Loslassen ist schwierig

Emma Winkler engagiert sich mit viel Nachdruck für den Verein Einzigartig.
BARTHOLOMÄBERG Sie strahlt einen unverwüstlichen Optimismus und viel Fröhlichkeit aus. Emma Winkler ist eine, die anpackt – und das in allen Lebenslagen. Für sie sind Widerstände da, um überwunden zu werden. Und das mit viel Tatkraft und Struktur, denn die in Buch geborene Frau ist ein Organisationstalent. Diese Eigenschaften kommen ihr als Mutter von Leonie und als Obfrau des Vereins Einzigartig sowie in vielen anderen Belangen zugute.
Prägende Erfahrung
Leonie wurde vor acht Jahren im Landeskrankenhaus Bludenz geboren. „Ich hatte eine feine Schwangerschaft und habe normal entbunden. Leonie wurde jedoch schon am Tag nach der Geburt ins Landeskrankenhaus Feldkirch gebracht. Dort wurden drei Wochen lang Tests mit ihr gemacht. Durch einen Sauerstoffmangel bei der Geburt oder in der Schwangerschaft wurde ihr Gehirn stark geschädigt, sie ist daher geistig und körperlich beeinträchtigt“, erzählt Emma Winkler von der schicksalshaften Wende in ihrem bisherigen Leben. Die Beeinträchtigung Leonies sei nicht gleich sichtbar gewesen: „Ein Down-Syndrom erkennt man beispielsweise bei einem Neugeborenen sofort. Bei Leonie war einfach alles dran und sie wirkte perfekt. Ich war fasziniert von ihr. Mit einer Behinderung habe ich einfach nicht gerechnet.“ Von den Ärzten erhielt sie Auskunft, dass Leonie das erste Jahr nicht überleben werde. Ihre Reaktion darauf war: „Gut, dann machen wir es uns einfach zu Hause schön. Wir haben es fein – und Leonie wird heuer neun Jahre alt.“
Durchsetzungskraft
„Fein“ ist ein Wort, das Emma Winkler gerne verwendet. Das Fein-sein spiegelt sich auch in ihrem Umgang mit Leonie. Das Mädchen wirkt wie ihre Mama glücklich und ausgeglichen. Die beiden bilden ein harmonisches Duo. Wobei Emma Winkler betont: „Ich habe durch Leonie viel gelernt. Es gilt auch immer wieder, Stopp zu sagen und auf sich selber zu achten. Das habe ich früher zu wenig beachtet. Ich kann mich durchaus auch über Dinge aufregen – vor allem wenn etwas unfair abläuft. Aber dann ist es mir wichtiger, diese Ungerechtigkeiten als Antrieb zu nehmen und aktiv etwas zu unternehmen.“ Emma Winkler kommt aus einer Großfamilie, sie ist die Jüngste von sieben Kindern: „Bei so vielen Geschwistern lernt man, sich durchzusetzen. Das bedeutet aber auch, einen Durchsetzungswillen zu entwickeln. Wenn man etwas will, muss man dahinterstehen, sich vernetzen und eine Veränderung zumindest anstreben.“
Austausch mit anderen
Emma Winkler ist außerdem ein Vereinsmensch. Sie liebt den Kontakt mit anderen Menschen: „Ich wohne gerne in Bartholomäberg. Es liegt an mir, hinauszugehen und Kontakte zu knüpfen. Und das gerade auch mit einer Tochter mit Beeinträchtigung.“ Dieser Austausch wird auch im Verein Einzigartig gepflegt, dessen Obfrau sie ist: „In unserem Verein treffen sich Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen. Wir befinden uns alle in einer speziellen Situation und weisen zum Teil ähnliche und doch wiederum unterschiedliche Erfahrungswerte auf. Man fühlt sich dadurch nicht so alleine. Der Austausch ist jedoch nicht rein informativ, es wird auch viel Wert auf Spaß und gemeinsame Unternehmungen gelegt.“ Für sie ist es als Obfrau des Vereins wichtig, dass Menschen nicht schubladisiert werden: „Laut der UN-Charta haben alle Menschen ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die das alltägliche Leben erleichtern wie etwa eine entsprechende Barrierefreiheit. Ganz wichtig ist mir allerdings der Schutz aller Beteiligten. Jede Eltern-Kind-Konstellation ist einzigartig.“
Bittsteller-Position
Im Verein Einzigartig gilt es auch, unterschiedliche Themenspektren abzudecken: „Ich kann gut bei Themen wie Kindergarten, Schule und Integration mitreden. Doch wie es ist, ein erwachsenes Kind mit Beeinträchtigung zu haben, kenne ich nicht – was es beispielsweise für die Wohnsituation, Arbeit, Beziehungen und viele andere Dinge bedeutet. Es ist ungemein schwierig, ein Kind, dem man sich jahrelang so intensiv widmet, dann loszulassen. Daran mag ich noch gar nicht denken.“ Emma Winkler sieht die Situation von Menschen mit Beeinträchtigung in Vorarlberg kritisch: „Es geschieht zwar von der politischen und gesellschaftlichen Seite her einiges. Aber da ist noch viel Luft nach oben. Als Mama wird man nach wie vor allzu oft in die Bittsteller-Position gedrückt.“ Heute Abend präsentiert sich übrigens der Verein Einzigartig bei der Veranstaltung Vielfalt.Leben um 19 Uhr im Bildungshaus Batschuns. BI
„Ich habe durch Leonie viel gelernt. Es gilt auch Stopp zu sagen und auf sich zu achten.“



Zur Person
EMMA WINKLER
Geboren 12. September 1974
verheiratet mit Bernd, Tochter Leonie (8 Jahre)
Wohnort Bartholomäberg
Beruflicher Werdegang Hotel- und Gastgewerbeassistentin, akad. geprüfte Tourismusmanagerin (WU Wien), weltweite berufliche Tätigkeit.
Hobbys Wellnesstage in St. Margareten, Skifahren mit Leonie (mit bi-Ski), Wandern, Vereinstätigkeit
Lebensmotto: Carpe diem – nutze den Tag, um im Hier und Jetzt zu leben.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.