Sorgenkind Bau: Firmenpleiten steigen in Vorarlberg zweistellig an

Deutlich mehr Firmeninsolvenzen und mehr Privatkonkurse in den ersten drei Quartalen 2023.
Darum geht’s:
- In den ersten drei Quartalen 2023 gab es in Vorarlberg 80 Unternehmensinsolvenzen.
- Zwar ist die Zahl gestiegen, liegt aber immer noch 19 Prozent unter dem Wert von 2019.
- Die Baubranche gerät unter Druck, während der Handel bereits länger in der Krise ist.
Feldkirch Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung sind in den ersten drei Quartalen 2023 in Vorarlberg 80 Unternehmen (+ 11,1 % gegenüber 2022) von einer Insolvenz betroffen. Für den Kreditschutzverband allerdings kein Grund zur Beunruhigung. Denn Vorarlbergs Wirtschaft scheine trotz anhaltender wirtschaftlicher Herausforderungen insgesamt recht krisenresistent zu sein. Zwar sei die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in den ersten drei Quartalen gestiegen, dennoch liege das aktuelle Ergebnis um rund 19 Prozent unter jenem aus dem Vorkrisenjahr 2019.
Keine Insolvenzwelle
„Anhand der aktuellen Zahlen von einer Insolvenzwelle zu sprechen, wäre falsch. Bei dem Anstieg handelt es sich um die vom KSV1870 seit längerem prognostizierte Nivellierung, die uns wohl auch in nächster Zeit begleiten wird“, erklärt Regina Nesensohn, KSV1870 Leiterin Standort Feldkirch. Und weiter: „Die mitunter subjektive Wahrnehmung vermehrter Insolvenzen liegt vor allem darin begründet, dass es über den Sommer hinweg einige prominente Handelsunternehmen erwischt hat, die aus durchaus nachvollziehbaren Gründen von großem medialem Interesse begleitet wurden.“

Die vorläufigen Passiva (vorläufige Werte, die sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 14.09.2023, beziehen) sind wiederum um 21,4 Prozent auf 44 Millionen Euro gesunken. Vorarlbergs größte Firmenpleite betrifft die Insolvenz der myRobotcenter GmbH, wo rund 13,9 Mill. Euro an Verbindlichkeiten zu Buche stehen.
Gewitterwolken am Bau
Wie die aktuelle KSV1870 Hochrechnung belegt, sind der Handel (20 Fälle, +11,1 % gegenüber 2022), die Gastronomie/Beherbergung (16 Fälle, +220 %) und der Bereich Bau (11 Fälle, 00,0 %) weiterhin die Insolvenztreiber des Landes. Allerdings gerät die Bauwirtschaft immer mehr unter Druck: denn während sich der Handel bereits seit längerer Zeit in der Krise befindet, verdichten sich nun die Gewitterwolken über der Baubranche zunehmend. Vor allem Projektentwickler im Wohnbau und dabei beauftragte Bauunternehmen würden unter den verschärften Kreditbedingungen, steigenden Zinsen und erhöhten Baukosten leiden, da die Nachfrage von Endverbrauchern aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten gesunken und Bauvorhaben damit nicht mehr rentabel seien.
kika/Leiner auf Platz 1
Im Bundesländervergleich ist der Insolvenzfall „Leiner & kika Möbelhandels GmbH“ (132 Mill. Passiva) die größte Firmenpleite, gefolgt von der KSR Group GmbH (80 Mill. Euro) und der Zentrasport Österreich e.Gen. (68,9 Mill. Euro).
Ausblick: Vorarlberg nähert sich dem Vorkrisenniveau 2019
„Auch aufgrund des großen Einflusses der Baubranche auf das gesamte heimische Insolvenzwesen gehen wir aus heutiger Sicht fest davon aus, dass sich die Firmenpleiten dem Vorkrisenniveau 2019 (132 Fälle) nähert“, so Regina Nesensohn. Bis Ende 2023 werden wir in Vorarlberg an die 100 Firmenpleiten verzeichnen. Somit gilt: „Trotz der Entwicklungen im Handel und im Baugewerbe sehen wir als KSV1870 aus heutiger Sicht weiterhin keine Insolvenzwelle auf Österreich zukommen“, schätzt Nesensohn die Lage abschließend ein.
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Vorarlberg zählt stärksten Zuwachs an Privatinsolvenzen
Nicht nur die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren ist in den ersten neun Monaten des Jahres gestiegen, sondern auch das Schuldenausmaß. Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung wurden in den ersten neun Monaten 2023 in Vorarlberg 351 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren (39 Fälle pro Monat) gezählt. Das entspricht einem Plus von 41,0 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres und übertrifft das Vorkrisenniveau 2019.
Die finanzielle Situation vieler Menschen in Vorarlberg gestalte sich immer schwieriger und die hohen Kosten bei Lebensmitteln, Miete und Strom für zahlreiche private Haushalte seien ein reelles Problem. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der vergangenen Monate sei ein deutlicherer Anstieg der Privatkonkurse erwartet worden. „Die finanzielle Situation der Privaten spitzt sich weiter zu, und auch wenn die Menschen mit ihrem Geld in Krisenzeiten bewusster umgehen, wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis die Zahl der Privatkonkurse deutlich in die Höhe schnellt“, erklärt Regina Nesensohn. Zum Vergleich: Im Jahr 2019, und damit vor Beginn der Krisenjahre, wurden in den ersten neun Monaten knapp 337 Privatkonkurse, und damit um rund fünf Prozent weniger Fälle, eröffnet.
Kein einheitliches Bild in den Bundesländern
Während die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren auf Bundesebene gestiegen ist, verzeichnen die einzelnen Bundesländer teils sehr unterschiedliche Entwicklungen. Den größten Anstieg bei den Privatkonkursen gibt es demnach laut aktueller KSV1870 Hochrechnung in Vorarlberg (+ 41 %).
Vorläufige Passiva* ebenfalls angestiegen
In Vorarlberg sind die vorläufigen Passiva von 19 Mill. Euro auf 29 Mill. Euro (+52,6 %) angestiegen. Daraus entsteht eine Verschuldung pro Vorarlberger Schuldner von etwa 83.000 Euro, die einer Regulierung zugeführt werden müssen.
Ausblick: Weitere Zunahme erwartet, Ausmaß von Krisensituation abhängig
Aus heutiger Sicht rechnet der KSV1870 damit, dass sich an der finanziell prekären Situation vieler Menschen in Vorarlberg in naher Zukunft wenig ändern wird. Demzufolge ist mit einer weiteren Zunahme der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren in den kommenden Monaten zu rechnen. „Mit Blickrichtung Jahresende erwarten wir aus heutiger Sicht rund 400 eröffnete Privatkonkurse“, so Nesensohn.