Mitarbeiter müssen ihr Land verteidigen

Markt / 23.02.2023 • 19:17 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Bar im Westen der Ukraine ist Standort der Firma Pfanner. Der Krieg ist dort auch abseits der Front allgegenwärtig. Ledenyov/Wiki
Bar im Westen der Ukraine ist Standort der Firma Pfanner. Der Krieg ist dort auch abseits der Front allgegenwärtig. Ledenyov/Wiki

Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Österreichischs Wirtschaft und der Fruchtsafthersteller Pfanner ziehen bittere Bilanz.

Lauterach, Bar (Ukr) „Wir stehen zur Ukraine“ bekräftigt der Chef des Lauteracher Fruchtsaftherstellers Pfanner, Peter Pfanner, das Bekenntnis des Familienunternehmens zum Firmenstandort Bar in der Westukraine, etwa 250 Kilometer von Kiew und rund 600 Kilometer von der Front entfernt. Er rede nicht gerne über das Thema und wolle sich auch nicht in den Vordergrund stellen, so der Lauteracher Unternehmer, dessen Firma in der Ukraine Fruchtsaftkonzentrat herstellt und auch eine große Landwirtschaft betreibt, z. B. Äpfel in großem Stil anbaut. Im Sommer sind bis zu 1000 Menschen beschäftigt, derzeit sind es rund 300 Mitarbeiter im Betrieb.

Mit blauem Auge davongekommen

Man habe im vergangenen Jahr weiter produziert, wenn auch in einem ganz schwierigen Umfeld. Dennoch: „Es hat besser funktioniert, als wir erwartet haben. Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.“ Wie sich die Situation für das Unternehmen weiterentwickelt, sei aber nicht abzusehen. Im vergangenen Jahr wurden die jüngeren wehrverpflichtet, jetzt habe man das Alter für die Wehrverpflichtung auf 60 angehoben.“ Obwohl der Pfanner-Standort weit entfernt ist von der Front, der Krieg ist allgegenwärtig. Mitarbeiter sind an der Front gefallen, andere wurden verletzt. Und auch wenn die Infrastruktur, auch das Bankwesen, der Rechtsstaat und das Leben insgesamt „erstaunlich gut funktioniere“ schwebe über den Menschen im Land der Krieg wie ein Damoklesschwert. Die Angst ist ständiger Begleiter, bei den Ukrainern sei aber auch eine Ermüdung wegen der ständigen Bedrohung festzustellen.

Kontakt via Teams und Telefon

Den Kontakt habe man via Teams, Zoom und Telefon aufrecht erhalten. Mitarbeiter aus Österreich konnten nicht nach Bar fahren, „denn die Ukraine ist Kriegsgebiet und die Mitarbeiter sind deshalb dort nicht versichert“. Dass im Krieg alles anders läuft, verdeutlicht er an zwei Beispielen aus dem Verkehr: „Den richtigen Weg zu finden ist schwierig, weil die meisten Straßenschilder umgedreht werden, um dem russischen Gegner die Orientierung zu erschweren. Die Autobahnen sind in der Nacht oft für den Verkehr gesperrt, weil sie dann für Material- und Waffentransporte genutzt werden.

Kriegsbilanz

Bilanz zog anläßlich des traurigen Jahrestages auch die österreichische Außenhandelsstelle in Kiew Bilanz. Rund 200 österreichische Niederlassungen in der Ukraine sind unmittelbar vom Krieg, der seit einem Jahr andauert, betroffen. Trotz der Unsicherheiten sowie der Angriffe im Osten des Landes bleiben sie im Land.

Mehr als jede zweite Niederlassung arbeite mit reduzierter Kapazität, geht aus einer Umfrage der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) hervor. Etwa 42 Prozent der Unternehmen sind vollständig operativ tätig, teilt  die österreichische Außenhandelsstelle in Kiew der APA mit. Die österreichischen Unternehmen seien in vielen Branchen tätig, darunter in den Bereichen Agrar, Gewürze, Agrartechnik und Engineering.

Wesentlicher Markt

Die Ukraine ist für österreichische Unternehmen ein durchaus wesentlicher Markt: Sie haben bisher rund 1,62 Mrd. Euro in dem Land investiert. Aber auch als Handelspartner ist das Land nicht zu unterschätzen. In den ersten elf Monaten 2022 brachen die Exporte Österreichs in die Ukraine zwar um 18,7 Prozent ein, wobei pharmazeutische und medizinische Produkte als wichtigste Produktgruppe angeführt werden. Dafür stiegen trotz des Krieges die Importe – vor allem von Erzen und Metallabfall – aus der Ukraine um 13,9 Prozent.

„Viele österreichische Unternehmen halten wie Pfanner weiterhin an der Ukraine fest. Sie übernehmen Verantwortung für ihre Mitarbeiter und leisten wichtige Unterstützung für das Land in einer dramatischen Situation. Trotz anhaltender Ausnahmesituation erwarten die Betriebe für das erste Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr eine ähnliche wirtschaftliche Entwicklung“, so die stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin Mariane Kühnel. VN-sca, apa

„Wir stehen auch weiter zur Ukraine, doch wir fahren weiterhin auf Sicht.“

Mitarbeiter müssen ihr Land verteidigen

Weitere Berichte zu einem Jahr Krieg in der Ukraine finden Sie auf den Seiten A2, 3.

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