Ina Regen: “Es haben mich massive Selbstzweifel begleitet”

Ina Regen spricht im VN-Interview über neue Songs und warum es erfolgreichen Frauen in der Öffentlichkeit nicht leicht gemacht wird.
Dornbirn Ina Regen kehrt mit ihrem dritten Studioalbum zurück. Ihre neue Platte “Fast wie Radlfahrn” hat die österreichische Musikerin unter ihrem eigenen Label veröffentlicht. “Ich glaube, das Album ist lebendiger, lebensbejahender und leichter geworden”, sagt die Künstlerin im Gespräch mit den VN. Im Interview berichtet die 38-Jährige auch über Klischees von erfolgreichen Frauen in der Öffentlichkeit und ihr bevorstehendes Konzert im Conrad Sohm in Dornbirn.
Mit “Fast wie Radlfahrn” veröffentlichen Sie Ihr drittes Album. Wie haben Sie sich persönlich und musikalisch weiterentwickelt?
Ich glaube, das Album ist lebendiger, lebensbejahender und leichter geworden. Das spiegelt sich auch auf dem Albumcover wider, das bunter ist. Es spielt auch jede Menge Zuversicht mit, auch wenn es uns die Umstände momentan sehr schwer machen. Ich habe das Gefühl, dass ich im Prozess experimentierfreudiger war, ich konnte mehr zulassen und war weniger fixiert auf ein bestimmtes Ergebnis. Ich habe mich irgendwie selber überraschen lassen, was am Ende dabei herauskommt.

Gab es einen bestimmten Auslöser dafür, dass Sie es dieses Mal anders angehen wollten?
Beim ersten Album musste ich mich erst einmal in meiner Muttersprache zurechtfinden und herausfinden, wie ich poetisch mit dem Dialekt umgehe. Das zweite Album war dann stark von der Pandemie geprägt. Beide Prozesse waren oft von massiven Selbstzweifeln begleitet. Ich wusste nicht, ob ich das überhaupt kann. Bei meinem zweiten Album habe ich mich als Komponistin und Texterin einfach nicht gut genug gefühlt. Ich wusste aber, dass ich mein Leben lang Musik machen möchte. Also habe ich nach Möglichkeiten gesucht. Ich habe dann mit unterschiedlichen Songwriting-Teams gearbeitet, mit Menschen, denen ich vertraue und die mir diese Sicherheit von außen gegeben haben, die mir eine Zeit lang im Inneren lang gefehlt hat. Das hat gut funktioniert.

apa/HANS KLAUS TECHT
Sie haben inzwischen Ihr eigenes Label. Warum war Ihnen das ein Anliegen?
Ich lerne mich immer besser selber kennen. Ich bin eine Person, die es immer allen recht machen möchte. Wenn ich einen großen Label-Chef über mir habe, der eine gewisse Erwartungshaltung an mich hat, versuche ich diese auch mit aller Kraft zu erfüllen. Das reißt mich zu viel von mir selber weg, vor allem von meinem inneren Künstlerinnen-Sein. Ich habe gemerkt, dass ich diesen Spagat sehr schwer schaffe. Ich möchte mir aber selber vertrauen und meinem eigenen Instinkt folgen.
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Sie sagen, wenn Sie Ihrer Schaffensperiode eine Überschrift geben müssten, wäre das die “Emanzipation”. Wie wichtig ist diese für Sie in künstlerischer Hinsicht?
Ich glaube nicht, dass ich einfach nur stur meinen Kopf durchsetzen will – so wie ein kleines trotziges Kind (lacht). Mir geht es viel um Wahrhaftigkeit und dass ich mir selber treu bleibe – und das möglichst in jeder Lebenslage. Ich habe das Gefühl, dass ich künstlerisch mein Innerstes beschützen möchte. Wenn jemand zu viel eingreifen möchte, dann bekomme ich mittlerweile sehr schnell einen Befreiungsdrang (lacht).
In einem Interview haben Sie gesagt, dass es nach wie vor Klischees rund um erfolgreiche Frauen in der Öffentlichkeit gibt. Mit welchen Hürden hatten Sie bereits zu kämpfen?
Ich habe schon das Gefühl, dass die Öffentlichkeit mit erfolgreichen Frauen anders umgeht als mit erfolgreichen Männern und dass man Frauen weniger Erfolg aufgrund ihrer Leistung zugestehen kann. Da sucht man dann ganz schnell nach anderen Begründungen. Da kommt dann schnell die Optik in Spiel, aber auch sexuelle Vorverurteilungen, dass sich die Frau ihren Erfolg sicher irgendwie anders verdient haben muss. Ich habe das Gefühl, dass diese Dinge manchmal subtil mitschwingen. Frauen lässt man viel weniger aufgrund ihrer Leistungen erfolgreich sein. Dieser Thematik bin ich schon in vielen Facetten begegnet. Ganz konkret fällt mir spontan nichts ein, aber wahrscheinlich genau darum, weil es mir schon so oft subtil begegnet ist, dass man irgendwann aufhört, das zu benennen.

