Boykott in Rumänien: Erboste Anrufe bei Pfanner

In Rumänien ist Österreich inzwischen recht unbeliebt. Dies trifft nun auch Vorarlberger Marken.
Bukarest, wien In Rumänien ist die Aufregung um Österreichs Veto gegen den Schengenbeitritt des Ost-Balkanstaats besonders groß. Dies reicht von diplomatischem Protest bis zum Boykott österreichischer und Vorarlberger Marken in den Supermärkten.
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Dies zeigt ein Foto, das Visegrad24 auf Twitter teilte. Da Österreich Rumänien nicht in Schengen wolle, wolle man Pfanner und Red Bull auch nicht mehr in diesem Geschäft, erklärt das Schild auf dem leeren Kühlschrank.
Pfanner: Erboste Anrufe
Pfanner Fruchtsäfte aus Lauterach ist in Rumänien mit einem eigenen Ableger vertreten und beschäftigt dort an die 80 Mitarbeiter. “Faktum ist, dass zur Zeit übers Internet massiv gegen österreichischer Firmen gewettert wird”, bestätigt Peter Pfanner. Die Firmenzentrale in Rumänien erhalte vereinzelt Anrufe von Greißlern, die sich erbost zeigten und ankündigen, die Produkte aus dem Sortiment zu nehmen. Wie sich die Situation entwickelt, sei noch nicht absehbar, gleichzeitig beruhigt aber Pfanner: Rumänien mache nur etwa fünf Prozent des Umsatzes aus.
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“Grundsätzlich habe ich Verständnis, dass die Bundesregierung bezüglich der illegalen Migration Maßnahmen setzen muss”, betont der Lauteracher Unternehmer. “Ob jetzt im Prinzip diese Entscheidung etwas nützt, kann ich nicht beurteilen. Nur was ich beurteilen kann, ist, dass die Kommunikation zu dieser Frage eine Katastrophe ist.” In Rumänien sei nur angekommen, dass Österreich gegen Rumänen sei und diese als Europäer zweiter Klasse betrachte. Entsprechend entzürnt seien die Rumänen, hier habe man laut Pfanner keinen guten Job gemacht. Österreich habe sich bisher immer als Fürsprecher Osteuropas verkauft, nun fahre die Regierung Rumänien jedoch gegen den Karren. Das nehme man persönlich.
So eng sind Rumänien und Österreich verzahnt
Laut dem Österreichischen Außenwirtschaftscenter der Wirtschaftskammer ist Österreich der zweitgrößte ausländische Investor auf dem rumänischen Markt. Demnach überstieg im Jahr 2021 das bilaterale Handelsvolumen mit 5,1 Milliarden Euro zum ersten Mal die Fünf-Milliarden-Marke. Rumänien ist damit Österreichs 14.-wichtigster Exportmarkt und 19.-wichtigster Importpartner. Umgekehrt ist Österreich für Rumänien der zwölftwichtigste Export- und der elftwichtigste Importpartner. Laut Zahlen der rumänischen Nationalbank beläuft sich die Summe aller Investitionen durch österreichische Firmen auf 10,15 Milliarden Euro, das sind 11,2 Prozent aller ausländischen Direktinvestitionen in Rumänien.
Gamon nimmt Wallner in Pflicht
Vonseiten der bekennenden Europapartei Neos spart man nicht mit Kritik. “Von dem peinlichen Eindruck, den Österreich erneut auf der europäischen Bühne macht abgesehen, hat dieses Veto auch Auswirkungen auf die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Rumänien, Bulgarien und Österreich. Österreich gehört zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Rumäniens. Erste Geschäfte in Rumänien kündigen bereits an, österreichische Produkte boykottieren zu wollen. Das ist fatal für unseren Wirtschaftsstandort – vor allem auch für ein exportorientiertes Industriebundesland wie Vorarlberg”, klart die vorarlbergstämmige EU-Abgeordnete Claudia Gamon.
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Sie nimmt auch die Vorarlberger ÖVP in die Pflicht: “„”Wenn es die Vorarlberger ÖVP ernst meint mit ihrem Anspruch Wirtschafts- und Europapartei sein zu wollen, sollte sie ausnahmsweise einmal klare Kante zeigen und dieses Vorgehen verurteilen. Wie auf dem Bild zu sehen, geht es auch um den Boykott von Vorarlberger Produkten. Diese Kleingeistigkeit, die nur dem Zweck dient, eine Migrationsdebatte anzufeuern und von den eigenen Skandalen abzulenken, schadet dem Vorarlberger Wirtschaftsstandort.”
Botschafter abberufen
Rumänien greift nach dem Veto Österreichs gegen den Schengen-Beitritt des Landes, ausgesprochen durch Innenminister Gerhard Karner, ebenfalls zu drastischen diplomatischen Mitteln, um die Eiszeit zwischen Bukarest und Wien zu signalisieren: Das rumänische Außenamt rief am Donnerstag seinen Botschafter in Österreich, Emil Hurezeanu, für Konsultationen in das Heimatland zurück.
