Welcher Bregenzerwälder in Berlin mit wichtigstem Branchenpreis geehrt wurde

Selbst die Filialen (Bild: Rankweil) werden mit regionalen Partnern gebaut. FA, VN(Steurer
Der Weltmeister für regionale Lebensmittel genießt im Nachbarland Deutschland Hochachtung als „großartiger Visionär und Macher”.
Berlin Der „Goldene Zuckerhut” ist die wichtigste Auszeichnung, die im deutschsprachigen Raum im Lebensmittelhandel bzw. in der Ernährungswirtschaft für beispielhafte Leistungen vergeben wird. Jährlich im November ist die Verleihung der Höhepunkt einer zweitägigen Branchenveranstaltung mit rund 1000 Teilnehmern, die in der Berliner Philharmonie sowie im InterContinental Berlin stattgefunden hat. Heuer wurde der Preis zum 65. Mal verliehen. Und geehrt wurde von einer hochkarätigen Jury der Bregenzerwälder Kaufmann Jürgen Sutterlüty. Dass die Auszeichnung nur sehr selten an Personen, die nicht in Deutschland ihren Tätigkeitsmittelpunkt haben, verliehen wird, zeigt die hohe Wertschätzung, die Sutterlüty auch im Nachbarland genießt.

„Wie kein Zweiter”
„Der starke regionale Bezug gehört zum Selbstverständnis von Jürgen Sutterlüty. Er gilt unter Kollegen als mutig, als „Unikat”, als „großartiger Visonär und Macher”, heißt es in der Begründung der Jurorinnen und Juroren. Und weiter: Sutterlüty „steht wie kein Zweiter für regionale Sortimente kleiner Erzeuger und Lieferanten aus dem Umland.” Entsprechend stolz ist der Bregenzerwälder Unternehmer auf die Ehre, die ihm von der Lebensmittelbranche zuteil wird: „Diese Auszeichnung ist das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit mit unseren regionalen Partnern und dem Engagement des b’sundrigsten Teams. Ihnen gehört mein Dank”, sagt er im Gespräch mit den VN.

