Deshalb wartet Horst Böhler seit 607 Tagen auf die Eisenbahn

Land verhindert seit 607 Tagen Genehmigung für Güterzugterminal Lorüns. Antragsteller: “Behördenschikane”.
Lorüns, Bregenz Im Jahr 1915 erhielt das Zementwerk Lorüns mit dem Bau der Montafonerbahn einen Bahnanschluss. Schon damals ein Gebot der Stunde bewährte sich der Anschluss bis zum 26. Juli 2010.
Damals wurde aufgrund defekter Weichen der Betrieb eingestellt, die damaligen Eigentümer, die Firma Holcim führte, weil das Gelände samt dem Bahnanschluss verkauft werden sollte. Der Käufer, die Firma Böhler und Sohn mit Sitz in Feldkirch, bauten Gebäude und Gelände für Lagerzwecke um, der Bahnanschluss wurde 2020 in Angriff genommen. Denn Firmenchef Christian Böhler und Seniorchef Horst Böhler glaubten den Worten der Politiker.

Erst im Herbst forderten die beiden zuständigen Landesräte Marco Tittler und Daniel Zadra (Grüne) bei der Präsentation des Vorarlberger Güterverkehrskonzepts, mehr Güter auf die Schiene und kündigten umfangreiche Maßnahmen an. Aktuell gebe es noch Kapazitäten im Vorarlberger Schienennetz, sagte Zadra, “auch mit der heutigen Infrastruktur ist Potenzial da“. Er verwies darauf, dass ein Güterzug bis zu 50 Lkw ersetzen könne, bemängelte aber auch fehlende Kostenwahrheit beim Transport per Lkw bzw. über die Schiene. Das erschwere den Umstieg. “Wenn wir nicht heute investieren, wird der Zug an Vorarlberg vorbeifahren”, so Zadra.

Doch so ganz scheint das Bekenntnis der Politik nicht gelebt werden. Oder es wurde nicht an die Mitarbeiter weitergegeben. Denn Güter auf die Schiene – das dauert, auch wenn es nur um die Wiederbelebung eines seit 108 Jahren bestehenden Anschlusses geht. Vor exakt 607 Tagen hat Christian Böhler nach umfangreichen und entsprechend teurer Sanierung das Ersuchen um Aufhebung der Sperre an die Behörde in Bregenz gesendet. Mit der Erwartung, die Genehmigung zumindest noch im Jahr 2021 zu erhalten. Doch damit liegt der Antragsteller falsch, wie die aktuelle Aktenlage zeigt. Noch immer ist weder ein positiver noch negativer Entscheid zugestellt. Das führt auch den Kampf des Landes für den Bürokratieabbau ad absurdum. Landeshauptmann Markus Wallner freute sich zuletzt 2017 über die schnelle Verwaltung: „Der positive Trend der Vorjahre setzt sich auch heuer fort. Rund 95 Prozent aller Betriebsanlagenverfahren konnten von den Mitarbeitern des Landes innerhalb von sechs Monaten ab Antragstellung erfolgreich erledigt werden“, war Wallner damals stolz auf die Leistung seine Mitarbeiter.

Doch die Rechnung hat er ohne den zuständigen Mitarbeiter gemacht, der sich zwar regelmäßig bei den Antragstellern meldet und baldige Erledigung verspricht, oder aber neue Hindernisse für diese findet. Dass diese inzwischen alle abgearbeitet sind, alle Verfahrensbeteiligten – also Nachbarn, Gemeinde, Umwelt- bzw. Naturschutzorganisationen – bei Lokalaugenscheinen ihre Zustimmung gegeben haben, ficht den Beamten (Name der Redaktion bekannt, Unterlagen und Schriftverkehr liegen vor), nicht an. Eher ist er beleidigt, wenn Böhler und Sohn anderswo urgieren, etwa beim obersten Beamten Österreichs für das Eisenbahnwesen, Mag. Dr. Reinhard Kuntner. Der attestierte, dass keine neuerliche Baugenehmigung und Betriebsbewilligung für Gleisanlagen und Bahnanschluss notwendig sind. Das stößt den Beamten im Landhaus sauer auf: „Der Gefertigte regte bei dieser Gelegenheit nochmals an, bei allfälligen Unklarheiten zum Verfahrensverlauf nicht zuerst Dritte zu kontaktieren….“

Doch so penibel der Landesbeamte auch bei der Bearbeitung des Ansuchens war, er ließ die Antragsteller auch ins Leere laufen. Etwa mit der Aufforderung den Verschubroboter, der bereits angeschafft ist, erst einmal typisieren zu lassen. Im Zuge der aufwendigen Arbeiten stellte sich heraus, dass das Gerät bereits typisiert ist und in Österreich die Schienenzulassung hat. Und von manchen Sitzungen gibt es kein Protokoll. Der Akt bei der Landesregierung quillt inzwischen über, Horst Böhler, der sich als Seniorchef mehr Zeit für das Vorhaben nehmen konnte, hat sich inzwischen zurückgezogen, da er, wie er im Gespräch mit den VN sagte, womöglich laut werden könne und gibt nochmals ein Beispiel, wie in der Bregenzer Tintenburg das Vorhaben mehr Güter auf die Schiene zu bringen, unterminiert werde. „Der Clou ist dann noch die Behauptung (Schreiben vom 5. Oktober 2022), man würde in den Luftraum des danebenliegenden Grundstücks ragen.“ Auch das sei nach Vermessung widerlegt worden. Inzwischen hat auch der Lorünser Gemeinderat den Wünschen des Landesbediensteten erfüllt und eine Straße umgewidmet. Bislang ohne Reaktion aus Bregenz. Böhler hat am 28. November 2022 Säumnisklage eingereicht, „damit bei weiteren Verzögerungen frt Termin gewahrt bleibt.“ Sein Fazit nach über fast zwei Jahren: „Über 700.000 Euro investiert, 125.000 Euro Wertminderung durch Verzögerung, vier Monate Arbeit und keine Entlastung für die Umwelt.“ Fazit der verhinderten Klimaschützer: “Wir können nur jedem empfehlen, die Finger von der Verlagerung von Gütern auf die Schiene mit eigenem Gleisanschluss zu lassen.”

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