Die bösesten Seiten Vorarlbergs

Menschen / 22.03.2023 • 15:45 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Verleger Ulrich Gabriel (l.) mit Autor und Historiker Wolfgang Scheffknecht. <span class="copyright">cro</span>
Verleger Ulrich Gabriel (l.) mit Autor und Historiker Wolfgang Scheffknecht. cro

Historiker Wolfgang Scheffknecht holte alte Verbrechen und Gräueltaten vor den Vorhang.

LUSTENAU Es sind schaurig, gruselige Themen, denen sich Wolfgang Scheffknecht und seine Tochter Nicole in dem neu erschienen Lesebuch aus der Unart-Produktion widmen. Schon der Titel „Böses Vorarlberg“ verrät, dass im scheinbar so beschaulichen Ländle das Verbrechen überall lauert. Beziehungsweise lauerte.

Der Historiker Wolfgang Scheffknecht präsentierte sein thematisches Lesebuch im Rathaussaal in Lustenau. <span class="copyright">cro</span>
Der Historiker Wolfgang Scheffknecht präsentierte sein thematisches Lesebuch im Rathaussaal in Lustenau. cro
Die Kabarett-Rocker Harald Kräuter und Thomas Vigl von Sax &amp; Crime sorgten auf der Buchpräsentation für den musikalischen Rahmen.<span class="copyright">cro</span>
Die Kabarett-Rocker Harald Kräuter und Thomas Vigl von Sax & Crime sorgten auf der Buchpräsentation für den musikalischen Rahmen.cro
Tochter Nicole Scheffknecht illustrierte das Lesebuch "Böses Vorarlberg". <span class="copyright">Scheffknecht</span>
Tochter Nicole Scheffknecht illustrierte das Lesebuch "Böses Vorarlberg". Scheffknecht

Getreu dem Motto „Das Böse ist immer und überall“ hat der Historiker in die tiefsten Abgründe menschlichen Seins geblickt und dabei die schrecklichsten Taten, aber auch Strafen neu dokumentiert. Die Geschichten von Mördern, Gaunern und Ganoven, aber auch Scharfrichter umfassen den Zeitraum des finsteren Spätmittelalters bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Das meiste ist heute wohl unvorstellbar. So beispielsweise, dass Frauen wegen Unzucht oder Ehebruchs ausgepeitscht oder gar verbrannt wurden, oder dass Täter, selbst wenn sie Schwerkriminelle waren, mit glühenden Zangen gefoltert wurden, ihnen Ellbogen und Knie „mit dem Rad abgestoßen” und sie schließlich unter einem kleinen Feuer „zu Tode gebraten” wurden.

Berichterstattung über den Mord an einem achtjährigen Buben in Schlins im Jahr 1953.
Berichterstattung über den Mord an einem achtjährigen Buben in Schlins im Jahr 1953.
Das Foto zeigt den Tatort, ein Heustadel in Schlins.
Das Foto zeigt den Tatort, ein Heustadel in Schlins.

Barbarische Methoden

Solche barbarischen Methoden waren noch vor wenigen Jahrhunderten an der Tagesordnung. Da schluckte so mancher Besucher bei der Vorstellung des Buches im Rathaus von Lustenau. Die Stickergemeinde war übigens einst eine Hochburg, was Verbrechen und kriminelle Energie angeht. Doch der 64-jährige Archivar und Pädagoge mahnt aus heutiger Sicht vor falschen Einschätzungen. „Die Menschen damals hatten keine Bildung, konnten weder lesen noch schreiben und wurden von immer wiederkehrender Zerstörung durch Feuer oder Hochwasser heimgesucht. Es gab keine Versicherung und dennoch schafften sie es immer wieder, sich von schrecklichen Ereignissen zu erholen. Verbrecher, Mörder und kriminelle Typen verbreiteten zudem Furcht und Angst. Raubzüge und Plünderungen standen an der Tagesordnung, die mit härtester Vergeltung und großer Qual gesühnt wurden. Und gab es Naturkatastrophen, die nicht erklärt werden konnten, wurden Schuldige gesucht, um den Vorwurf von Schadenszauber, Hexerei oder anderem erheben zu können.“ Dies verschaffte den Menschen Entlastung, die man auch radikal bekämpfen konnte.

