Eine Art Lebenskompass

VN-Interview. Stefan Ruzowitzky (58), Filmregisseur und Drehbuchautor
Wien Die Krone seines Schaffens erhielt Stefan Ruzowitzky für „Die Fälscher“. Diese Produktion aus dem Jahr 2007 gewann den Oscar als bester fremdsprachiger Film. In der Folge zeigte sich der Wiener einmal auch der Jugendliteratur („Hexe Lilli“) zugeneigt, danach den tiefsten menschlichen Abgründen („Das radikal Böse“, „Die Hölle – Inferno“) und der Bedrohung der Erde durch einen Asteroiden (Miniserie „8 Tage“). Umso überraschender sein neuerlicher Schwenk, indem er sich Hermann Hesse widmete und „Narziss und Goldmund“ verfilmte. Hesses Erzählung aus dem Jahr 1930 wurde dessen erfolgreichstes Buch. Die Kinofassung sehen wir ab 12. März.
War es ein komplizierter Weg zu Hermann Hesse?
Gar nicht, sondern ein eher einfacher. Ich hatte „Narziss und Goldmund“ gelesen, als ich 16, 17 war, und es wurde eines meiner Lieblingsbücher. In der Vergangenheit wurden schon Volker Schlöndorff und Hans-Christian Schmid mit dem Stoff in Verbindung gebracht, aber es passierte nichts. Na ja, und zuletzt ist er bei mir gelandet.
Dieses Buch für die Leinwand zu adaptieren, war jedoch gewiss nicht einfach?
Nein, weil es die Figur des Narziss im Buch nur am Anfang und am Ende gibt und er in der Mitte verloren geht. Wie aber sollte ich, mit einer teilweise fehlenden Figur, die Geschichte einer großen Freundschaft erzählen. Ich brauchte also eine Rahmenhandlung, in der Narziss öfter präsent ist und, wohl dosiert, seine philosophischen Weisheiten sagen darf.
Also haben Sie sich, gemeinsam mit Robert Gold, selbst ans Drehbuch-Werk gemacht. Der junge, schöne und intelligente Goldmund ist zu seinem Freund Narziss ins Kloster Mariabronn zurückgekehrt und berichtet diesem von seinen vielfältigen Abenteuern. Die Story spielt im Mittelalter. Waren die Barrieren der Finanzierung sehr hoch?
Wenn ich von solchen Bedenken hörte, war ich oft sehr empört. Denn das Buch ist ja ein Klassiker, der vielen Lesern eine Menge bedeutet hat. Für sie wurde „Narziss und Goldmund“ eine Art Lebenskompass, und sie haben das Werk immer wieder gelesen. Ich selbst war eher verwundert, dass es nicht schon früher zum Film geworden war. Eigentlich höchste Zeit, dass das gemacht wurde.
Na ja: das dunkle, nicht gerade gemütliche finstere Mittelalter als Hintergrund …?
Das stimmt so nicht. Wir erleben Hermann Hesses Mittelalter, das durch die Augen eines enthusiastischen Künstlers, Goldmund, gezeichnet wird, und das erlaubt, trotz aller dramatischen Ereignisse, eine üppige, schöne Welt. Keine düstere, dunkle, dreckige.
War das Casting eine große Herausforderung?
Von Anfang an war die Idee einer jungen Besetzung gegeben, denn Goldmund muss man ja glauben können, dass er gerade die Sexualität entdeckt. Wenn einer 30 ist, funktioniert das nicht mehr. Jannis Niewöhner lernte ich kennen, bevor er noch in „Maximilian“ mitwirkte, und er war für mich die schlechthin ideale Besetzung. Als dieses Problem gelöst war, wurde es jedoch nicht einfacher, denn Goldmunds Reisen finden sehr episodisch statt. Das heißt, ich brauchte möglichst gute Leute für oft nur sehr kurze Zeit, für Zwei- bis Drei-Tages-Rollen, für meist nur ein paar Sätze, die auf den Punkt genau sitzen sollten. Und da bin ich mehreren Schauspielern sehr, sehr dankbar, dass sie sich darauf eingelassen haben. Zum Beispiel als Burgherr Matthias Habich. Ein Held meiner Kindheit, seit er damals in der Serie „Trenck der Pandur“ mitwirkte. Er erwies sich als ungemein netter, entspannter Typ. Ähnlich Uwe Ochsenknecht als Meister Niklaus oder Henriette Confurius als Goldmunds große Liebe Lene. Henriette, ein in sich ruhender, ausgeglichener, toller Mensch. Und großartig, was sich Sunnyi Melles getraut hat, ihr Mut zur Hässlichkeit!
Wie schaut die nächste Zukunft bei Ihnen aus? Wieder etwas ganz Neues?
Das kann man in der Tat sagen. Ich versuche nämlich einen Film, den ich zur Gänze im Bluebox-Verfahren drehe. Die Geschichte eines österreichischen Offiziers, der nach dem Ersten Weltkrieg zurückkommt. Optisch wird das ein bisschen die Welt des Dr. Caligari, mit Surrealismus, politischen Strömungen, Kulturschock. Visuell möchte ich ein völlig verzerrtes, schiefes Wien umsetzen. Meine Hauptdarsteller werden Liv Lisa Fries aus „Berlin Babylon“ und Matthias Schweighöfer sein. LH