Sonja Amann verschafft Verbindungen Gehör

Menschen / 12.02.2023 • 17:50 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Andreas Mühlmann und Sonja Amann im Tonstudio. TOGETHER.AUDIO (3)
Andreas Mühlmann und Sonja Amann im Tonstudio. TOGETHER.AUDIO (3)

Musik und geliebte Stimmen können Menschen, die allein im Spital oder Heim sind, helfen.

Karlstein, Hohenems Wie ist es, wenn ein geliebter Mensch im Koma liegt und die Angehörigen nicht helfen können, oder wenn es gar nicht möglich ist, in seiner Nähe zu sein? Sonja Amann hat diese Erfahrung gemacht. Im Herbst 2020 erkrankten die Hohenemserin und ihr Mann Andreas Bartl an Corona. Während die Infektion bei ihr relativ glimpflich verlief, schlug das Virus bei ihrem Mann unbarmherzig zu. So sehr, dass schließlich die Lungen versagten und der Zustand lebensbedrohlich wurde. Die Ärzte versetzten ihn in einen künstlichen Tiefschlaf. Sieben Wochen lang! Das Schlimmste für Sonja Amann war, dass sie ihren Mann auf der Intensivstation nicht besuchen durfte. Andreas war für sie nicht mehr spürbar. „Es ist wie eine Zwischenwelt, in der du mittendrin steckst.“

Etwas Verbindendes

Die Vorarlbergerin, die mit ihrem Mann ins Waldviertel nach Niederösterreich gezogen war, fühlte sich absolut ohnmächtig. Mit Musik, die sie gemeinsam gehört hatten, versuchte sie sich zu trösten. Die Bandbreite reichte dabei von Heavy Metal bis hin zur Klassik. „Das Hören unserer Musik hatte für mich etwas Verbindendes, gab mir ein Gefühl von Nähe und Gemeinsamkeit.“ Und letztlich den Impuls, die verbindenden Momente auch ihrem Mann zu schenken. Sie rief Andreas Mühlmann an – einen langjährigen Freund der Familie und Toningenieur von Beruf. Er hatte sofort eine Idee: „Wir verbinden die Musik mit deiner Stimme und euren gemeinsamen Geschichten“, sagte er und bat die Mutter von drei Kindern ins Tonstudio. „Dort verbrachten wir zwei Nachmittage. Ich habe erzählt, wie es mir geht, habe Briefe von den Kindern vorgelesen und meine Gedanken mit Musik unterlegt.“

Mit der ersten selbst produzierten CD fuhr Sonja Amann ins Krankenhaus. Das Pflegepersonal war von der Idee begeistert. Und prompt zeigten sich auch bei ihrem Ehemann Reaktionen. „Sein Herzschlag wurde ruhiger und sie bemerkten, dass er besser mitatmete“, teilten ihr Ärzte und Pflegende mit. Doch das Erfüllendste für die 54-Jährige war, dass ihr die Aufnahmen die Möglichkeit gaben, etwas für ihn zu tun und ihm über diesen Weg nahezukommen. „Das löste bei mir ein intensives Gefühl der Nähe und Verbundenheit aus.“ Als ihr Mann schließlich starb, hatte sie wenigstens den Trost, ihm noch ganz viele Glücksmomente geschenkt zu haben.

Firma gegründet

Ihr Entschluss, auch anderen Menschen sogenannte „Bonding Moments“ zu ermöglichen, setzte sie im Vorjahr mit der Gründung des Unternehmens TOGETHER.AUDIO um. Mithilfe von Andreas Mühlmann erstellt sie gemeinsam mit anderen Betroffenen Audio-Files. „In einem Zwiegespräch erzählt mir die Person ihre Geschichte und ganz nebenbei läuft die Aufnahme. Das entspannt und sorgt auch für die richtige Stimmlage.“ Doch nicht nur Angehörige von Demenzerkrankten, Patienten im künstlichen Tiefschlaf oder mit Depressionen, können mit Audio-Files Glücksmomente schenken. Auch Hochzeitspaare nützen die Audio-Botschaften und erzählen, warum sie sich lieben. Und für Hinterbliebene sind sie tiefe Erinnerungen, die es ermöglichen, den Verlust schneller und tiefer zu verarbeiten. „Für mich sind die Files nach wie vor wichtig“, erzählt die in Hohenems aufgewachsene Frau, „manchmal ploppt eine am Handy zufällig auf.“ Sie weiß dann, dass die verbindenden Momente die Liebe am Leben halten. CRO

Als Amann den Alarm am Spitalsgang hörte, wusste sie, es betrifft ihren Ehemann.
Als Amann den Alarm am Spitalsgang hörte, wusste sie, es betrifft ihren Ehemann.
Der fertige Tonträger mit einem Audio-Set ist dann binnen 48 Stunden fertig.
Der fertige Tonträger mit einem Audio-Set ist dann binnen 48 Stunden fertig.
Sonja Amann lebt nach wie vor am Rosenhof auf ihrer kleinen idyllischen Landwirtschaft. Karoline Grill
Sonja Amann lebt nach wie vor am Rosenhof auf ihrer kleinen idyllischen Landwirtschaft. Karoline Grill
Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Sonja Amann mit Ehemann Andreas Bartl.
Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Sonja Amann mit Ehemann Andreas Bartl.

Zur Person

Sonja Amann

Alter 54 Jahre

Wohnort wuchs in Hohenems Rütte auf, wohnt in Obergrünbach bei Karlstein an der Thaya, Waldviertel

Familie 2 Töchter, ein Sohn und zwei Stiefkinder, Enkelkinder

Erlernter Beruf Damenkleidermacherin, Spielgruppenleiterin, Humanenergetikerin

Hobby meine kleine Landwirtschaft, das Mini-Shetland-Pony, die Katzen und die Hühner, mein Garten, lesen, tanzen, nähen, schreiben

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