Herbstlohnrunde: Warum es heuer um mehr geht

Markt / 24.09.2023 • 19:44 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Zuletzt haben die Metaller vor zwei Jahren nach gescheiterten Verhandlungen gestreikt. Heuer werden die Verhandlungen zwischen PRO-GE und GPA auf der einen, und den Vertretern der Metalltechnischen Industrie auf der anderen Seite wieder hart werden. <span class="copyright">APA</span>
Zuletzt haben die Metaller vor zwei Jahren nach gescheiterten Verhandlungen gestreikt. Heuer werden die Verhandlungen zwischen PRO-GE und GPA auf der einen, und den Vertretern der Metalltechnischen Industrie auf der anderen Seite wieder hart werden. APA

Startschuss für die Herbstlohnrunde: Es geht um Löhne und den Standort Österreich.

Darum geht’s:

  • Gewerkschaften fordern zweistellige Lohnerhöhung in der Herbstlohnrunde.
  • Unternehmen argumentieren mit Verlusten und Produktionsrückgängen.
  • Lohnerhöhungen könnten die Konkurrenzfähigkeit gefährden, während Gewinne gestiegen sind.

Schwarzach, Wien Um 11 Uhr lassen heute, Montag, die Gewerkschaften PRO-GE und GPA die Katze aus dem Sack für eine besondere Herbstlohnrunde. Sie übergeben ihr Forderungspaket, das bis zuletzt geheim ist, an die Vertreter der österreichischen Metalltechnischen Industrie, die rund 130.000 Mitarbeitende in Brot und Arbeit haben. Doch soviel ist schon jetzt gewiss: Die Arbeitnehmervertreter haben sich auf eine zweistellige Forderung festgelegt.

Inflation abgelten

Die für die Verhandlungen herangezogene Inflation ist mit 9,6 Prozent so hoch wie seit vielen Jahren nicht. „Die rollierende Inflation sowie der Produktivitätszuwachs der Unternehmen muss auf jeden Fall abgegolten werden”, betont der Vorsitzende der Gewerkschaft PRO-GE, Wolfgang Fritz, gegenüber den VN, und GPA-Geschäftsführer Marcel Gilly stärkt ihm dabei den Rücken. Naturgemäß sehen das die Unternehmer anderes. „Wir können nur verteilen, was wir erwirtschaften”, sagte der Obmann der Metalltechnischen Industrie in der Wirtschaftskammer, Christian Knill, der an die Gewerkschafter die Botschaft sendet, man müsse „faktenorientiert” verhandeln, da die Metallindustrie derzeit mit Verlusten und Produktionsrückgängen zu kämpfen habe.

Reinhold Binder (l.) ist gelernter Werkzeugmacher und seit heuer Verhandlungsfüh-<br>rer der PRO-GE-Gewerkschaft. Wolfgang Fritz ist Obmann der PRO-GE Vorarlberg. <span class="copyright">VN/Rhomberg</span>
Reinhold Binder (l.) ist gelernter Werkzeugmacher und seit heuer Verhandlungsfüh-
rer der PRO-GE-Gewerkschaft. Wolfgang Fritz ist Obmann der PRO-GE Vorarlberg. VN/Rhomberg

Dass die Verhandlungen heuer besonders hart ausfallen, wird von beiden Seiten schon jetzt vorhergesagt. Warnstreiks und Betriebsversammlungen sind in diesem „heißen Herbst” eigentlich schon eingeplant, mit einem schnellen Kompromiss rechnet niemand. Denn, so eine Analyse des Ökonomen Jan Kluge von der Denkfabrik Agenda Austria mit Verweis auf die vielen Baustellen in der Wirtschaft, gehe es heuer auch um die weitere Entwicklung des Standorts Österreich, der in Gefahr sei im internationalen Vergleich abzurutschen.

Gefährdete Wettbewerbsfähigkeit

Tipps gibt er den Kollektivvertragsparteien indes keine. Es sei legitim, dass die Gewerkschaften für ihre Mitarbeiter so viel wie möglich erreichen wollen. Andererseits habe die Wirtschaft mit beträchtlichem Gegenwind zu kämpfen, und viele Unternehmen fürchten sich in der Tat vor einem weiteren Kostenschub, der neben den gestiegenen Energiekosten, der gesunkenen Nachfrage und dem dräuenden Schwert einer Arbeitszeitverkürzung die Konkurrenzfähigkeit gefährdet.

