Vom Talent zum Vorbild

Menschen / 31.05.2023 • 16:16 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Verena Müllers Herz schlägt seit über 20 Jahren für den Fußballsport. Selina Meier

Physiotherapeutin Verena Müller ist Kapitänin der SPG Altach/Vorderland. Am Wochenende wird die 27-Jährige ihre herausragende Fußballkarriere beenden.

Altach Noch vor einigen Jahren hätte Verena Müller nicht einmal im Traum daran gedacht, dass sie eines Tages einen Teil Sportgeschichte mitschreiben würde. Und auch nicht, einen Umkleidekabinen-Platz in einem Fußball-Profi-Campus zu haben. “Irgendwie habe ich das alles noch gar nicht realisiert”, sagt die Kapitänin der SPG Altach/Vorderland und lässt ihren Blick über die Sportaufnahmen an der Wand des Campus-Besprechungszimmers gleiten, welche sie und ihre Mitspielerinnen zeigen.

Historischer Jubel: Die Kickerinnen der SPG Altach/Vorderland bezwangen die seit fünf Jahren ungeschlagenen St. Pöltnerinnen. SCRA

Vor Kurzem haben die Vorarlberger Bundesliga-Kickerinnen die Superserie des Serienmeisters St. Pölten beendet. Die Niederösterreicherinnen waren bis dahin auf nationaler Ebene fünf Jahre ungeschlagen. “Mir geht das Herz auf, wenn ich an unseren Erfolg denke. Das ist pure Freude”, versucht Müller ihre Emotionen hinsichtlich des historischen Siegs in Worte zu fassen.

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Auf dem Rasen ging es für sie sportlich vom ersten Schnuppertraining mit vier Jahren in Übersaxen, Meistertiteln, dem Bundesliga-Aufstieg und Einzug ins ÖFB-Frauen-Cupfinale in den vergangenen Jahren stetig aufwärts. Abseits des Grüns hatte sie allerdings lange zu kämpfen. Nicht nur als Frau auf dem Fußballplatz, sondern auch damit, dass Menschen oft über ihr Äußeres definiert werden.

Verena Müller beweist auf und abseits des Rasens Stärke. <span class="copyright">Selina Meier</span>
Verena Müller beweist auf und abseits des Rasens Stärke. Selina Meier

Müller leidet nämlich an kreisrundem Haarausfall. Einer Autoimmunerkrankung, die bis zum kompletten Haarausfall führen kann. “Mit 16 Jahren habe ich das erstmals richtig wahrgenommen. Ich hatte aber lange Haare und konnte die Stelle gut verdecken”, erinnert sie sich und fügt hinzu: “Mit 20 habe ich dann plötzlich wieder eine kahle Stelle entdeckt. Diese hat sich innerhalb kürzester Zeit vergrößert.”

2018 wurde Verena Müller bei der Fußball Galanacht zum zweiten Mal als Fußballerin des Jahres ausgezeichnet. <span class="copyright">VN/Lerch</span>
2018 wurde Verena Müller bei der Fußball Galanacht zum zweiten Mal als Fußballerin des Jahres ausgezeichnet. VN/Lerch

Wenig später entdeckte sie morgens Haarbüschel auf dem Kopfkissen und nach dem Föhnen am Boden. Erst versuchte sie die handflächengroßen kahlen Stellen noch mit zusammengebundenen Haaren zu verdecken. Als dies nicht mehr ging, entschied sie sich schließlich, die Haare abzurasieren. “Im ersten Moment war es ein befreiendes Gefühl, die Stellen nicht mehr verstecken zu müssen”, erzählt sie und ergänzt: “Ich tat mir anfangs aber schwer dazu zu stehen.” Gedanken machte sie sich vor allem auch, ihre Glatze vor ihren Kolleginnen und Kollegen in der Physiotherapeuten-Ausbildung und ihren Mannschaftskolleginnen zu entblößen.

Um abzuschalten begibt sich die 26-Jährige gerne in die Natur und die Höhe. <span class="copyright">Müller</span>
Um abzuschalten begibt sich die 26-Jährige gerne in die Natur und die Höhe. Müller

Mit Unterstützung von Familie und Freunden traute sie sich aber bald, den Schritt zu wagen. “Es gab viele positive, aber auch negative Reaktionen und schräge Blicke”, erzählt Müller rückblickend. Den Gedanken, eine Perücke zu tragen, hatte sie schnell verworfen. “Es hat sich einfach falsch angefühlt, im Alltag eine zu tragen und beim Fußballspiel nicht.”

Nicht nur auf dem Rasen, sondern auch im Schnee fühlt sie sich wohl. <span class="copyright">Müller</span>
Nicht nur auf dem Rasen, sondern auch im Schnee fühlt sie sich wohl. Müller

Verschiedene Therapien führten nicht zum erhofften Erfolg und sie hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen. Früher sei es ihr sehr wichtig gewesen, was andere denken. Inzwischen ist es der jungen Frau gelungen, die Situation zu akzeptieren. “Natürlich habe ich den Wunsch, wieder Haare zu kriegen, aber ich kann das nicht beeinflussen.”

Mir geht das Herz auf, wenn ich an unseren Erfolg denke. Das ist pure Freude.

Verena Müller, Kapitänin SPG Altach/Vorderland

Um Kraft zu tanken, geht Müller gerne wandern, Ski fahren oder auf Skitouren. “In der Höhe und in der Natur kann ich voll abschalten. Leider habe ich halt wenig Zeit”, erzählt die 27-Jährige. Neben ihrem Job als Physiotherapeutin steht viermal die Woche abends noch Fußballtraining an. Bei Auswärtsspielen ist sie oft auch noch das ganze Wochenende unterwegs. “Das ist natürlich schon intensiv und man wird nicht jünger”, meint Müller. Am kommenden Sonntag wird sie ihr letztes Bundesligaspiel bestreiten.

Skitouren zählen ebenso zu den Hobbys der Sulnerin. <span class="copyright">Müller</span>
Skitouren zählen ebenso zu den Hobbys der Sulnerin. Müller

Was die Situation im Frauenfußball angeht, so freut sich die langjährige Kapitänin über steigende Zuschauerzahlen und zunehmende mediale Präsenz. Allerdings müsse die Sache mit der Entlohnung noch richtig vorangetrieben werden, ist sie sich sicher.

Zur Person

Verena Müller

geboren 25.10.1995

Wohnort Sulz

Beruf Physiotherapeutin

Verein FFC Vorderland

Position Innenverteidigerin

Lebensmotto Lachen hilft immer

Verena Müller und ihre Mitspielerinnen haben einen eigenen Trakt im Altacher Profi-Campus zur Verfügung. <span class="copyright">VN/Fetz</span>
Verena Müller und ihre Mitspielerinnen haben einen eigenen Trakt im Altacher Profi-Campus zur Verfügung. VN/Fetz

Am kommenden Sonntag schließt die SPG Altach/Vorderland um 11 Uhr mit dem Spiel gegen FK Austria Wien ihre erfolgreiche Bundesligasaison ab. Um 10:50 wird die langjährige Kapitänin Verena Müller gebührend verabschiedet.

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