Drei Szenarien für den Gas-Notfall

Markt / 08.07.2022 • 22:40 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge. 
              
              aa/Schierholz

Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge.

aa/Schierholz

Agenda Austria hat berechnet, was passiert, wenn Russland ausfällt.

Wien Das Szenario eines Gas-Lieferstopps aus Russland ist derzeit in aller Munde. Bei der Denkfabrik Agenda Austria geht man zumindest für heuer davon aus, dass die derzeitigen Gas-Speicherstände in Österreich unter Einsatz des Notfallplans fast ausreichen sollten, um das laufende Jahr halbwegs zu überstehen. Für 2023 hat Ökonom Jan Kluge aber drei Szenarien für den Ernstfall durchgerechnet. Was würde wirtschaftlich passieren, wenn während des gesamten Jahres kein russisches Gas käme und auch die Speicher leer wären?

Optimistisch

Im optimistischen Szenario können laut dem Ökonom in Anlehnung an Pläne der Europäischen Kommission zwei Drittel des russischen Gases kompensiert werden. Angenommen wird auch, dass die privaten Haushalte ihren jährlichen Gasverbrauch um fast ein Fünftel reduzieren. Der Rückgang der realen Wirtschaftsleistung werde insgesamt rund 2,6 Prozentpunkte betragen, 45.000 Arbeitsplätze fallen weg. Legt man die aktuellen Prognosen von Wifo und IHS zugrunde, die für 2023 ein BIP-Wachstum von ein bis zwei Prozent erwarten, dann würde die österreichische Wirtschaft also selbst im optimistischen Szenario schrumpfen, wenn das russische Gas ausbleibt, so Kluge.

Mittleres Szenario

Beim mittleren Szenario lautet die Annahme, dass sich nur noch die Hälfte der russischen Gaslieferungen ersetzen lässt. Zudem können die privaten Haushalte ihren jährlichen Gasverbrauch nur um etwas mehr als zehn Prozent reduzieren. „Die Industrie muss also größere Lasten tragen, was zu einem größeren Wirtschaftseinbruch führt.“ Österreich rutsche in eine Rezession. Das BIP werde um vier Prozentpunkte kleiner als erwartet, 72.000 Arbeitsplätze seien bedroht. 

Pessimistisch

Im schlechtesten Szenario können die ausgefallenen Gaslieferungen so gut wie gar nicht (nur zu fünf Prozent) ersetzt werden. Außerdem nehmen die privaten Haushalte keinerlei Einsparungen vor. „In diesem Szenario wird die Industrie mit voller Wucht getroffen“, betont Kluge. Der Schaden werde 5,1 Prozentpunkte des BIP betragen, fast 91.000 Menschen würden arbeitslos. Dieses Szenario müsse unbedingt vermieden werden, so der Ökonom. Sollte es so kommen, hätten auch andere Länder massive Versorgungsprobleme, was wiederum Auswirkungen auf Österreich hätte. Die Abwärtsrisiken seien also unkalkulierbar.

Welches Szenario am wahrscheinlichsten ist, lasse sich derzeit kaum sagen, so Kluge. Die Ränder – also das optimistische und das pessimistische Szenario – scheinen ihm aber am unwahrscheinlichsten. Bislang sehe es weder danach aus, dass zwei Drittel des russischen Gases kurzfristig ersetzt werden können, noch dass bis 2023 praktisch nichts ersetzt werden kann. Wie schlimm es am Ende kommt, hängt somit davon ab, wie viel russisches Gas tatsächlich ersetzt oder eingespart werden kann. VN-reh

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