Nullzins-Ende: EZB hebt Leitzins auf 0,5 Prozent
Erste Zinserhöhung seit elf Jahren. Weitere sollen folgen.
Frankfurt Getrieben von der Rekordinflation schafft die Europäische Zentralbank (EZB) die Negativzinsen ab und kündigt eine Serie von Zinserhöhungen an. Die erste Anhebung seit fast genau elf Jahren fällt mit 0,5 Prozentpunkten deutlicher aus als noch im Juni von der Notenbank in Aussicht gestellt.
Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag, den Negativzins für geparkte Gelder von Geschäftsbanken von zuletzt minus 0,5 Prozent in einem Schritt auf Null zu setzen. Damit beenden die Währungshüter die Phase der Negativzinspolitik. Nun können Bankkunden wieder auf Sparzinsen hoffen und damit rechnen, dass Geldhäuser sie nicht mehr mit Minuszinsen bestrafen, wenn sie hohe Summen auf dem Konto haben. Der Leitzins, zu dem sich Kreditinstitute bei der EZB Geld leihen können, steigt zugleich von null Prozent auf 0,50 Prozent. Die neuen Zinssätze gelten ab 27. Juli 2022.
Kritiker werfen der EZB vor, die Zinswende viel zu spät einzuleiten. Die Teuerung im Euroraum zieht seit Monaten auf Rekordniveau an. Zugleich haben sich die Wirtschaftsaussichten wegen des Kriegs in der Ukraine verschlechtert. Hebt die EZB die Zinsen in diesem Umfeld zu rasch an, könnte das vor allem für hochverschuldete Staaten in Südeuropa zur Belastung werden.
Um sicherzustellen, dass die nun eingeleitete Zinswende hochverschuldete Euro-Staaten wie Italien nicht über Gebühr belastet, hat die Notenbank ein neues Anti-Krisen-Instrument ausgetüftelt: das „Transmission Protection Instrument“ (TPI). In diesem Rahmen will die EZB notfalls mit Anleihenkäufen einschreiten, sollten die Zinsen für Wertpapiere eines Euro-Staates durch Finanzspekulation unverhältnismäßig stark in die Höhe schnellen.
Spät, aber doch
Ökonomin Heike Lehner (Agenda Austria) begrüßt den Schritt, wie sie gegenüber den VN betont. „Die EZB hat zwar zu spät die Zinswende begonnen, aber nun endlich das Territorium der Negativzinsen verlassen. Es deutet aber einiges darauf hin, dass das ein Kompromiss im EZB-Rat war: Ankäufe im Rahmen des TPI mit schwächeren Bedingungen, dafür eine Zinserhöhung.“
„Die EZB hat zwar zu spät die Zinswende begonnen, nun aber endlich die Negativzinsen verlassen.“
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