Kollektivvertrag der Metaller: „Lieber würde ich nicht streiken”

Am Montag um 5.55 Uhr begann beim Beschlägehersteller Grass der im Land erste Streik nach den abgebrochenen KV-Verhandlungen.
Höchst, Wien Schon am Montag bereiteten die Betriebsräte des Höchster Metalltechnikbetriebs alles für einen „höchst wahrscheinlichen” Streik vor, so Wolfgang Fritz, Betriebsratsobmann bei Grass und gleichzeitig Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft PRO-GE. Am Montag schien es, auch wenn man nicht sonderlich fest daran glaubte, dass doch noch eine Einigung mit den Arbeitgebern zustande kommen könnte.

Kam nicht, wie seit Montag spätabends bekannt ist. Die Arbeiter der ersten Schicht am Dienstag, die von 6 Uhr bis 14 Uhr dauert, waren jedenfalls vorbereitet auf den für viele von ihnen ersten Streik in ihrem Arbeitsleben. Es bleibe ihnen gar nichts anderes übrig, sagt einer der Arbeiter, der nicht genannt werden will: „Wir haben einfach zu wenig zum Leben für unsere Familien.” Er verstehe zwar auch die Lage der Betriebe, doch zuerst gehe es jetzt um die eigene Existenz. Er ist nicht alleine mit seiner Meinung: „Wir wollen einfach mehr, weil alles im Geschäft so teuer ist”, so die Grass-Mitarbeiterin Timea Nagy. „Lebensmittel- und Spritkosten sind hochgegangen”, sagt Arslan Alit, „da ist es nicht ungerecht, dass wir mindestens zehn Prozent wollen.”
Fronten verfestigt
Um die Zukunft geht es für Metallindustriebetriebe: Erwiesenermaßen gibt es auch in Vorarlberg einige Vorzeigeindustriebetriebe, die mit Auftragsrückgängen von bis zu 40 Prozent zu kämpfen haben. Wie für die Mitarbeiter, die sich durch die Betriebsräte gut vertreten sehen, sind auch Unternehmer und Manager froh, dass die von ihnen nominierten Verhandlungspartner bei Konfliktfällen für sie ins Scheinwerferlicht treten.
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Der Sprecher des KV-Verhandlungsteams, Christian Knill, betonte am Dienstag: „Wir fürchten uns nicht vor einem Streik”, allerdings werde ein Ergebnis nur am Verhandlungstisch zu lösen sein. Ein mit den Verhandlungen gut vertrauter Vorarlberger Manager spricht davon, dass die Drohung der Gewerkschaft, falls notwendig bis Weihnachten zu streiken, in der Unternehmerschaft keinen Schock ausgelöst habe. „Die Firmen können nicht zustimmen, es geht um ihre Existenz.” Die Drohung gehe ins Leere, auch „die Firmen haben als Zeithorizont Weihnachten eingeplant.”

Für die Gewerkschafter ist das derzeitige Szenario jedenfalls nicht optimal: Mehr Druck aufzubauen wäre im Vorjahr noch einfacher gewesen, als der Mitarbeitermangel auf dem Höhepunkt und die Geschäftszahlen ebenfalls noch hoch waren. Eine Einschätzung, die auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) teilt: „Gerade durch die Rezession und eine gewisse Nachfrageschwäche ist es tendenziell so, dass es für die Arbeitgeber ein günstiger Moment für Streiks ist”, sagt Ökonom Benjamin Bittschi.
Der Arbeitskonflikt geht mit den derzeitigen Streiks in die wirklich heiße Phase: Bis auf Betriebsversammlungen und Warnstreiks sind „echte Streiks” in Österreich selten. Doch „die Mitarbeiter sind entschlossen, für ihre Rechte weiter zu kämpfen”, sagt Fritz, der in seiner Karriere als Gewerkschaftsvorsitzender noch nie so eine große Zustimmung erfahren habe. Grass sei erst der Anfang – „Arbeitsniederlegungen werden auch in weiteren Leitbetrieben stattfinden.” Er nennt beispielhalft die Namen Liebherr, Collini und blum, die bis zum 17. November bestreikt werden könnten: Das letzte Wort haben aber die Betriebsräte und die Mitarbeiter in den Firmen, die bei Betriebsversammlungen ihre Maßnahmen diskutieren und beschließen. „Wir machen mit den Arbeitsniederlegungen aber auf jeden Fall weiter, bis ein neuer Gesprächstermin steht”, droht er den Arbeitgebern.
Umfrage: Wieso streiken Sie?

