Sie berührt die Herzen ihrer Schützlinge

Beate Zortea (56) übt ihren Traumberuf aus. Sie arbeitet als Pflegerin auf einer Demenzstation.
Bregenz Schon als Kind hatte Beate Zortea (56) konkrete Vorstellungen von ihrem Leben. Die Bregenzerin wollte mehreren Kindern das Leben schenken und einen helfenden Beruf ergreifen. Ihre tiefsten Wünsche wurden wahr. Mit 18 bekam Beate ihr erstes Kind, mit 34 brachte sie ihr viertes und letztes Kind zur Welt. Als ihr Jüngstes drei Jahre alt war, fand sie es an der Zeit, sich ihren Berufswunsch zu erfüllen. „Ich wollte nie nur Mutter sein. Ich wollte mich auch selbst leben.‘“
Die Hasch-Absolventin bewarb sich erfolgreich als Pflegekraft in einem Altersheim in Bregenz. „Die Kollegen haben mich angelernt.“ Bereits am ersten Arbeitstag war Beate klar: „Dieser Beruf ist es. Das ist meine Welt.“ Nachfolgend bereitete das Leben sie Schritt für Schritt auf ihre heutige Aufgabe vor: Die Pflegeassistentin arbeitet im Sozialzentrum Lauterach auf der Demenzstation. Im Jahr 2005 ging die Bregenzerin mit ihrer Familie für einige Jahre nach Amerika. In den USA betreute die Vorarlbergerin eine kranke Frau, die auf den Rollstuhl angewiesen war. „Wir wuchsen zusammen und waren ziemlich beste Freunde.“ Im Jahr 2009 machte Beate in Vorarlberg eine Ausbildung zur Heimhelferin. Als solche arbeitete sie einige Jahre im Sozialzentrum Weidach. 2014 nahm die vierfache Mutter erneut eine Ausbildung in Angriff. Ihr war es wichtig, sich zur Pflegeassistentin weiterzubilden, „weil ich ans Bett zu den Menschen wollte und mich die Pflege bzw. das Medizinische interessierte“. Nach der Prüfung fügte es sich, dass die Demenzstation im Sozialzentrum Weidach ihr neuer Arbeitsplatz wurde. Damit war sie in ihrem Traumjob angekommen.
Flucht ins Vergessen
„Demenzkranke Menschen sind in ihrer eigenen Welt. Sie holen mich in ihre Welt hinein. Das gefällt mir. Es ist schön, ein Teil ihrer Welt sein zu dürfen.“ Ihre Schützlinge zeigen ihr jeden Tag, was wirklich wichtig ist und Dinge im Außen wie das Fernsehen etwa, die Zeitung, das Handy, die Uhrzeit oder das Wetter unwichtig sind. „Bei dieser Erkrankung werden andere Dinge wichtig. Sie setzen sich mit sich, ihrem Leben und seinen Ereignissen auseinander. Sie versuchen die Sachen, die hochkommen, aufzuarbeiten. Aber das ist aufgrund des kognitiven Abbaus ab einem gewissen Stadium nicht mehr möglich. Ich empfinde es manchmal so, als ob sie darum ins Vergessen flüchten.“ Objektiv gesehen sei Demenz eine Erkrankung des Gehirns. „Aber in meiner Arbeit sehe ich, dass bei dieser Krankheit auch nicht verarbeitete, traumatische Lebensereignisse mit im Spiel sind.“
Laut der Pflegehelferin verschwindet bei dementen Menschen das Kurzzeitgedächtnis. „Das Langzeitgedächtnis bleibt. Und da haften Emotionen dran. Die verschwinden nicht.“ Beate knüpft an den Emotionen an. „Gerät ein Mensch in Aufruhr, blocke ich seine Emotion nicht ab, sondern nehme sie ernst und gehe auf sie ein, weil sie für ihn Realität ist. So kann ich die Situation deeskalieren. Das ist wertschätzende Kommunikation.“ Wenn die Pflegeassistentin morgens zur Arbeit geht, weiß sie nie, was sie erwartet. „Die Begegnung mit Menschen, die schreien oder schlagen, ist bedingungslos. Ich mache sie dafür nicht verantwortlich. Denn es hat einen Grund, warum sie so sind.“ Deshalb sei bei der Arbeit mit dementen Menschen die Biografie-Arbeit so wichtig. „Man muss über ihre Vergangenheit Bescheid wissen, über die wichtigen Eckpunkte ihres Lebens. Dort sind sie zuhause. Dort ist ihr Herz. Das Herz ist nicht dement, nur der Geist. Auf der Herzebene kann man sie erreichen.“
Wohlgefühle durch eine Brille
Demenzkranke Menschen glücklich machen ist ein sehr schöner Teil ihres Jobs. „Manche strahlen übers ganze Gesicht, wenn man ihnen ihre Lieblingsmusik vorspielt, anderen geht das Herz auf, wenn man mit ihnen alte Fotos anschaut.“ Beate findet, dass sie den schönsten Beruf der Welt hat. Denn: „Ich kann ihr Herz berühren. Wenn ich das schaffe, dann bin ich glücklich.“ Seit einigen Wochen arbeitet die engagierte Pflegerin mit sogenannten Virtual-Reality-Brillen. Diese erleichtern die Biografie-Arbeit, weil sie es dem Altersheimbewohner ermöglichen, in eine vom Computer simulierte Welt einzutauchen, in der er sich zuhause und glücklich fühlt(e). „Wenn einer zum Beispiel gerne Ski fuhr, können wir ihm einen Skifilm in 3D vorspielen, sodass er das Gefühl hat, dass er selbst mitten auf der Piste ist. Das weckt bei ihm positive Emotionen und gibt ihm ein Heimatgefühl.“ VN-kum
„Demenzkranke Menschen holen mich in ihre Welt hinein. Das gefällt mir.“



Zur Person
Beate Zortea
hat in ihren Augen den schönsten Beruf der Welt. Die Pflegerin arbeitet mit demenzkranken Menschen.
Geboren 9. Juni 1966
Wohnort Bregenz
Familie Single, vier Kinder
Hobbys Malen, Schreiben, Lesen, Singen, Familie
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