Antikes, das gar nicht verstaubt klingt

Der Bürser Althistoriker und Uni-Professor Robert Rollinger wurde für sein wissenschaftliches Gesamtwerk ausgezeichnet.
Innsbruck, Bürs Zum 1080. Mal drückte der Alt-Historiker Robert Rollinger auf Senden. Entschieden hat er sich für “Without a Conscience” der Death-Metal-Band Obituary. Polternde Drums und sägende Riffs, Growls aus der Gruft und ein Tinnitus nach erfolgter Beschallung, so die Album- Beschreibung. Vielleicht ein Weckruf für die Professoren, Studierenden und Musik-Freaks der WhatsApp-Gruppe Metal Pearls zum Ende der Woche oder besser – eine Groove-lastige Einstimmung aufs Wochenende?

Es ist viel einfacher: Als Metal-Fan und Rockmusik-Liebhaber teilt er täglich zweimal mit der Community seine Schallplatten- und CD-Sammlung von beachtlicher Größe. Immerhin gut 8500 Tonträger. Es versteht sich fast von selbst, dass auch Titel der Technical-Death-Metal-Band Nile darunter sind, die in ihren düsteren Songs textgetreu ägyptische Schriftstücke nacherzählen.

Schließlich lehrt der 58-Jährige an der Uni Innsbruck zu Kulturbeziehungen und Kulturkontakten zwischen den Kulturen des Alten Orients und des mediterranen Raums. Der Vorarlberger weist da ein breit gefächertes Repertoire an Forschungsschwerpunkten auf. Gerade erst wurde der Professor am Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik für sein wissenschaftliches Gesamtwerk ausgezeichnet. Er kommentiert das mit gemischten Gefühlen: “Ein Preis für das Lebenswerk ist sehr ehrenvoll”, sagt der Althistoriker, “aber mit meinen 58 Jahren hoffe ich doch, dass ich noch einiges machen werde. Ich sehe die Auszeichnung also auch als Ermunterung.”

Rollinger, der schon lange mit der Uni Innsbruck verbunden ist, serviert scheinbar Verstaubtes schmackhaft aufbereitet. Sein Prinzp: Räume miteinander vernetzen und in Beziehung setzen. So projiziert Rollinger mittels Power Point zum Beispiel einen Cheeseburger an die Wand des Hörsaals.
Dabei kann er sich sicher sein, dass die meisten seiner Studierenden in den letzten zwei Wochen den Fastfood-Liebling konsumiert haben. “Nicht bewusst sind sie sich jedoch, dass dieses allgegenwärtige Gericht Zeugnis einer spannenden Globalisierungsgeschichte ist”, erklärt der Vater zweier Söhne und stellt klar, dass schon im Altertum Wissen und kulturelle Praktiken zwischen den einzelnen Kulturen Afro-Eurasiens rege zirkulierten. Essen sei da das beste Beispiel.

Zwar scheidet das Brioche-ähnliche Brötchen die Geschmacksgeister, aber Tatsache ist, dass die Herstellung auf Weizen basiert, sprich aus einer der ältesten Getreidearten hergestellt wird. Gemeinsam mit den neolithischen Bauern Vorderasiens gelangte das Korn über den Balkan nach Europa. Der wesentliche Unterschied zwischen der Globalisierung in der Antike und heute liege in der Beschleunigung und Dynamisierung. “Wobei das schnellste Transportmittel der Computer bzw. das Internet ist. Also der Wissenstransfer in Nullzeit.”
Das Grundprinzip, dass Räume miteinander vernetzt und in Beziehung gesetzt werden, sei allerdings dasselbe. Zu seinem Bedauern spiele antike Globalisierungsgeschichte in den modernen Lehrplänen jedoch keine Rolle.

Dabei ist Antikes allgegenwärtig. Und wer das Glück hat, Robert Rollinger zuhören zu können, bekommt die Faszination übergestreift wie ein Lieblingskleid, in dem man sich einfach gut fühlt. Er öffnet mit seinem Wissen eine neue Dimension, die in einer Bescheidenheit gegenüber den Dingen mündet. Und in der Ehrlichkeit, sich einzugestehen: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Wobei das für den Professor so nicht gilt, denn alleine seine Arbeitsbibliothek, vollgefüllt mit antiker Sachliteratur, ermöglichte es ihm, gemeinsam mit einem Kollegen in zwei Wochen Quarantäne zwei Aufsätze zu schreiben, die in zwei Fachzeitschreiften demnächst publiziert werden.

Apropos Faszination: Die ist natürlich auch beim sechsten Montafoner Gipfeltreffen allgegenwärtig. Die Veranstalter, zu denen auch Robert Rollinger (Uni Innsbruck) zählt, kombinieren dabei internationale und lokale Forschung. Für diesen Regionalbezug seiner Forschungen, den der Althistoriker sein ganzes Forscherleben lang aufrecht gehalten hat, erhielt er den Vorarlberger Wisssenschaftspreis.

Gewürdigt wurden neben seinen Forschungen zur trentinischen Einwanderung auch die Koordination des Projekts “Montafoner Talschaftsgeschichte”. Ist es von dann von 17. bis 21. Oktober endlich wieder so weit, wird der Professor zum weit über 2000. Mal auf Senden drücken. Dann könnte sich der Rockmusik-Fan etwa für die heimische Dialekt-Combo Krauthobel entscheiden. “Geliebtes Muntafu” ist dann eine Einladung zum Mitdiskutieren. Eh klar. CRO
ZUR PERSON
Robert Rollinger
Alter 58 Jahre
Beruf Althistoriker
Hobbys Tennisspielen, Musik, Lesen,
Familie verheiratet, 2 Söhne, 2 Enkel,
Preise Dr.-Seibert-Preis zur Förderung wissenschaftlicher Publikationen, Preis des Fürstentums Liechtenstein für die wissenschaftliche Forschung, Wissenschaftspreis des Österreichischen Olympischen Comités, Wissenschaftspreis des Landes Vorarlberg (Würdigungspreis), Wissenschaftspreis für das wissenschaftliche Gesamtwerk
Mitgliedschaft Österreichische Akademie der Wissenschaften, Mitglied der wissenschaftlichen Jury „Montafoner Wissenschaftspreis“ des Standes Montafon
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