Pontifikat: Benedikts Tod eröffnet Spekulationen um Franziskus’ Zukunft

Der Tod des emeritierten Papstes verändert auch das Pontifikat seines Nachfolgers. Nun gibt es wieder nur einen Papst. Die Frage ist, wird dies zu Franziskus’ Fluch oder Segen.
Vatikanstadt Benedikt XVI. wurde verehrt und verachtet, bewundert und verteufelt. Egal, wie man zu dem als Joseph Ratzinger geborenen Kirchenmann stand – der Deutsche hat mit seinem Rücktritt als Papst Geschichte geschrieben. Wenn der emeritierte Pontifex am Donnerstag beigesetzt wird, geht der Fokus auf Franziskus: Was ändert sich im Pontifikat des Argentiniers, jetzt, wo sein Vorgänger nicht mehr lebt? Wird es einfacher oder schwerer für den 86-Jährigen? Tritt er gar bald selbst zurück?
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Jenen Spekulationen gab der Südamerikaner häufig selbst Nahrung. Er sprach Benedikt stets großen Respekt für dessen Entscheidung aus. Beobachter halten es für möglich, dass auch der gesundheitlich angeschlagene Franziskus diesen Schritt macht. Vor dem Tod von Joseph Ratzinger galt das noch als ausgeschlossen. Drei Päpste gleichzeitig – das wäre zu chaotisch geworden. Nun ist die Lage eine andere. “Die Tür dafür ist offen, es ist eine normale Option”, sagte Franziskus auf der Rückreise aus Kanada Ende Juli 2022. Ein Grund könnte sein Knieleiden sein, das den Argentinier immer wieder in den Rollstuhl zwingt.
“Man regiert mit dem Kopf und nicht mit dem Knie”, entgegnete Franziskus unlängst im Gespräch mit der spanischen Zeitung “ABC” auf eine erneute Frage zu seinen Schmerzen. Bekannt wurde dabei auch, dass er schon längst seinen Rücktritt unterschrieben hat. Das ist allerdings nicht ungewöhnlich und dient eher für den Fall, dass ein Papst nicht mehr in der Lage ist, selbst darüber zu entscheiden.

Spannend ist, wie ein möglicher Rücktritt von Franziskus einmal ablaufen könnte. Das Kirchenrecht regelt das in Paragraf 2 des Canons 332: “Falls der Papst auf sein Amt verzichten sollte, ist zur Gültigkeit verlangt, dass der Verzicht frei geschieht und hinreichend kundgemacht, nicht jedoch, dass er von irgendwem angenommen wird.” Weitere Regelungen gibt es nicht. Das kanonische Recht will Franziskus nicht ändern. Er würde seine mögliche Demission in einem Brief klären, sagte er den Interviewern von “ABC”.
Wegen der unpräzisen Rücktrittsregelung konnte Benedikt XVI. für sich den Status Papa Emerito (emeritierter Papst) wählen – deshalb kam es erst zur ungewöhnlichen und teils nicht unproblematischen Koexistenz zweier Päpste. Franziskus würde wohl einen anderen Weg gehen und sich nur für den Status emeritierter Bischof von Rom entscheiden – jenes Amt, das ein Papst automatisch auch bekleidet. Das erzählte er dem spanischsprachigen TV-Sender Televisa Univision im Juli 2022. Im Vatikan bliebe er dann nicht wohnen, sondern zöge nach Rom.

Noch sitzt Franziskus auf dem Stuhl Petri – und muss sich mit einer für ihn neuen Situation arrangieren. Erstmals seit seiner Wahl 2013 ist er der einzige Papst auf Erden. Tatsächlich hat er weiterhin ein großes Arbeitspensum. Für 2023 wurden bereits zwei Auslandsreisen angekündigt: Anfang Februar nach Afrika und im August nach Portugal.
Franziskus könnte seine Zeit zudem nutzen, um den Ruhestand von Päpsten genauer zu regeln. Bisher gebe es hier “ein juristisches Vakuum im Kirchenrecht”, sagt Monsignor Patrick Valdrini, emeritierter Professor der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom. So könne Franziskus etwa den Titel “emeritierter Papst” für zurückgetretene Kirchenoberhäupter durch die Bezeichnung “emeritierter Bischof von Rom” ersetzen.
Benedikt war als emeritierter Papst zwar nicht mehr aktiv in die Vatikan- und Kurienpolitik involviert. Von einem sprichwörtlichen Schatten, der von Benedikts Residenz Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten auf den Apostolischen Palast fiel, war aber in den knapp zehn Jahren immer wieder die Rede.

Die Präsenz seines Vorgängers hat Franziskus nicht von seiner Reformagenda abgehalten. Er strukturierte die Kurie um, brachte Ordnung in die Finanzen des Vatikan und stellte mehrere katholische Organisationen wie den Malteserorden unter seine Aufsicht.
Die Frage ist, ob nun für den Argentinier nur noch die Sonne scheint. Gegen diese Reformen regte sich aber auch Widerstand – und dieser dürfte stärker werden, je mehr das Ende von Franziskus’ Pontifikat absehbar ist. Konservative und Hardliner, die sich hinter Ratzinger als früherem Präfekten der Glaubenskongregation versammelt hatten, kritisierten immer wieder Maßnahmen des aktuellen Papstes. Dieser verteidige die katholische Lehre nicht konsequent gegen Reformer, hieß es etwa. Außerdem würden Benedikt und sein theologisches Erbe vom Nachfolger und dessen Vertrauten oft nicht genug gewürdigt.

Manche Beobachter sagen nun, dass die innerkuriale Opposition ihren Bezugspunkt verloren habe. Aber wird sie dadurch geschwächt oder angestachelt? Die italienische Zeitung “Corriere della Sera” spekulierte zuletzt: “Nach dem Tod von Ratzinger könnte der konservative Flügel seine Zügel ablegen.” Sogar von einer Kirchenspaltung durch erzkonservative US-Bischöfe war die Rede.
Vatikan-Experte Politi spricht von einem “Bürgerkrieg in der katholischen Kirche”. Es gebe “Kräfte, die Franziskus zurücktreten sehen wollen und Einfluss auf das nächste Konklave” zur Wahl eines neuen Papstes nehmen wollten.
Von solchen Prognosen halten andere Kirchenleute und Experten nichts. “Papst Franziskus wird sein Pontifikat fortsetzen, wie wir es in den zurückliegenden zehn Jahren erlebt haben”, sagte etwa Georg Bätzing der Deutschen Presse-Agentur. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ergänzte: “Dabei wird er sich weiter Rat von verschiedenen Seiten holen und sicherlich auch – wie bisher – von der theologischen Arbeit Joseph Ratzingers gerade mit Blick auf das Konzil und dessen Wirkungsgeschichte begleitet sehen.”
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