Der Obmann der Metalltechnischen Industrie Christian Knill (im Bild bei Verkündung des KV 2022) weist auf die schwierige wirtschaftliche Lage für die Betriebe hin.  <span class="copyright">APA/FOHRINGER</span>
Der Obmann der Metalltechnischen Industrie Christian Knill (im Bild bei Verkündung des KV 2022) weist auf die schwierige wirtschaftliche Lage für die Betriebe hin. APA/FOHRINGER

Fritz will dem nicht wirklich folgen: „Man darf nicht vergessen, dass viele der Vorarlberger Betriebe in den letzten zwei Jahren enorme Gewinne eingefahren haben. Fast alle Metaller-Unternehmen sind zweistellig, einige weit über 20 Prozent in einem Jahr, gewachsen.” Eine Studie der Nationalbank (OeNB), die vergangene Woche veröffentlicht wurde, stärkt seine Position. Deutlich gestiegene Unternehmensgewinne haben die Inflation mit nach oben getrieben, so das Ergebnis der OeNB-Untersuchung.

Ökonom Jan Kluge von der Denkfabrik Agenda Austria fordert von der Bundesregierung eine Reihe begleitender Maßnahmen, um den Standort Österreich zu stärken. <span class="copyright">Schierholz/FA</span>
Ökonom Jan Kluge von der Denkfabrik Agenda Austria fordert von der Bundesregierung eine Reihe begleitender Maßnahmen, um den Standort Österreich zu stärken. Schierholz/FA

Andererseits sind auch die Reallöhne gestiegen, rechnet Agenda-Austria-Ökonom Kluge vor: Der Budgetdienst teilte erst vor wenigen Wochen mit, dass die realen Arbeitseinkommen in Österreich zwischen 2019 und 2022 leicht gestiegen sind und durch umfangreiche staatliche Transfers deutlich stärker aufgestockt wurden als in vielen anderen Ländern. Das WIFO zeige, dass die realen verfügbaren Haushaltseinkommen 2022 und in der Prognose auch für 2023 wenigstens stabil waren. Dass die Gewerkschaften diese staatlichen Hilfen nicht in ihre Lohnforderungen einbeziehen, sei nachvollziehbar. Allerdings rät der Ökonom der Bundesregierung, zur Eindämmung der Inflation auf flächendeckende Hilfspakete zu verzichten und deutlich zielgenauer zu unterstützen.

Der Schrunser Karl Dürtscher ist seit vielen Jahren Verhandlungsführer der GPA, im Land koordiniert GPA-Geschäftsführer Marcel Gilly die begleitenden Maßnahmen. <span class="copyright">VN/Paulitsch</span>
Der Schrunser Karl Dürtscher ist seit vielen Jahren Verhandlungsführer der GPA, im Land koordiniert GPA-Geschäftsführer Marcel Gilly die begleitenden Maßnahmen. VN/Paulitsch

Begleitende Maßnahmen

Begleitende staatliche Maßnahmen sind auch in anderen Bereichen notwendig, um den Standort auf Kurs zu halten. Denn im Verhandlungspaket der Gewerkschafter ist auch die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung. Eine generelle Arbeitszeitverkürzung sei durch ein Produktivitätsplus eigentlich nicht zu kompensieren, so der Ökonom, der zum einen auf die verschiedenen Voraussetzungen in den verschiedenen Branchen verweist und andererseits darauf, dass man einfach keine so hohen Produktivitätszuwächse mehr realisieren könne wie in den 1970er- und 80er-Jahren. Außerdem sei man in vielen Branchen schon bei Arbeitszeiten, die dem Ziel 32-Stunden-Woche sehr nahe sind. Wichtig sei es, sagt er mit Blick auf die Politik, dass „die durchschnittliche Arbeitszeit dadurch erhöht wird, dass sie steuerliche Anreize für Vollzeit schafft und flächendeckend gute Kinderbetreuungseinrichtungen bereitstellt”, eine gezielte Zuwanderung gestatte, arbeitswillige Pensionisten bei den Abgaben entlaste und auch für die die Wirtschaft fiskalische Spielräume für Investitionen schaffe.