Von Sutterlüty inspiriert
Die Laudatio auf Jürgen Sutterlüty hielt Lutz Richrath, der zusammen mit seinem Bruder Peter 16 Rewe Richrath-Märkte mit ca. 1080 Mitarbeitern betreibt. Richrath vertritt als Vorstandsmitglied bei der REWE West e.G. die Anteilseigner im Aufsichtsrat. Er und sein Bruder erhielten den „Goldenen Zuckerhut” im Jahr 2013. Richrath hat in seiner Rede auch verraten, wofür und wo er sich dafür die Inspiration geholt hat: „Wenn ich bedenke, dass wir, mein Bruder und ich, diesen Branchenpreis vor genau zehn Jahren bekommen haben für ein konsequent regionales Konzept, dessen Idee und Inhalt ich zum großen Teil von Dir, Jürgen, übernommen habe, könnte man sagen, es kommt etwas spät…”
Laudatio von Lutz Richrath: „Idee und Inhalt habe ich zum großen Teil von Dir, Jürgen, übernommen.”
1938, nach einem kalten Wintertag, wurde im Bregenzerwald, einer Talschaft im österreichischen Vorarlberg, ein 11-jähriger Junge durch einen Huftritt eines Arbeitspferdes so schwer verletzt, dass er mehrere Jahre in einer Gipsschale liegend verbringen musste und nicht mehr für die elterliche Landwirtschaft zu brauchen war. Mehr als 10 Jahre später konnte der mittlerweile erwachsene junge Mann hinter dem Tresen das Warensortiment im kleinen Hofladen, den die Mutter betrieb, betreuen und anbieten.
Mit 26 Jahren entschied 1952 dieser junge Mann einen Laden samt Wohnhaus, vis-à-vis der elterlichen Landwirtschaft und des elterlichen Sägewerks zu bauen und in den folgenden 40 Jahren sollten 6 weitere Geschäfte hinzukommen.
Ulrich Sutterlüty erlebte eine fast unvorstellbar schwere Jugendzeit – mehrere Jahre in der Kinderklinik und fast 10 Jahre in einem Bett liegend, ehe er in sich den Händler entdeckte und aus dem ehemaligen Hofladen eine regionale Lebensmittelkette in Vorarlberg aufbaute. Ja, er war ein erfolgreicher Pionier, er wurde ein angesehener Unternehmer. Und ja, er war auch ein harter – manchmal unnachgiebiger – Geschäftsmann.
Sein älterer Sohn, Jürgen Sutterlüty, geboren 1964, groß, schlank, sportlich – äußerlich eigentlich das Gegenteil von seinem Vater – hat von diesem einen immensen Durchhaltewillen geerbt und die Kraft einer Vision für sein unternehmerisches Tun.
Aber die Vision des Sohnes sollte sich von der des Vaters deutlich unterscheiden, ja, weit darüber hinaus gehen, „nur“ ein erfolgreicher Lebensmittelhändler zu werden, denn er hatte von Beginn an ein Faible für die Natur und besonders für Tiere, was er im Übrigen besonders seinen zwei Töchtern weitervererbte, die beide im Profi-Pferdesport tätig sind.
Wie in einem Familienunternehmen damals üblich, arbeitete Jürgen schon ab 10 Jahren in den Märkten mit, wo immer es ihn brauchte. Er besuchte die Handelsakademie, leistete seinen Wehrdienst und ging studieren. Nach Meinung seines Vaters führte er als Student ein „Herren-Buben-Leben“, wie dieser es despektierlich ausdrückte. Aber trotz der Reisen, die er in diesen Jahren in die ganze Welt unternahm, war er ein fleißiger, ein schneller Student und schrieb eine preiswürdige Diplomarbeit zu den Zukunftsperspektiven im Marketing des Lebensmitteleinzelhandels.
Schon dort schrieb er von Wertvorstellungen junger Menschen, die sich von denen ihrer Eltern unterscheiden, von einer Vision, auf die sich ein Unternehmen stützen müsse und von einer Umbruchphase, in der sich der Lebensmittelhandel befinde. Mit dieser Überzeugung von geänderten Werten, einer neuen Vision und dem Bewusstsein, sich in einer Umbruchphase zu befinden, stieg Jürgen Sutterlüty 1989, nach seinem Studium, in das väterliche Unternehmen ein.
Jetzt war es Zeit, die Vision Realität werden zu lassen, die eigenen Werte zu leben und auf die Herausforderungen der Zeit im Handel zu reagieren.
Aber Herr im Hause war sein Vater, der von seiner bislang sehr erfolgreichen Unternehmenspolitik nicht abweichen wollte. Für die Vision und die Strategie seines Sohnes hatte er kein Gehör. So mussten sich wohl Vater und Sohn alsbald trennen, um ein Jahr später wieder zueinander zu finden und das Familienunternehmen in eine neue Zeit zu führen. In eine Zeit, in der kleine Lebensmittelhändler der Reihe nach dem harten Wettbewerb der Großen weichen mussten.
Sutterlüty sollte nicht weichen, denn das hieße, auch die jahrelangen Partner in der Region – kleine landwirtschaftliche Betriebe, junge, innovative Hofübernehmer, Idealisten mit mutigen Ideen – an die Großen auszuliefern, vielleicht sie sogar zu verraten. Das war nicht Jürgens Weg, das war nicht seine Vision.
Sein Weg sah er gerade in den langjährigen Partnerschaften, in gemeinsamen Kooperationen und – das war wohl seine entscheidende Stärke – in seiner Vision, gemeinsam in einer Region Partner zu sein und Neues zu entwickeln und gemeinsam zu vermarkten.
Er wollte ein verlässlicher Partner auf Augenhöhe für die kleinen, regionalen Lieferanten sein.
Aber auch ein fairer Partner für die Kunden, als Händler für regionale Lebensmittel, die einfach „b‘sundrig“ – also etwas Besonderes sind, nämlich aus der Region von Menschen, die man kennt. Regionalität war damals, in den 1990er-Jahren, in Zeiten der Globalisierung, kein Thema. Aber für Jürgen die Vision einer nachhaltigen Unternehmenspolitik, der er bis heute treu geblieben ist.
Statt Mitschwimmen und zögerlichem Anpassen, Altes hinterfragen, auch Hergebrachtes aufgeben und dafür neue Wege denken, und das Neue wagen.
Vom kleinen Milchviehbetrieb zum Eier- und Nudelproduzenten. Vom Wiesenbesitzer zum Beerenanbauer und vom Ziegenmilchproduzenten zum Pflegeproduktespezialisten.
Eine Bäckerei und eine Metzgerei in der Region durften nicht sterben und wurden kurzerhand in das Unternehmen integriert.
Getreu dem Motto von Jürgen: „Der Markt als Marke“, musste auch der Markt als solches ökologisch verträglich und nachhaltig gebaut werden. Logischerweise mit dem regionalen Baustoff Holz und einer Ästhetik, für die durchgängig die renommierten Architekten der Region verantwortlich zeichnen.
Die Sutterlüty-Märkte gehören zu den Schönsten, weit über die Region hinaus und verkörpern, was innen angeboten wird: Ehrliche Regionalität, Partnerschaft auf Augenhöhe, Natürlichkeit und Nachhaltigkeit, verbunden mit dem Stolz und der Demut für die Heimat, die ich auch mehrfach besuchen durfte. Wenn Jürgen Sutterlüty heute einen weiteren Preis für sein unternehmerisches Tun erhält, dann ist es wohl eine große Anerkennung für dieses, aber, was ihm wichtiger ist, viel wichtiger: Es ist eine Anerkennung für die Natur, die Tiere, die Mitarbeitenden und Kunden seiner Region, kurz gesagt, eine Anerkennung für konsequentes Denken und Handeln in regionalen Strukturen.
Er bezeichnet sich zu Recht als Weltmeister in der Vermarktung von regionalen Produkten und wer seinen Sportsgeist kennt, weiß, dass er diesen Titel zu verteidigen weiß. Nicht des Titels wegen, sondern seiner Vision und seiner Werte wegen. Diesen sieht er sich verpflichtet, diesen dient seine Beharrlichkeit und auf diesen gründet die Stärke seines regionalen Netzwerks mit regionalen Produzenten auf der einen und den Kunden, die genau das schätzen, auf der anderen Seite.
Wenn ich bedenke, dass wir, mein Bruder und ich, diesen Branchenpreis vor genau 10 Jahren bekommen haben, für ein konsequent regionales Konzept, dessen Idee und Inhalt ich zum großen Teil von Dir, Jürgen, übernommen habe, könnte man sagen, es kommt etwas spät…
In meiner Vision, lieber Jürgen, sehe ich Dich als Leitbild für Unternehmertum und Selbstständigkeit in einer REWE Genossenschaft Österreich. Die Zugmaschine in der Privatisierung der Billa Märkte und der Führung eines Strategieausschusses nach hiesigem Vorbild.
Mein Freund, Du hast etwas B’sundriges geschaffen, darauf kannst Du verdammt stolz sein!
Herzlichen Glückwunsch zum goldenen Zuckerhut!