Wie wichtig ist es Ihnen als Künstlerin, Ihre Stimme für solche Themen zu erheben?
Das ist mir immer wichtiger geworden. Am Anfang wollte ich einfach nur Sängerin und Musikerin sein. Mit der Bedeutung, die meine Debütsingle “Wia a Kind” im Leben von vielen Menschen bekommen hat, habe ich recht schnell gespürt, was meine Verantwortung ist. Ich bekomme regelmäßig E-Mails von 13-, 14-jährigen Mädchen, aber auch von 50-jährigen gestandenen Frauen, die in mir so etwas wie eine große Schwester, ein Vobild sehen. Das ist mir sehr früh in meiner Karriere begegnet. Ich habe gesehen, wie groß die Sehnsucht nach Frauen in der Öffentlichkeit ist, die auch Missstände benennen.
Wo liegen bei Ihnen die Grenzen?
Die Grenzen ziehen manchmal andere. Ich selber weiß, dass ich mich nicht parteipolitisch einer Farbe zuordnen lassen möchte. Gleichzeitig lebe ich in einer Philosophie, in der ich das Gefühl habe, dass jede Alltagshandlung eine politische ist. Gerade weil meine Musik so persönlich ist, sind immer wieder politische, gesellschaftskritische, mahnende oder auch hoffnungsvolle Facetten mit dabei. Wenn man nicht bereit ist, dass man ganz genau sagt, was man gerade über die Welt denkt, bleibt es oberflächlich und austauschbar und das ist etwas, was ich nicht sein möchte.
Zurück zu Ihrem neuen Album. Gibt es einen Song, der eine besondere Bedeutung für Sie hat? Einen Lieblingssong?
Ja und nein. Das wäre irgendwie so, als ob ich mir von meinen elf Kindern mein Lieblingskind aussuchen möchte (lacht). Einer, der für mich eine besondere Kraft hat, ist “Unwahrscheinlichkeit”, weil er diese große Sehnsucht hat, dass wir Menschen mit unserem Leben das richtige machen. Ich habe das Gefühl, dass wir gerade an so vielen Knackpunken stehen. Zum einen wird mit Chat GPT die intelligenteste, vielleicht aber auch gefährlichste Intelligenz auf uns losgelassen. Gleichzeitig haben wir eine große Klimakrise und einen Krieg vor unserer Haustüre. Wir haben gerade eine globale Pandemie irgendwie in den Griff gekriegt, wo wir uns mit den Folgen und Schäden noch Monate, wenn nicht Jahre beschäftigen müssen. Es herrscht eine Zerreißpropbenzeit. Manchmal habe ich das Gefühl, man hat keine Lösungen, sondern nur noch Hoffnungen und Utopien. Und das kommt in diesem Song zum Ausdruck.

Was darf sich das Publikum von deinem Konzert im Conrad Sohm erwarten? Wird es genauso bunt, wie das Albumcover vermuten lässt?
Optisch nein (lacht), da muss ich die Erwartungshaltungen brechen. Inhaltlich aber auf jeden Fall. Musikalisch ist es ein Abend, der dazu einladen will, dass wir uns in all unseren Facetten als Menschen gut spüren und ausleben dürfen. Es wird jedenfalls lebendig, leicht und tanzbar. Ich wünsche mir, dass die Leute wild eskalieren, gleichzeitig wird es auch tief berührende und stille, intime Momente geben. Wir haben den Fokus auf ein einmaliges Liveerlebnis gelegt.
Ina Regen ist am 22. April im Conrad Sohm zu Gast; Einlass: 19 Uhr; Beginn: 20 Uhr
www.conradsohm.at, Tickets online und an der Abendkassa
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