Die bösesten Seiten Vorarlbergs

Menschen / 22.03.2023 • 20:25 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Verleger Ulrich Gabriel (l.) mit Autor und Historiker Wolfgang Scheffknecht. cro
Verleger Ulrich Gabriel (l.) mit Autor und Historiker Wolfgang Scheffknecht. cro

Historiker Wolfgang Scheffknecht holt alte Verbrechen und Gräueltaten vor den Vorhang.

LUSTENAU Es sind schaurig gruselige Themen, denen sich Wolfgang Scheffknecht und seine Tochter Nicole in dem neu erschienenen Lesebuch aus der unart-Produktion widmen. Schon der Titel „Böses Vorarlberg“ verrät, dass im scheinbar so beschaulichen Ländle das Verbrechen überall lauert. Beziehungsweise lauerte. Getreu dem Motto „Das Böse ist immer und überall“ hat der Historiker in die tiefsten Abgründe menschlichen Seins geblickt und dabei die schrecklichsten Taten aber auch Strafen neu dokumentiert. Die Geschichten von Mördern, Gaunern und Ganoven aber auch Scharfrichtern umfassen den Zeitraum des finsteren Spätmittelalters bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Das meiste ist heute wohl unvorstellbar. So beispielsweise, dass Frauen wegen Unzucht oder Ehebruchs ausgepeitscht oder gar verbrannt wurden, oder dass Täter, selbst wenn sie Schwerkriminelle waren, mit glühenden Zangen gefoltert, ihnen Ellbogen und Knie „mit dem Rad abgestoßen wurden“, um sie schließlich über einem kleinen Feuer „zu Tode braten“.

Barbarische Methoden

Solche barbarischen Methoden waren noch vor wenigen Jahrhunderten an der Tagesordnung. Da schluckte so mancher Besucher bei der Vorstellung des Buches im Rathaus von Lustenau. Die Stickergemeinde war übigens einst eine Hochburg, was Verbrechen und kriminelle Energie angeht. Doch der 64-jährige Archivar und Pädagoge mahnt aus heutiger Sicht vor falschen Einschätzungen. „Die Menschen damals hatten keine Bildung, konnten weder lesen noch schreiben und wurden von immer wiederkehrender Zerstörung durch Feuer oder Hochwasser heimgesucht. Es gab keine Versicherung, und dennoch schafften sie es immer wieder, sich von schrecklichen Ereignissen zu erholen. Verbrecher, Mörder und kriminelle Typen verbreiteten zudem Furcht und Angst. Raubzüge und Plünderungen standen an der Tagesordnung, die mit härtester Vergeltung und großer Qual gesühnt wurden. Und gab es Naturkatastrophen, die nicht erklärt werden konnten, wurden Schuldige gesucht, um den Vorwurf von Schadenszauber oder Hexerei oder anderem erheben zu können.“ Dies verschaffte den Menschen Entlastung, die man auch radikal bekämpfen konnte.

Fundgruben

Auch Krisen, apokalyptische Voraussagen oder Weltuntergangsstimmungen gab es seit jeher. Auch das sind keine Phänomene der Gegenwart. Für den Historiker sind dies wahre Fundgruben. Und der Blick in die Vergangenheit kann auch dazu beitragen, um aus den Krisensituationen von damals Antworten auf zukünftige Fragen zu finden. Was Scheffknecht daran fasziniert, sind die Verhaltensmuster, die immer wieder ähnlich ablaufen. Ob das auch für heute gilt? „Die dünne kultivierte Schicht ist schnell aufgerissen“, hat er festgestellt. Dennoch sagt niemand, dass die Menschen nicht handeln sollen. „Es hat immer offene Situationen gegeben, und das, was passiert ist, war nie alternativlos“, weiß der Historiker, für den es keinen Tag ohne Geschichte gibt. CRO

„Es hat immer offene Situationen gegeben. Was passiert ist, war nie alternativlos“

1993: Wolfgang Scheffknecht (l.) und Historiker Alois Niederstätter 1993.
1993: Wolfgang Scheffknecht (l.) und Historiker Alois Niederstätter 1993.
Kulturreferent Ernst Hagen betrachtet die druckfrische Lustenauer Chronik.  Marktgemeinde Lustenau
Kulturreferent Ernst Hagen betrachtet die druckfrische Lustenauer Chronik. Marktgemeinde Lustenau
1991 war Wolfgang Scheffknecht (2. Reihe, ganz rechts) Mitglied der Trentiner Forschungsgruppe.Klapper/Vorarlberger Landesbibliothek (2)
1991 war Wolfgang Scheffknecht (2. Reihe, ganz rechts) Mitglied der Trentiner Forschungsgruppe.Klapper/Vorarlberger Landesbibliothek (2)

Zur Person

Wolfgang Scheffknecht

Geboren 10. März 1959

Beruf Historiker, Pädagoge, Archivar

Wohnhaft Lustenau

Familie verheiratet, drei Kinder, zwei Enkel

Hobbys Radfahren, Geschichte

Veröffentlichungen 2 Lesebücher (unartproduktion), 6 Sammelbände, 4 Monographien, über 100 wissenschaftliche Aufsätze, „Böses Vorarlberg Lesebuch – Mörder, Schurken und Banditen 1419–1953“ . Tochter Nicole illustrierte das bei unartproduktion Dornbirn erschienene Buch.

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