135 Jahre alt und wächst noch immer

Genossenschaftsbank nach mit deutlich gesteigertem Betriebsergebnis.
Rankweil Am Mittwochabend präsentierte die zweite Genossenschaftsbank in Vorarlberg, die Volksbank Vorarlberg, bei ihrer Generalversammlung die Bilanz für das Jahr 2022 – ein im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesteigertes Betriebsergebnis in Höhe von 12,39 Millionen Euro. „Hinter jedem Erfolg steckt mehr als auf den ersten Blick erkennbar ist. Unser sehr gutes Jahresergebnis ist eine beachtliche Gemeinschaftsleistung aller Mitarbeitenden, Funktionäre sowie Mitglieder der Volksbank Vorarlberg. Vor allem verdanken wir diesen Erfolg unseren Kundinnen und Kunden“, sagt Vorstandsvorsitzender Gerhard Hamel. Und das sind die Kennzahlen der Genossenschaftsbank: Das Kreditwachstum, vor allem aufgrund einer verstärkten Kreditvergabe an Kommerzkunden, führte zu einem Anstieg der Forderungen an Kunden im Vergleich zum Vorjahr um 4,8 Prozent auf 1,71 Mrd. Euro. Dadurch erhöhte sich auch die Bilanzsumme der Volksbank Vorarlberg um 2,8 Prozent und beträgt zum Stichtag 31.12.2022 rund 1,97 Mrd. Euro. Die Zinswende verlieh dem Zinsergebnis zusätzlichen Rückenwind, es liegt mit 25,9 Mill. Euro um 17,2 Prozent über dem Vorjahreswert. Trotz des herausfordernden Marktumfelds hat sich 2022 das Provisionsergebnis positiv entwickelt und kam bei 19,22 Mill. Euro zu liegen.

Auch der Staat kann sich freuen. Dem Volksbankenverbund ist es Ende 2022 gelungen, die finale Tranche des „Staatsgeldes“ in Höhe von 85 Mill. Euro, das er 2015 in Folge der Finanzkrise von der Republik zur Absicherung in Anspruch nehmen musste, vorzeitig zurückzuzahlen. Seit diesem Zeitpunkt befinden sich alle Volksbanken in Österreich wieder im ausschließlichen Besitz ihrer genossenschaftlichen Eigentümer bzw. ihrer Mitglieder. Zum 31.12.2022 stand die Volksbank Vorarlberg im Eigentum von 18.344 Mitgliedern.
135 Jahre Volksbank Vorarlberg
Als vor 135 Jahren die „Spar- und Vorschußkassa der Collektivgenossenschaft Rankweil“ gegründet wurde, war Österreich noch Teil der Monarchie. Heute sind unser Land und die Welt digital vernetzt. Man fragt sich zu Recht: Wo wird die Reise hingehen? Aus Sicht von Dir. Gerhard Hamel brauche es den Fortschritt und gleichzeitig die Rückbesinnung auf seine Herkunft. Die Kunst für die Volksbank Vorarlberg werde es sein, die Digitalisierung überall dort zu forcieren, wo sie hilft Effizienz zu steigern, aber gleichzeitig den menschlichen Kontakt immer dann zu halten, wenn die Bankkund:innen dies wünschen. Vor allem bei wichtigen finanziellen Lebensentscheidungen sei das oft der Fall.

Wird upgedatet: Die Zentrale der Volksbank Vorarlberg in Rankweil. FA
Die enorme Bedeutung der Genossenschaft wird dadurch unterstrichen, als dass sie 2019 von der UNESCO auf ihre internationale „Repräsentative Liste“ aufgenommen wurde und somit zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit gehört. Das Geschäftsmodell erlebt in den letzten Jahren eine Renaissance und wird als Zukunftskraft gesehen. Aktuelle Umfragen zeigen, dass gerade jüngere Menschen wieder zunehmend genossenschaftsaffin sind. Zum Stichtag 31.12.2022 stand die Volksbank Vorarlberg im Eigentum von 18.344 Mitgliedern, die 117.721 Anteile hielten. Tendenz steigend.
Volksbank Vorarlberg Bilanz 2022
Bilanzsumme 1,97 Mrd. Euro
Betriebsergebnis 12,39 Mill. Euro
Forderungen Kunden 1,71 Mrd. Euro
Verbindlichkeiten gegenüber Kunden 1,09 Mrd. Euro
Eigenmittelquote 19,11 %
Mitarbeitende 242
Vorstand Gerhard Hamel, Helmut Winkler
Wissen: Volksbank-Gründer Hermann Schulze-Delitzsch
„Auf der Freiheit, verbunden mit der Verantwortlichkeit für deren Gebrauch, beruht die gesunde Existenz des Einzelnen wie der Gesellschaft.“ Diesen Satz hat Hermann Schulze-Delitzsch dem ÖGV gewidmet, der 1872 in Wien gegründet wurde. Die wichtigsten Stationen im Leben des Genossenschaftspioniers. Hermann Schulze wurde am 29. August 1808 in Delitzsch (Sachsen) geboren. Sein Vater war Bürgermeister und Richter. Auch der Sohn schlug die juristische Laufbahn ein. Bald nach den Examina wurde er in Delitzsch Patrimonialrichter. Mit diesem Amt war nicht nur die „untere Gerichtsbarkeit“ verbunden. Er vertrat zugleich die Polizei, und neben Stadtgemeinde und Kirche unterstanden ihm auch Schule und öffentliche Ordnung. 1846 gilt in den Biografien als ein Schlüsseljahr, in der der nunmehr 38-Jährige sein erstes soziales Wirken und Organisationstalent zeigte. Er organisierte Hilfsaktionen, die in dem auf Missernten folgenden Hungerjahr in Delitzsch und Umgebung Ausschreitungen verhinderten – woanders war indes das Militär zur Beilegung von Hungerkrawallen gerufen worden. Bald darauf ging Hermann Schulze, der seinem Namen später den Herkunftsort Delitzsch hinzufügte, in die große Politik – im ersten Anlauf als Mitglied der Preußischen Nationalversammlung in Berlin. Nach deren Auflösung folgten zehn Jahre Zwangspause von der Staatspolitik, die fruchtbringend genutzt wurden: Schulze-Delitzsch war nunmehr in der mittelständischen Wirtschaft „daheim“. Hier reiften seine Genossenschaftsideen heran. Als die Industrialisierung und der vom Deutschen Zollverein geschaffene Binnenmarkt den Handwerkern zusetzten, musste rasch gehandelt werden. Auf Schulzes Initiative hin entstanden zügig Assoziationen in Form von Krankenkassen, Rohstoffzusammenschlüsse der Tischler und Schuhmacher, Vorschuss- und Kreditvereine – die Vorläufer der späteren Volksbanken. Ab 1859 gehörte Hermann Schulze-Delitzsch dem Preußischen Abgeordnetenhaus an. Dort machte er sich jahrelang für Gesetze zugunsten der Genossenschaft stark. 1867 gelang der Durchbruch: Ein Gesetz über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften passierte das Parlament. Es trug die Handschrift des Pioniers Schulze-Delitzsch. Und es diente als Vorlage für das österreichische Genossenschaftsgesetz von 1873. Nach etlichen Modifizierungen und Novellierungen sind die Grundsätze des praxiserprobten Regelwerks für Kooperationen bis heute maßgebend.
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