“Kurzsichtig und unüberlegt”

Markt / 10.08.2023 • 22:08 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Zerstörte Infrastruktur in Kärnten. APA
Zerstörte Infrastruktur in Kärnten. APA

Versicherer fordern solidarische Absicherung gegen Schäden aus Naturkatastrophen.

Lustenau Unternehmer Roland Saur nervt seit vielen Jahren vor allem Politiker mit seiner Forderung nach einer Elementarschaden-Versicherung, die auf dem Solidaritätsprinzip beruht. Der langjährige Präsident des Vorarlberger Wirtschaftsverbandes und Tourismus-Branchenvertreter, der in Gargellen ein Hotel besitzt, ließ in der Sache nicht locker, doch hören wollten das wenige. Unterstützung bekam er – wenn auch nicht sehr nachdrücklich – von der Versicherungsbranche. Erst der Klimawandel sorgt für mehr Druck – auch auf die Politik.

Vorbild Schweiz

In der Schweiz hat man die Elementarschaden-Versicherung Ende der 1950er-Jahre aus einem Grund eingeführt, der auch in Österreich gilt: Die Topografie ließ auch ohne Klimawandel erwarten, dass es zu Wetter- und Naturkatastrophen kommt, die man nur gemeinsam meistern kann. Die Überlegung war richtig: Die Schweiz wurde immer wieder von Naturkatastrophen heimgesucht, deren Auswirkungen weder die Betroffenen noch ihre Versicherungen tatsächlich stemmen konnten und können. In Österreich blieb es bislang bei anlassbezogener kurzer Diskussion, wenn gerade wieder Flüsse über die Ufer traten oder Muren Täler, Ortschaften und Gebäude vernichteten.

Jetzt setzt ein Umdenken ein. Die Wirtschaftskammer Österreich will schon in den nächsten Wochen einen Vorstoß in Richtung solidarische Versicherung unternehmen, wie Wirtschaftskammer-Österreich-Präsident Harald Mahrer im Gespräch mit den VN versicherte. Auch im Land regen sich die Versicherungen bzw. die Versicherungsmakler, nachdem sich der Österreichische Versicherungsverband schon zu Wort gemeldet hat.

Mit Blick in den Süden Österreichs, wo Unwetter und Überflutungen ein Bild der Verwüstung sowohl im privaten wie auch im wirtschaftlichen Bereich hinterlassen haben, als auch nach Hörbranz, wo ein Erdrutsch nach und nach die Häuser zerstört, fordern der stellvertretende Spartenobmann Bank und Versicherung, VLV-Vorstand Robert Sturn, und Dieter Bitschnau, Obmann der Sparte Information und Consulting, ein solidarisches Versicherungsmodell, konkret eine Pflichtversicherung gegen Naturkatastrophen. Sturn: „Naturkatastrophen kommen immer häufiger vor – auch in Vorarlberg muss aufgrund der Topografie vermehrt mit Hochwasser und Muren gerechnet werden, solche Gefahren ausschließlich über den Katastrophenschutz abzusichern, wie es die Bundesregierung derzeit vorsieht, ist kurzsichtig und unüberlegt.“

Pflichtversicherung gefordert

Und er argumentiert weiter: „Auf Leistungen aus diesem Fonds, der übrigens aus Steuergeldern der Einkommensteuer und der Unternehmenssteuer KÖSt finanziert wird, haben Betroffene keinen Rechtsanspruch, und das entspricht nicht mehr dem heutigen Bedarf.“ Dieter Bitschnau bestätigt diese These und ergänzt: „Man ist im schlechtesten Fall quasi vom guten Willen der Mittelauszahlung abhängig – in einer Situation, in der es um die finanzielle Existenz geht.“

Der Wille der Politiker sei auch ein Grund dafür, dass die solidarische Versicherung gegen Naturkatastrophen bisher nicht zustande kam, mutmaßt ein Vorstand einer der größten österreichischen Versicherungen, der nicht namentlich genannt werden will: „Die Politiker treten gerne als Heilsbringer nach Katastrophen auf. Das wäre dann nicht mehr möglich.“ VN-sca

VLV-Vorstand Sturn: Rasch handeln. VN/PS
VLV-Vorstand Sturn: Rasch handeln. VN/PS
Die Einschläge rücken näher: Seit Wochen zerstören Erdbewegungen in Hörbranz Gebäude. Apa/Shourot
Die Einschläge rücken näher: Seit Wochen zerstören Erdbewegungen in Hörbranz Gebäude. Apa/Shourot