Lina, die Lehrmeisterin in Sachen Liebe

Vanessa und Stefan verloren ihr einziges Kind. Lina wurde nur vier Jahre alt. Durch eine Erbkrankheit starb Lina.
Lauterach Bis zum Ausbruch der Krankheit im Dezember 2020 wussten Vanessa (31) und Stefan (30) nicht, dass Lina, ihr Sonnenschein und einziges Kind, mit einem Gendefekt zur Welt gekommen war, der unausweichlich zu einer mitochondrialen Erkrankung und schließlich zum Tod führt.

„Lina war ein absolutes Wunschkind und von der ersten Minute an etwas Besonderes“, erzählt Vanessa Micheli, die verwaiste Mutter. Linas Liebe zu Menschen und Tieren sei auffallend gewesen. „Sie war sehr offen, fremdelte nicht und lächelte jeden an.“ Auch zu Tieren hatte sie einen besonderen Draht. „Wilde Katzen ließen sich von ihr streicheln.“ Die drei Familienhunde waren ihre Freunde. „Vor allem zu Balu hatte sie eine besondere Verbindung. Als Lina gestorben war, suchte Balu sie überall im Haus. Ich sagte ihm, dass Lina nicht mehr kommt. Da winselte er.“

Das kleine Mädchen war hart im Nehmen. „Sie hatte eine hohe Schmerzgrenze. Wenn sie sich wehgetan hatte, weinte sie nur kurz.“ Ihr Wille sei stark, ja eisern gewesen. „Als Lina laufen lernte, fiel sie sehr, sehr oft hin. Sie stand immer wieder auf. Ihre Ausdauer und Kraft waren unglaublich.“ Für die Mama war Lina ein Vorbild in Sachen Stärke. „Deshalb nannte ich sie ,meine kleine Pusteblume‘, weil der Löwenzahn unter widrigsten Bedingungen wächst und sich sogar durch Beton kämpfen kann.“ Bevor Lina starb, versprach ihr Vanessa: „Ich werde deine Stärke weitertragen und mein Bestes geben.“

Die 31-Jährige ist dankbar, dass sie ihrem Kind noch alles sagen konnte, bevor es in ihren und Stefans Armen am 6. März 2021 starb. „Ich sagte Lina, dass wir sie lieben und stolz auf sie sind und dass es uns leidtut, dass wir nicht helfen konnten und sie nur so kurz da war.“ Lina wurde nicht einmal vier Jahre alt. Aber ihr Leben war nicht umsonst. „Lina war für uns beide eine große Lehrmeisterin in Sachen bedingungsloser Liebe, Mut und Stärke.“ In erster Linie aber war sie ein Geschenk, so empfinden es die verwaisten Eltern. „Es gibt nichts Schöneres als ein Kind zu haben. Es gibt einem so viel. Einem Kind ist es egal, wie du bist. Es liebt dich, einfach weil du seine Mama oder sein Papa bist.“


Vanessas Blick wandert zu einem Foto, auf dem ihr ihre süße kleine Tochter entgegenlächelt. Wie gebannt schaut sie auf ihr Kind. Dann sagt sie plötzlich in den stillen Raum hinein: „Lina ist nicht tot. Sie lebt weiter. Die verstorbenen Menschen sind noch da. Im nächsten Leben kommen die Seelen wieder zusammen.“
Der Lauteracherin war immer schon klar, „dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt als unsere Schulweisheit sich träumen lässt“. Deshalb wunderte sie sich auch nicht, als vor und nach dem Tod ihrer Tochter merkwürdige Dinge passierten. Linas engster Freund Lennox etwa, mit dem Lina häufig spielte, fing ein paar Stunden vor ihrem Tod wie aus dem Nichts bitterlich zu weinen an und betastete mehrmals ein Foto, das ihn zusammen mit Lina zeigte. „Lennox war nicht zu beruhigen, obwohl ihn sein Vater pausenlos umhertrug.“ Drei Tage nach Linas Tod spürte Vanessa ihre Präsenz. „Mich überkam ein wohliges Gefühl – es war, als ob jemand mit mir kuscheln würde.“

Die trauernden Eltern hätten gerne wieder ein Kind. „Für mich ist es das Höchste“, sagt Stefan. Auch Vanessa würde liebend gerne noch einmal Mama werden. „Die Wahrscheinlichkeit wäre aber sehr hoch, dass wir wieder ein Kind bekommen, das die Erbkrankheit hat. Denn sowohl Stefan als auch ich haben diesen Gendefekt.“ Unweigerlich muss Stefan an die Worte einer Ärztin im Spital denken. „Sie meinte, dass ein Lottosechser wahrscheinlicher ist als dass zwei Menschen mit demselben Gendefekt zusammenkommen.“


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