweiz schon lange diskutiert, die Initiative komme daher nicht überraschend. „Unsere Schweizer Kunden kaufen gerne bei uns ein, weil sie die Qualität der Geschäfte und Produkte schätzen und weil auch der Preis bei uns stimmt. Die Menschen haben sich über viele Jahre daran gewöhnt, dass sie einen Einkaufsausflug nach Vorarlberg machen, der meist mit einem Besuch der heimischen Gastronomie verbunden wird. Das wird auch in Zukunft so bleiben“, ist er überzeugt.