Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Selbstgemachte Stagflation

Markt / 26.05.2023 • 22:38 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Österreich ist mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung im europäischen Schlusslichtbereich, verbunden mit besonders hoher Inflation, gelandet. Angesichts der zahlreichen verfehlten Maßnahmen und des Fehlens einer konsistenten und konzertierten Wirtschaftspolitik war dies leider zu erwarten. Aufgrund der multiplen Krisen und einer verabsäumten bzw. verfehlten Energiepolitik sind beträchtliche Angebotslücken mit klimasündiger Greenflation entstanden. Und anstatt diese so rasch wie möglich durch Effizienzsteigerung und diversifizierte Angebote bzw. mittels Investitionen und Technologieentwicklung zu schließen, hat man wahl- und ziellos durch Unsummen mit Ausgabendoping die Nachfrage erhöht. Schon jetzt sind die Hilfeleistungen in Österreich bei insgesamt 50 Mrd. Euro, das ist pro Kopf viermal so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Dieses nach dem Motto „Koste es, was es wolle“ verteilte Helikoptergeld hat einen Kaufrausch und eine Urlaubsexplosion ausgelöst, wodurch die Preise hinaufgeschnellt sind. Dies hat Zweitrundeneffekte ausgelöst, wodurch sich die Inflation verhärtet und weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Wir haben eine hausgemachte Finanzinflation, die zudem durch die sprudelnden Steuereinnahmen in eine Steuerinflation übergeht und Ursache der eingetretenen Stagflation ist.

All dies hätte vermieden werden können (i) durch energiepolitische Maßnahmen, die die eigene Versorgung ausbauen, (ii) durch eine mit den Wirtschaftspartnern konzertierte Aktion, um Zurückhaltung bei Preisen und Löhnen zu erreichen, sowie (iii) durch Reduktion der Lohnnebenkosten, damit den Arbeitnehmern netto mehr bleibt und gleichzeitig die übermäßigen Arbeitskosten verringert werden. Dafür wären etwa 10 Mrd. Euro erforderlich gewesen – also ein Bruchteil dessen, was bislang zur Nachfragesteigerung verschleudert, nicht aber in Strukturreformen investiert wurde. Anstatt also Unsummen mit der Gießkanne zu verteilen, wäre es richtig gewesen, einerseits die Einkommensschwächsten deutlich mehr zu unterstützen, und andererseits durch Investitionen in bzw. Förderung von Innovationen und Technologieentwicklungen durch höhere Abschreibungen, mehr Forschung und Eindämmung des widersprüchlichen Regulierungswahns den Strukturwandel zu fördern. Mit einem Bruchteil des ziel- und wahllos vergeudeten Geldes hätte man zudem die Lohnnebenkosten senken können. Dazu braucht es aber eine realistische Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik, die die eigenen Möglichkeiten ausschöpft, anstatt sie zu blockieren und damit der wirtschaftlichen Entwicklung zu schaden. Denn auch darauf ist ein beträchtlicher Teil der hausgemachten Inflation durch besonders hohe Energie-
kosten zurückzuführen.

Um all dies zu vermeiden, hätte es eines Schulterschlusses aller Wirtschaftskräfte, darunter vor allem der Sozialpartner, also einer konzertierten Aktion bedurft. Als Resultat wäre wohl ein deutlich besseres wirtschaftliches Gesamtergebnis anstelle düsterer Inflations- und magerer Wachstumsaussichten herausgekommen.

Ein solcher Weg ist immer noch möglich. Er muss aber beschritten werden.

„Schon jetzt sind die Hilfeleistungen in Österreich pro Kopf viermal so hoch wie im europäischen Durchschnitt.“

Hannes Androsch

markt@vn.at

Dr. Hannes Androsch ist Finanz­minister i. R. und Unternehmer.

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