„Wohn-, Lebensmittel- und Spritkosten sind hochgegangen, da ist es nicht ungerecht, dass wir mindestens zehn Prozent wollen. Wir sind nicht da, weil wir geldgeil sind. Wir wollen nur unser Recht.“ Arslan Alit, Mitarbeiter Grass Höchst

„Was die Arbeitgeber zu zahlen bereit sind, ist zu wenig, wir wollen einfach mehr, weil alles im Geschäft so teuer ist. Auch die Preise für Brot, Gemüse und Obst sind kräftig angestiegen.“ Timea Nagy, Mitarbeiterin Grass Höchst
Umfrage: Mirjam Mayer
Das sagen die Verhandler der Arbeitgeber
WIEN Die sechste Verhandlungsrunde für die Metalltechnische Industrie wurde heute nach fast zwölfstündigen Gesprächen neuerlich und einseitig von den Gewerkschaften abgebrochen, nun stehen Streiks auf ihrem Programm. Die Metalltechnische Industrie betrachtet diese Vorgangsweise als verantwortungslos und unverhältnismäßig. Das letzte Angebot des FMTI betrug durchschnittlich 8,2 % mehr Lohn und Gehalt, bestehend aus nachhaltigen, sozial gestaffelten Lohn- und Gehaltserhöhungen von durchschnittlich 6 % sowie einer steuerbefreiten Einmalzahlung von netto 1200 Euro. Bei der untersten Beschäftigungsgruppe würde das Lohnplus sogar bis zu 12 % betragen.

Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie: „Die Blockadepolitik der Gewerkschaft ist unverständlich und inakzeptabel, sie beharren weiterhin auf ihrer Forderung und bewegen sich keinen Millimeter. Wir haben in den letzten Wochen acht verschiedene Angebote vorgelegt, die die sehr schwierige wirtschaftliche Situation berücksichtigen. Auch unser heutiges Angebot, das in Summe über 8 % mehr Lohn für die Beschäftigten gebracht hätte, wurde schlussendlich vom Tisch gewischt. Für dieses Verhalten hat niemand mehr Verständnis. Dem nun folgenden Streik werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegentreten. Jede Form von unzulässiger Behinderung oder Blockade wird zur Anzeige gebracht. Klar ist auch, dass die Streikenden für die Zeit der Arbeitsniederlegung keinen Lohn erhalten, dafür sind jetzt die Gewerkschaften zuständig. In jedem Fall bedeutet dies für die Streikenden Lohneinbußen. Am Ende des Tages bringt dieses kompromisslose Verhalten das Risiko, dass Arbeitsplätze in unserer Branche verloren gehen. Es ist sehr schade für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass die Gewerkschaften auf deren Rücken Politik machen, anstatt gemeinsam für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Branche und damit Wohlstand und Sicherheit einzutreten. Jetzt streiken, das versteht niemand mehr.“
Das sagen die Verhandler der Arbeitnehmer
FELDKIRCH Nach sieben Wochen und der 6. Verhandlungsrunde wurden die Verhandlungen der Gewerkschaften PRO-GE und GPA mit dem Fachverband Metalltechnische Industrie (FMTI) für den Kollektivvertrag Metallindustrie gestern um 22:00 Uhr unterbrochen. Bis 17. November werden daher befristete Streiks in den Betrieben stattfinden. In Vorarlberg begannen die Streiks heute bei der Firma Grass in Höchst. „Wir haben eine ganze Schicht abgestellt. Rund 150 Kolleg(inn)en haben heute aus Protest gegenüber dem schändlichen Angebot der Arbeitgeber(innen) ihre Arbeit niedergelegt“, berichtet PRO-GE- Landesvorsitzender und Grass-Betriebsratsvorsitzender, Wolfgang Fritz.

„Wir verhandeln jetzt bereits sieben Wochen. Nach wie vor ist die Arbeitgeberseite nicht bereit, zumindest ein Angebot für eine ordentliche Lohn- und Gehaltserhöhung vorzulegen. Das Angebot zeugt von Respektlosigkeit und Verantwortungslosigkeit gegenüber den Beschäftigten“, zeigt sich PRO-GE- Landesvorsitzender Wolfgang Fritz empört. Der Unmut und die Geschlossenheit unter den Beschäftigten sei enorm. „Die Streikbereitschaft ist riesengroß, so kämpfen wir gemeinsam für einen fairen KV-Abschluss“, betont der oberste Metaller(innen)-Gewerkschafter. „Ein Teuerungsausgleich ist das Mindeste!”
Fritz bedauert, dass eine Einigung nicht am Verhandlungstisch stattgefunden hat. „Die Arbeitgeber(innen) versuchen mit Zahlenspielereien darüber hinwegzutäuschen, dass sie den Arbeitnehmer(inne)n nicht einmal den Dreck unter den Fingernägeln gönnen. Mit dem nach wie vor viel zu niedrigen Angebot hat man Streiks geradezu provoziert. Die rollierende Inflation liegt bei 9,6 %, das Angebot der Arbeitgeber(innen)seite weit darunter. Die Metallindustrie kann auf erfolgreiche Jahre zurückblicken, in denen enorme Gewinne erwirtschaftet wurden – und zwar durch die hervorragende Arbeit der Beschäftigten. Wir kämpfen jetzt für einen fairen Anteil an diesen Gewinnen für die Beschäftigten und die dringend benötigte Kaufkraftstärkung“, so Fritz.
Die Streikziele sind unter anderem eine Lohn- und Gehaltserhöhung von 11,6 Prozent, die Bezahlung der Streikstunden durch die bestreikten Unternehmen und die Vereinbarung eines weiteren Verhandlungstermins. Der neue Kollektivvertrag für die Metallindustrie sollte bereits seit 1. November gelten.