Das Böses Vorarlberg Lesebuch wurde vergangene Woche erstpräsentiert. <span class="copyright">unartproduktion, Dornbirn</span>
Das Böses Vorarlberg Lesebuch wurde vergangene Woche erstpräsentiert. unartproduktion, Dornbirn
Lustenau ist bekannt für das Adressbuch. Wolfgang Scheffknecht hält ein Exemplar aus dem Jahr 1950 in Händen. <span class="copyright">Klaus Hartinger</span>
Lustenau ist bekannt für das Adressbuch. Wolfgang Scheffknecht hält ein Exemplar aus dem Jahr 1950 in Händen. Klaus Hartinger

Wahre Fundgruben

Auch Krisen, apokalyptische Voraussagen oder Weltuntergangsstimmungen gab es seit jeher. Auch das sind keine Phänomene der Gegenwart. Für den Historiker sind dies wahre Fundgruben. Und der Blick in die Vergangenheit kann auch dazu beitragen, um aus dem Krisensituationen von damals Antworten auf zukünftige Fragen zu finden. Was Scheffknecht daran fasziniert, sind die Verhaltensmuster, die immer wieder ähnlich ablaufen. Ob das auch für heute gilt? „Die dünne kultivierte Schicht ist schnell aufgerissen“, hat er festgestellt. Dennoch sagt niemand, dass die Menschen nicht handeln sollen. „Es hat immer offene Situationen gegeben, und das, was passiert ist, war nie alternativlos“, weiß der Historiker, für den es keinen Tag ohne Geschichte gibt. CRO

2011 erschien das Lesebuch mit Geschichten aus der Marktgemeinde am Rhein. <span class="copyright">unartproduktion, Dornbirn</span>
2011 erschien das Lesebuch mit Geschichten aus der Marktgemeinde am Rhein. unartproduktion, Dornbirn
Kulturreferent Gemeinderat Ernst Hagen betrachtet mit Verfasser Wolfgang Scheffknecht die Erstausgabe der druckfrischen Lustenauer Chronik. <span class="copyright">Marktgemeinde Lustenau</span>
Kulturreferent Gemeinderat Ernst Hagen betrachtet mit Verfasser Wolfgang Scheffknecht die Erstausgabe der druckfrischen Lustenauer Chronik. Marktgemeinde Lustenau
Die Historiker Wolfgang Scheffknecht (l.) und Alois Niederstätter. Die Aufnahme entstand 1993. <span class="copyright">Helmut Klapper, Vorarlberger Landesbibliothek</span>
Die Historiker Wolfgang Scheffknecht (l.) und Alois Niederstätter. Die Aufnahme entstand 1993. Helmut Klapper, Vorarlberger Landesbibliothek
1991 war Wolfgang Scheffknecht (2. Reihe, ganz rechts) Mitglied der Trentiner Forschungsgruppe. <span class="copyright">Klapper/Vorarlberger Landesbibliothek</span>
1991 war Wolfgang Scheffknecht (2. Reihe, ganz rechts) Mitglied der Trentiner Forschungsgruppe. Klapper/Vorarlberger Landesbibliothek

Zur Person

Wolfgang Scheffknecht

Geboren 10. März 1959

Beruf Historiker, Pädagoge, Archivar

Wohnhaft Lustenau

Familie verheiratet, drei Kinder, zwei Enkel

Hobbys Radfahren, Geschichte

Veröffentlichungen 2 Lesebücher (unartproduktion), 6 Sammelbände, 4 Monographien, über 100 wissenschaftliche Aufsätze, „Böses Vorarlberg Lesebuch – Mörder, Schurken und Banditen 1419–1953“ . Tochter Nicole illustrierte das bei unartproduktion Dornbirn erschienene Buch.

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.