Kippen nun die strengen Regeln? Bankkunde bekommt keinen Kredit für Wohnung und klagt

Vorarlberger zieht wegen KIM-Verordnung vor Verfassungsgerichtshof.
Bregenz, Wien Wer heute einen Immobilienkredit will, der muss strenge Auflagen erfüllen. Das regelt die so genannte KIM-Verordnung (Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung). So müssen Eigenmittel im Umfang von mindestens 20 Prozent des Kaufpreises vorhanden sein. Zudem darf die monatliche Tilgungsrate 40 Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen. Die Argumentation: Damit soll verhindert werden, dass sich Kreditnehmer durch Zinserhöhungen überschulden.

Ruf nach Lockerungen
Seit Monaten wird über die KIM-Verordnung heftig diskutiert. Der Ruf nach Lockerungen wird vor allem von Banken und der Baubranche immer lauter. Dem erteilt die Finanzmarktaufsicht (FMA), die hier das letzte Wort hat, allerdings eine Absage und verweist auf die notwendige Stabilität des Finanzsektors.
Nun hat ein Bankkunde beim Verfassungsgerichtshof einen Individualantrag auf Aufhebung der KIM-Verordnung gestellt. Seiner Meinung nach sei diese gesetzeswidrig, die FMA könne sie nur aufrechterhalten, wenn die systemischen Risiken für die Finanzstabilität noch existieren.
Kredit für Eigentumswohnung
Konkret ging es laut VfGH um eine Finanzierung für eine Eigentumswohnung (216.580 Euro). Nach Abzug der Eigenmittel in Höhe von 30.000 Euro hätte die monatliche Rate auf 30 Jahre 911,45 Euro betragen. Mit 46,88 Prozent wäre dadurch die Grenze von 40 Prozent des Haushaltseinkommens überschritten worden. Da auch das Ausnahmekontingent der Bank bereits überschritten war, bekam er aufgrund der Vorgaben der KIM-Verordnung keinen Kredit.
Am 12. Juni 2023 wies der VfGH seinen Antrag zunächst zurück. Die Begründung laut VfGH: Der Antragsteller habe nicht konkret dargelegt, inwieweit er von den Bestimmungen der KIM-V unmittelbar und aktuell betroffen ist. Das wurde nun laut eines Berichts der „Presse“ offenbar nachgeholt und der Antrag angenommen. Dabei handle es sich offenbar um einen Kunden der Hypo Vorarlberg.
„Kennen Klage nicht”
Die Hypo Vorarlberg verweist in dem Zusammenhang gegenüber den VN auf das Bankgeheimnis. Vorstandschef Michel Haller betont, ihm liege die Klage nicht vor. „Fakt ist aber, dass wir mit der KIM-V nicht glücklich sind.“

Kippt Verordnung?
Kann diese Klage nun möglicherweise die KIM-Verordnung kippen? Entscheidend wird sein, ob der Verfassungsgerichtshof zu der Meinung kommt, dass die gesetzliche Grundlage – sprich die systemischen Risiken für die Finanzstabilität – noch existieren.

Diskussion um KIM-V
Fest steht: In der letzten Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums, das Empfehlungen an die FMA gibt, am 2. Oktober wurden die systemischen Risiken aus den Wohnimmobilienfinanzierungen seit der Einführung der KIM-V diskutiert. Es wurde im Protokoll zwar festgehalten, dass sich die geringere Neukreditvergabe dämpfend auf das erhöhte systemische Risiko auswirkt, dieser Effekt allerdings durch andere Entwicklungen, wie den Rückgang der Immobilienpreise, den Anstieg der Zinsen und die schlechtere Entwicklung der Einkommen mehr als kompensiert wird.

Wortwörtlich heißt es im FMSG-Protokoll: „In der überwiegenden Mehrheit der europäischen Länder und auch in Österreich ist die Neukreditvergabe für Wohnimmobilien als Folge der Zinserhöhungen seit Mitte des Jahres 2022 deutlich zurückgegangen. Die damit verbundene rückläufige Nachfrage nach Wohnimmobilien wirkt sich in allen betroffenen Ländern auf die Immobilienpreisentwicklung und auf die Baukonjunktur aus. In Österreich ist ein erster Rückgang der Überbewertung der Immobilienpreise feststellbar. Die neu vergebenen Wohnimmobilienkredite in Österreich zeichnen sich nach wie vor durch einen hohen und wieder gestiegenen Anteil an variabel verzinsten Krediten aus, obwohl fixe Zinsen für Wohnimmobilienkredite derzeit günstiger sind als variable Zinsen. Die Zahlen zu den Kreditvergabestandards im ersten Halbjahr 2023 bestätigen, dass sich diese seit der Einführung der kreditnehmer:innenbezogenen Maßnahmen verbessert haben. Obwohl einzelne Institute ihre Ausnahmekontingente mehr als ausgeschöpft haben, hat mehr als die Hälfte der Kreditinstitute weniger als 50% der zur Verfügung stehenden Ausnahmekontingente der Kreditinstitute-Immobilienmaßnahmenverordnung (KIM-V) ausgenutzt. Vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen hat das Gremium auch die Entwicklung der systemischen Risiken aus den Wohnimmobilienfinanzierungen seit der Einführung der KIM-V diskutiert. Zwar wirkt die geringere Neukreditvergabe dämpfend auf das erhöhte systemische Risiko, dieser Effekt wird allerdings durch andere Entwicklungen, wie den Rückgang der Immobilienpreise, den Anstieg der Zinsen und die schlechtere Entwicklung der Einkommen mehr als kompensiert.”

Toxischer Cocktail
„Die KIM-V ist parallel zu den beginnenden Zinserhöhungen der EZB eingeführt worden. Diese Kombination hat sich zu einem toxischen Cocktail entwickelt, weil sie den Zugang zu Finanzierungen für die Wohnraumbeschaffung praktisch verunmöglicht hat. Darunter leiden zum einen vor allem junge Familien und zum anderen aber auch die Wohnbauwirtschaft”, attestiert Wilfried Hopfner, Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg, und als langjähriger Raiffeisen-Vorstandsvorsitzender ein profunder Kenner der Bankenbranche. Beides sei zwischenzeitlich auch in Zahlen messbar. „Faktum aus meiner Sicht ist, dass alleine die von der EZB gemachten Zinsschritte die von der FMA befürchteten systemischen Risiken deutlich reduziert haben. Ich halte daher das Bemühen des Gerichtsweges für ein taugliches Mittel dafür, dass die FMA zumindest weitere – allenfalls bisher von ihr nicht gewürdigte – Argumente bewerten wird müssen”, so Hopfner.
Rechtssicherheit wichtig
Dieser Prozess werde dann dazu führen können, dass Wohnbauwerber und Wohnbauwirtschaft akzeptieren müssen, dass die FMA-Richtlinie für den Erhalt der Finanzmarktstabilität notwendig sei oder aber, die FMA wird diese zurückziehen müssen. „Beides schafft jedenfalls Rechtssicherheit. Aus Sicht der Wirtschaft und der Wohnraumschaffenden ist auf Zweiteres zu hoffen. Bliebe noch die Frage zu klären, warum ausländische Banken Wohnraumfinanzierungen in Österreich anbieten dürfen. Denn dadurch ergibt sich nur ein Wettbewerbsnachteil für die heimischen Banken, aber keinesfalls eine Reduktion der vermeintlichen systemischen Risiken. Auch darauf wäre eine Antwort der FMA interessant.“