Was Bundeskanzler Karl Nehammer und dessen Partei sich geleistet haben, stellt neben einer Demütigung Rumäniens einen wahren Putsch gegen die Europäische Union dar. Das SS-Sturmbannführer-Gehabe Nehammers, der jüngst mit glasigem Blick eine Lüge nach der anderen und eine Reihe erstaunlicher Absurditäten auftischte, dürfte nicht bloß dem Fußtritt für Rumänien Nachdruck verliehen haben, sondern gleichsam auch eine Botschaft an alle `Reichsbürger ́ gewesen sein, an die gesamte rechtsextreme, europafeindliche, antidemokratische und Putin-freundliche Szene – und eventuell auch eine Hommage an Jörg Haider. Man hat sich unwillkürlich daran erinnert gefühlt, dass Hitler österreichischer Abstammung war. Die Konsequenzen werden gravierend sein – Bulgarien hat immerhin im Vorfeld der Abstimmung bereits angekündigt, im Fall eines Vetos sämtliche Beschlüsse auf EU-Ebene boykottieren zu wollen, die das Migranten-Problem betreffen.
Republica, Bukarest
Der Beschluss stelle eine “politische Geste” dar, um Rumäniens Position gegenüber der Haltung Österreichs zu verdeutlichen, die man dezidiert missbillige, hieß es in einer Aussendung des Außenministeriums in Bukarest. Das Außenministerium schwieg sich darüber aus, für wie lange Zeit Rumäniens Botschafter in Österreich seinem Posten fernbleiben wird.
Kritik des Bundespräsidenten
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat das Veto Österreichs gegen die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in den Schengen-Raum “außerordentlich” bedauert. Österreich befinde sich wegen des Zustroms von Flüchtlingen und Migranten zwar in einer äußerst schwierigen Situation. “Aber die Verbindung, die Verknüpfung dieses Problems mit dem Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens, muss ich leider gestehen, die sehe ich nicht”, so Van der Bellen am Freitag.
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“Ich sehe nicht, wie diese Blockade des Schengen-Beitritts Rumäniens irgendetwas ändert an der Situation in Österreich”, betonte der Bundespräsident bei einer Pressekonferenz bei einem Besuchs in Slowenien. “Ich sehe nur, dass wir uns eine Menge Unwillen zugezogen haben auf europäischer Ebene”, fügte er hinzu.
Wirtschaft werde Preis zahlen
Van der Bellen rechnet damit, dass die österreichische Wirtschaft wegen dieser Entscheidung einen Preis zu zahlen haben werde. Die Entwicklung dürfte einerseits das inländische Tourismus treffen, wenn weniger Touristen aus Rumänien ankommen. Anderseits hob der Präsident hervor, dass Österreich mit erheblichen Direktinvestitionen in Rumänien aktiv ist. “Wir werden sehen, wie die rumänischen Konsumenten auf diese Entwicklung reagieren”, sagte er. “Ein wirtschaftlicher Preis ist in meinen Augen unvermeidlich”, betonte Van der Bellen.
Österreichs Veto gegen Rumäniens Beitritt zum grenzkontrollfreien Schengenraum stellt de facto das schwerwiegende Scheitern der Europäischen Union unter Beweis, deren Glaubwürdigkeit damit offen in Frage gestellt wurde. Diesen Fakt hat Deutschland bestens verstanden und sich mit aller Kraft für Rumänien eingesetzt. EU, EU-Kommission und Deutschland sind jedoch von einem politischen Hooligan in Geiselhaft genommen worden, der in Brüssel voll und ganz auf seine eigenen wahlkampfpolitischen Interessen gesetzt hat.
Spotmedia, Bukarest
Auch der Grüne Koalitionspartner steht nicht hinter der Entscheidung von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). “Der Vizekanzler hat es auch bereits klargestellt, dass wir da Veto Österreichs nicht unterstützt haben”, sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Freitag in Brüssel. “Uns gehts vor allem um eine europäische Lösung, der erste Schritt zu dieser europäischen Lösung ist natürlich der Beitritt Kroatiens, und Bulgarien und Rumänien gehören zu europäischen Familie dazu und innerhalb der europäischen Familie ist die Freizügigkeit groß geschrieben”, so Zadic. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass “wir da sehr bald sehr rasche europäische Lösung finden werden”.
Dass Karner und Nehammer Kroatien durchwinkten, ist den guten Beziehungen zwischen den beiden Regierungen geschuldet. Außerdem wollte man wohl nicht die Verantwortung dafür übernehmen, wenn Kroatien-Urlauber weiterhin an der Grenze im Stau stehen. Österreichs schwarz-grüne Regierung handelte offensichtlich aus innenpolitischen Gründen, sie wollte der rechtspopulistischen FPÖ den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Süddeutsche, München
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