Die “Nonne auf Zeit” und ihre Sehnsucht nach Gott

Kloster auf Zeit: Carmen Frank (50) lebt seit Februar den Klosteralltag mit den Zisterzienserinnen in Hohenweiler mit.
Hohenweiler Carmens Großmutter, die im KZ war, passte oft auf ihre kleine Enkelin auf. Das Band zwischen Carmen (heute 50) und ihrer Oma war eng. „Ich habe sie geliebt.“ Sie war nicht nur enge Bezugsperson, sondern auch Vorbild.

„Oma war sehr gläubig. Sie betete jeden Tag den Rosenkranz und besuchte häufig die Messe. Der Glaube war ihr Anker.“ Carmen, die sie immer gerne in die Kirche begleitete, betete als Kind nicht. „Mir reichte die innere Gewissheit, dass es Gott gibt und ich in ihm geborgen bin.“ Auch in der Klosterschule, die das Mädchen besuchte, lebte man ihm den Glauben vor. „Die Kreuzschwestern waren nett und hatten ein sonniges Wesen.“ Sie inspirierten Carmen, die als Schülerin am liebsten Geschichten über Heilige las. „Ich wollte auch ins Kloster gehen.“ Konkret stellte sie sich als Missionarin in Afrika vor. „Ich wollte armen Menschen helfen und ihnen den Glauben bringen.” Bis zum Alter von 12 Jahren war dieser Wunsch bei ihr jeden Tag präsent. „Dann verliebte ich mich zum ersten Mal. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und dachte mir: ,Ins Kloster kannst du jetzt nicht mehr gehen.‘“

Das Schicksal hatte mit der gebürtigen Oberösterreicherin zunächst andere Pläne. Mit 15 trat der Teenager mit dem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit der kommunistischen Jugend bei, weil er der Idee einer klassenlosen Gesellschaft viel abgewinnen konnte. Mit 16 wechselte Carmen die Schule. „Die Klosterschule wurde mir zu eng.“ Mit 19 trat die Tochter einer Alleinerzieherin aus der katholischen Kirche aus. „Diese Institution vertrat für mich nicht die Religion.“ Nach der Matura studierte Carmen in Wien Ur- und Frühgeschichte und Altorientalistik. Im Rahmen des Studiums beschäftigte sie sich auch mit religiösen Texten. „Es war mir ein Bedürfnis, sie zu lesen.“

Beruflich zog es die Akademikerin, die nach dem Studium noch eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin absolvierte, in den Sozialbereich. „Ich wollte mit Menschen arbeiten und die Welt zu einem schöneren Ort machen.“ Zunächst war Carmen als Assistentin für körperlich beeinträchtigte Menschen tätig. Später arbeitete sie mehrere Jahre lang mit psychisch kranken Menschen. Der Job gefiel ihr. „Es ist ein Geschenk, wenn man dafür bezahlt wird, dass man mit Menschen Zeit verbringt.“ Außerdem engagierte sie sich zu dieser Zeit ehrenamtlich für die Telefonseelsorge. „Auch da konnte ich mich auf Menschen einlassen. Ich habe wunderschöne Sachen erlebt und fühlte mich reich beschenkt.“ Mit Menschen arbeitet sie heute noch. Jetzt aber auf einer anderen Ebene. Die Mutter einer erwachsenen Tochter gibt Deutschkurse für Migranten. „Es macht Spaß mit Menschen etwas gemeinsam zu erarbeiten und ihnen ein Werkzeug in die Hand geben zu können, mit dem sie hier gut leben können.“

Jede ihrer beruflichen Tätigkeiten erfüllt(e) sie. Dennoch verspürte sie in ihrem Innern immer eine gewisse Unruhe. „Ich suchte und sehnte mich nach etwas. Ich wusste aber lange nicht, was.“ Heute weiß sie: „Ich habe mich nach der wirklichen Heimat gesehnt, nach Gott. Ihn habe ich gesucht.“ Im Jahr 2011 begann die Wahlwienerin ein Theologie-Studium. „Jetzt war die Zeit da, um mich mit meiner Religiosität auseinanderzusetzen und die Beziehung zu Gott zu intensivieren.“ Es lag ihr nun sehr daran, zu erkennen, „wo ich als Mensch in meiner Beziehung zur Transzendenz stehe, zu dem, was man Gott nennt“. Die Suche nach Gott bzw. die Beziehung zu ihm hatte jetzt die oberste Priorität in ihrem Leben. Dem (kontemplativen) Gebet räumte sie einen festen Platz in ihrem Alltag ein. „Ich gehe auch wieder in die Kirche.“

Der Wunsch, Zeit in einem kontemplativen Kloster zu verbringen, kam während der Pandemie auf. „Ich wollte meinen Glauben in Gemeinschaft vertiefen.“ Die Möglichkeit ein Freiwilliges Ordensjahr zu machen sprach die Oberösterreicherin an. Seit Februar ist das Kloster Gwiggen in Hohenweiler ihr vorübergehendes Zuhause. „Es gefällt mir hier sehr. Ich fühle mich aufgehoben und bin beeindruckt von der Stimmung, die hier herrscht und von der Schwesterngemeinschaft. Die Nonnen sind gastfreundlich, herzlich und offen und überhaupt nicht frömmelnd. Sie inspirieren mich in Sachen Glauben und christlicher Lebensführung. Und sie geben mir ein Nest, in dem ich meine Beziehung zu Gott entfalten kann. Dafür bin ich sehr dankbar.“ Die “Nonne auf Zeit” muss lächeln – weil sie jetzt dort ist, wo sie sich als Volksschülerin immer hingesehnt hat: im Kloster.

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