Warum Agnes Hämmerle vom Hörsaal ins Bestattungsunternehmen wechselte

Die Lustenauerin Agnes Hämmerle kümmert sich um Verstorbene und Hinterbliebene.
Von Lena Gruber
LUSTENAU „Hast du schon einmal einen Toten oder eine Tote gesehen?”, lautete die Frage des Bestattungsunternehmens, bei dem die 25-jährige Lustenauerin Agnes Hämmerle ihr Ferialpraktikum im ersten Corona-Sommer absolvierte. Dass aus ihrem Sommerjob der für sie wohl spannendste Beruf wird, hätte die junge Lustenauerin nicht zu träumen gewagt.
Vom Praktikum zum Beruf
„Ich hatte gerade mein Studium der Europäischen Ethnologie und Philosophie abgeschlossen und war auf der Suche nach einem Sommerpraktikum”, erzählt die Lustenauerin. Nach Absagen von sämtlichen Kultureinrichtungen dachte sich Agnes Hämmerle, dass es spannend wäre, ein Praktikum als Bestatterin zu absolvieren. Nach dem E-Mail-Verkehr mit einem Lustenauer Bestattungsunternehmen durfte die studierte Philosophin die Mitarbeitenden des Bestattungsunternehmens begleiten und es wurden ihr alle Aufgaben eines Bestatters bzw. einer Bestatterin gezeigt.
Ich wusste nicht, auf was ich mich einlasse. Es war klar, entweder ich mache es zwei Tage oder alle fünf Wochen.
Agnes Hämmerle, 25 Jahre, Bestatterin
Die Suche nach einem passenden weiterführenden Masterstudiengang erwies sich als schwierig, weshalb die Lustenauerin beim Bestattungsunternehmen geblieben ist.

Abwechslungsreiche Arbeit
„Es ist toll, dass der Beruf so vielfältig ist”, sagt die Lustenauerin. Zu ihren Aufgaben gehört das Abholen von Verstorbenen im Krankenhaus, im Altersheim oder Zuhause. Aber auch die Friedhofsarbeiten, wie das Gestalten von Gräbern und die Aufarbeitung von Särgen, bereiten der 25-Jährigen viel Freude. Zudem unterstützt Agnes Hämmerle das Bestattungsunternehmen bei diversen Aufgaben, die tagtäglich anfallen. Dazu gehören die Hilfe im Büro, aber auch das Gestalten der Parte, wie die Traueranzeige korrekt genannt wird. „Es ist auch ein körperlicher Beruf”, erzählt Agnes Hämmerle. Särge müssen angefertigt und mit einer Matratze, einem Kissen und einem Überzug ausgekleidet werden.

Umgang mit Trauer
Auch die Corona-Pandemie war für die 25-Jährige eine völlig neue Situation. Dass sich die Leute von ihren Angehörigen nicht mehr verabschieden konnten, empfand die Lustenauerin als besonders tragisch. Trauerfeiern im großen Kreis waren zu Beginn der Pandemie oftmals nicht möglich, jedoch sei das Dabeisein bei einer Beerdigung eine Anerkennung der Verstorbenen. Es ermögliche den Menschen, Anteil am Leben zu haben, weshalb sich die Lustenauerin so eine Situation wie zu Beginn der Pandemie nicht mehr wünscht.
„Menschen gehen unterschiedlich mit Trauer um”, weiß die junge Bestatterin. Teilweise sind Angehörige überfordert, aber auch dankbar, da die Verstorbenen oftmals einen langen Leidensweg hatten. „Die Vernunft sieht es zwar ein, aber im Herzen schmerzt es”, sagt Agnes Hämmerle. Zwar sei die Kultur rund um den Tod in einem Wandel, jedoch helfen diverse Rituale, wie das Anzünden einer Kerze, bei der Verarbeitung eines Verlustes.
Resonanz
„Viele Leute sind überrascht, dass ich so einen Beruf ergriffen habe, erstens weil ich weiblich und zweitens noch jung bin”, erzählt die Lustenauerin. Bewunderung für ihre Stärke und ihren Mut erfährt die junge Bestatterin von allen Seiten.
Ich glaube, Mama und Papa sind ziemlich stolz auf mich.
Agnes, Hämmerle, 25 Jahre, Bestatterin
Zwar seien Freundinnen bzw. Freunde und Verwandte anfänglich skeptisch gewesen, jedoch fallen die Reaktionen mittlerweile positiv aus. „Über den Tod redet auch heute noch niemand, jedoch will schlussendlich jeder etwas darüber wissen”, erklärt die Lustenauerin. Es sei gut, dass auch Frauen den Beruf der Bestatterin ergreifen, denn vielen Menschen falle es leichter, mit einer Frau über den Tod zu reden. Mit Verständnis werden laut der Lustenauerin deutlich mehr Menschen erreicht.
Buchidee
Während ihres Praktikums fing Agnes Hämmerle an, Tagebuch zu schreiben. Aus kleineren Geschichten über ihren Alltag entstand schließlich ein ganzes Buch. Das Werk „ Hängen geblieben” handelt von Ereignissen, die die junge Bestatterin selbst erlebt hat. Zum Beispiel werden Eindrücke vom ersten Arbeitstag geschildert. Dabei geht es beispielsweise um das Krematorium, um alltägliche Geschichten, aber auch um tödliche Unfälle. Das Buch ist in allen Buchhandlungen erhältlich.

zur person
Agnes Hämmerle
ALTER 25 Jahre
WOHNORT Lustenau
WERDEGANG BG Lustenau, Bachelorstudiengänge Europäische Ethnologie und Philosophie an der Universität Innsbruck, derzeit: Masterstudium Philosophie an der Universität Innsbruck
HOBBYS Musik, Schreiben
INSTAGRAM agnes.haemmerle, hier finden sich auch mehr Informationen zum Buch