Achtsam sein, mehr braucht es nicht

Menschen / 20.02.2023 • 16:15 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Brandolf und Heria Höß kleiden sich immer wie die Alamannen, die einst Vorarlberg besiedelten.<strong> </strong><em><span class="copyright">HRJ</span></em>
Brandolf und Heria Höß kleiden sich immer wie die Alamannen, die einst Vorarlberg besiedelten. HRJ

Brandolf und Heria Höß verbinden das Alamannentum mit dem Jetzt.

Mäder Die Menschen sollten sich verhalten, wie es sich die Natur gedacht hat. Diese Ansicht vertreten Brandolf und Heria Höß, die ihr Leben dem alamannischen Brauchtum verschrieben haben. Sie leben und kleiden sich wie die Menschen in Vorarlberg in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts nach der Zeitrechnung. Dennoch wohnt das Ehepaar Höß in einem Haus, das mit den Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts ausgestattet ist, und es nutzt soziale Medien. Widerspruch ist das keiner, stellen beide klar. „Man muss Altes und Neues zusammenbringen und aus beiden das Beste machen.“

Naturverbunden

Das Haus steht in Mäder, etwas versteckt, nahe dem Kummenberg, und es ist urgemütlich. Brandolf legt Holz im Ofen nach. Es knistert und knarrt. Eine angenehme Wärme breitet sich aus. Heria stellt Wasser auf den Tisch, um den sich das Ehepaar nun niederlässt und erzählt, wie alles begonnen hat.

Das Alamannen-Ehepaar beheizt sein Haus in Mäder mit Holz. <em><span class="copyright">HRJ</span></em>
Das Alamannen-Ehepaar beheizt sein Haus in Mäder mit Holz. HRJ

Heria Höß kommt am 14. Aug 1973 zur Welt und wächst als Einzelkind, mit Eltern, Großeltern und Tanten auf einem Kleinbauernhof in Bludenz-Rungelin auf. „Ich war schon immer naturverbunden“, erinnert sie sich. „Unser Obstgarten war meine Spielwiese. Und als Kind habe ich mich jeden Tag im Kuhstall aufgehalten.“ Als Jugendliche dann nicht mehr, gesteht sie. Wegen des Stallgeruchs. Den wollte sie nicht in die Textilschule in Dornbirn mitnehmen, wo sie den dreijährigen Schulzweig Damenkonfektion absolviert. Danach arbeitet sie bei Getzner Textil, später als VN-Austrägerin. Dann baut sie den Waldkindergarten Mäder auf und lässt sich gleichzeitig zur Wildnis- und Kräuterpädagogin ausbilden. Seit vier Jahren führt sie eine Wildnisschule, und – gemeinsam mit ihrem Mann – das Alamannen-Museum in Mäder.

„Man muss Altes und Neues zusammenbringen und aus beiden das Beste machen.

Heria und Brandolf Höß, Alamannen

Heria ist 19, als sie Brandolf über ein Zeitungsinserat kennenlernt. „Wir haben uns sofort gut verstanden“, erzählt sie. „Er ist meine große Liebe.“

Brandolf wird genau drei Monate nach ihr – am 14. November 1973 – geboren. Er wächst in Dornbirn und Mäder mit seinen Eltern und einer älteren Schwester auf.  Mit seiner Mutter lebt Brandolf nach indianischen Traditionen, „bis ich mit 16 Jahren eingesehen habe, dass ich kein Indianer bin, sondern Alamanne“. Die Alamannen faszinieren ihn, „weil ihre Kultur in die Natur eingebettet war“.

Heria Höß räuchert selber gesammelte Kräuter nach alamannischem Brauch. <em><span class="copyright">HRJ</span></em>
Heria Höß räuchert selber gesammelte Kräuter nach alamannischem Brauch. HRJ

Nach der Hauptschule will Brandolf ins Bundesheer. Er wird an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt aufgenommen, bricht ab, kehrt heim nach Vorarlberg und nimmt eine Stelle beim Zoll an. „Das war nicht meines“, sagt er. Seine intensive Verbundenheit mit der Natur führt ihn in die zweijährige Landwirtschaftsschule in Hohenems. Danach arbeitet er im Biolandbau und in Gärtnereien. Schließlich folgt die Ausbildung zum Wildnislehrer. Er wird Waldspielgruppenleiter, gibt Waldunterricht in Schulen und Kindergärten. Übrigens: Auch Brandolf hat zwischendurch die VN ausgetragen.

Bei der ersten Begegnung mit Heria habe er sich stark zu ihr hingezogen gefühlt. „Wir sind sofort ein Paar geworden.“ Mittlerweile sind Heria und Brandolf Höß 26 Jahre verheiratet und Eltern von zwei Kindern: Tochter Arlind ist 24, Sohn Arulf 22. Die Geburt der Kinder bezeichnet Heria als „das absolute Highlight in unserem Leben“. Was von Brandolf bestätigt wird: „Die zwei sind das Beste, das wir gemacht haben.“

Brandolf Höß reinigt den Abdruck einer Biberfußspur, die er im Wald gefunden hat. <span class="copyright">HRJ</span>
Brandolf Höß reinigt den Abdruck einer Biberfußspur, die er im Wald gefunden hat. HRJ

Schon am Anfang seiner Beziehung hat das Paar beschlossen, das Alamannentum miteinander zu leben, darunter sind die Pflege des 1996 gegründeten Vereins „Alamannische Brauchtums- und Kulturgemeinschaft“, der Alamannen-Schule, des Alamannen-Museums. Letzteres wurde im Dezember 2020 teilweise zerstört. Zwei junge, betrunkene Männer legten im Innenraum Feuer und somit das Inventarium in Schutt und Asche. Die Täter wurden verurteilt. Mit Hilfe von Spenden bauten Brandolf und Heria das Museum wieder auf.

Achtsamkeit

Das Alamannenpaar gestaltet seinen Alltag nach dem Jahreskreislauf, heizt mit Holz, ernährt sich von biologischen Nahrungsmitteln und Wildkräutern, welche Heria sammelt und verarbeitet. Beide lieben ihre Tätigkeit, Menschen mit der Natur vertraut zu machen. „Das Schönste dabei ist, wie junge Leute die Natur lieben und achtsam mit ihr umgehen lernen“, sagt Brandolf.

Einen Wunsch äußert das Ehepaar Höß: „Dass viel mehr Menschen die Natur als ebenbürtigen Partner respektieren und sich auf ihren Rhythmus einlassen.“ Und Heria resümiert: „Achtsam sein. Mehr braucht es nicht.“

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.