Schuldspruch im Weinstein-Prozess

Jury spricht den einstigen Filmmogul der Vergewaltigung schuldig – allerdings nicht in allen Anklagepunkten.
New York Gut zwei Jahre nach dem Start der MeToo-Bewegung durch Vorwürfe gegen Harvey Weinstein hat ein US-Gericht den früheren Filmogul wegen Sexualverbrechen schuldig gesprochen. Das teilten die Geschworenen am Montag dem Obersten New Yorker Gericht nach tagelangen Beratungen mit. Weinstein droht nun jahrelange Haft.
In dem spektakulären Vergewaltigungsprozess kam die Jury aus zwölf Laienrichtern zu der Entscheidung, den 67-Jährigen wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu verurteilen. Nicht schuldig sei Weinstein jedoch im schwersten Anklagepunkt des „raubtierhaften sexuellen Angriffs“.
Hollywood erschüttert
Das Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Weinstein im Herbst 2017 hatte Hollywood erschüttert, weltweit für Aufsehen gesorgt und die #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Übergriffe gegen Frauen ausgelöst. Mehr als 80 Frauen, darunter bekannte Schauspielerinnen wie Angelina Jolie, Salma Hayek und Gwyneth Paltrow, haben dem Gründer des Miramax-Filmstudios sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen. Die meisten Fälle sind aber verjährt.
In dem aufsehenerregenden New Yorker Prozess geht es seit Jänner aber vor allem um zwei Vorwürfe: Harvey Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oral-Sex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben. In dem Prozess ging es auch um Vorwürfe der „Sopranos“-Darstellerin Annabella Sciorra, die wegen ihrer Schwere zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe hätten führen können, doch die Geschworenenjury verurteilte ihn in diesen Fällen nicht. Der Prozess gilt als Meilenstein der MeToo-Ära, die von dem Fall ausgelöst wurde. Weinstein hat nun die Möglichkeit, Berufung gegen die Entscheidung einzulegen. Einer seiner Anwälte hatte das für den Fall einer Verurteilung bereits angekündigt.
Opferrolle und Mitschuld
In den vergangenen Wochen hatte die Staatsanwaltschaft in dem Verfahren versucht, mithilfe von insgesamt sechs Hauptzeuginnen in teils drastischer Detailtiefe ein Muster Weinsteins offenzulegen – das eines Mannes, der seine Macht in der Filmindustrie systematisch ausnutzte, um sich junge Frauen gefügig zu machen; eines Mannes, der Frauen für Sex Karrierehilfe versprach und sie bei einem Nein zum Geschlechtsverkehr zwang. Die Staatsanwaltschaft wollte damit ihre These untermauern, bei Weinstein habe es ein wahres Muster sexueller Gewalt gegeben. Ein „Raubtier“ sei der 67-Jährige, sagte Staatsanwältin Joan Illuzzi-Orbon in ihrem Schlussplädoyer.
Die Verteidigung hingegen hatte den Zeuginnen eine Mitschuld gegeben und Weinstein in einer Opferrolle dargestellt. Mann und Haleyi mussten einräumen, mit Weinstein nach den mutmaßlichen Attacken jeweils mindestens ein Mal einvernehmlichen sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Die 34-jährige Mann blieb mit dem Produzenten gar jahrelang in Kontakt. Weinstein-Anwältin Donna Rotunno sagte in dem Prozess, er sei von Frauen manipuliert worden, die ihre Karrieren hätten voranbringen wollen. Von den Geschworenen verlangte Anwältin Rotunno in ihrem Schlussplädoyer, eine „unpopuläre Entscheidung“ zu treffen und ihn freizusprechen.
Der Prozess hatte von Anfang an gegen eine mögliche Vorverurteilung des Angeklagten wegen der breiten gesellschaftlichen Debatte und der intensiven Berichterstattung in den vergangenen Jahren zu kämpfen. Bei der Auswahl der Geschworenen zu Beginn des Verfahrens erklärten sich auffallend viele der potenziellen Kandidaten von vornherein für befangen. Die Jury-Beratungen zogen sich über Tage hin. Nachrichten ans Gericht ließen dabei den Schluss zu, dass die Jury sich zwischenzeitlich in mehreren Anklagepunkten nicht einig war.
Weiteres Verfahren möglich
Die juristischen Kämpfe sind für Weinstein auch abseits des New Yorker Verfahrens nicht zu Ende. In Los Angeles wurde er ebenfalls wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt. Auch dort könnte es zu einem Prozess kommen.
„Bei Harvey Weinstein hat es ein wahres Muster sexueller Gewalt gegeben.“