Vom Material zum Menschen

Götzis Eine tiefer gehende Erklärung für seine Hingabe zum Pflegeberuf hätte David Ylmaz gar nicht liefern können. „Ich gebe Ihnen ein Beispiel“, sagt der 34-Jährige auf die Frage, warum denn Pfleger sein Traumberuf sei. „Ich wasche einen gebrechlichen Menschen mit einem Waschlappen. Banale Körperpflege ist das, wird sich jeder zu Recht denken. Ist es natürlich auch. Aber es ist eben viel mehr als das. Je nach seelischem Zustand meines Klienten tut ihm ein sanftes Waschen gut, oder ein kräftigeres und schnelleres. Wasche ich ihn schnell, verschafft ihm das eine Aktivierung, die er für seine seelische Verfassung braucht. Sanfte Berührungen mit dem Waschlappen können ihn beruhigen. Du lernst zu spüren, was deinem Klienten guttut. Gelingt dir das, tut es auch dir gut.“

Lernen von den Bienen

Gepflegt hat David Ylmaz schon als kleiner Bub. Und zwar Bienen. Der Sohn eines türkischstämmigen Vaters und einer holländischen Mutter wuchs in Dalaas auf. Da gab es einen Nachbarn, der Bienen züchtete. „Mich hat das fasziniert. Ich war oft bei ihm, habe ihm geholfen und schuf mir bald selber Bienenvölker an.“ Gelehrt haben ihn die Bienen einiges. „Sie zwingen dich zu Ruhe und Konzentration. Wenn du die nicht aufbringst, lassen sie dich das sofort spüren“, denkt Ylmaz an manche Stiche zurück.

Nach der Pflichtschule begann der Bub eine Tischlerlehre, die er 2008 abschloss. Auch den Meister machte er, wechselte anschließend zwischen Werkbank und Büro und arbeitete in verschiedenen Betrieben.

Die Entscheidung

Nebenbei engagierte sich der umtriebige Klostertaler im Bludenzer Rettungsdienst, fuhr Einsätze und machte dabei beeindruckende Erfahrungen. Bald fasst er den Entschluss: „Ich will was Neues, ich will Pfleger werden.“ Gesagt und umgesetzt. Er machte die Ausbildung mit Schwerpunkt psychiatrische Betreuung. „Mir war die Arbeit mit Menschen wichtig, und ich sah eine Vielfalt von Möglichkeiten der Weiterentwicklung.“ Dabei immer im Mittelpunkt: die Bedürfnisse seiner Klienten.

In der Akut-Psychiatrie am Landeskrankenhaus Rankweil bewies er Durchhaltevermögen gleichwohl wie viel Gefühl für die Patienten. Durchdrungen vom Bewusstsein: „Menschen, die in der Aktut-Psychiatrie landen, sind nicht böse, sondern in einer Notsituation.“

Liebe zum Beruf

Die arbeitszeitliche Überbelastung ließ David Ylmaz 2022 trotzdem neue Pfade betreten. Nach Beendigung einer Management-Ausbildung übernahm der nun in Dornbirn lebende Tausendsassa die Hauskrankenpflege in Götzis. Dort führt er neun MitarbeiterInnen, nicht ohne jedoch selbst pflegebedürftige Menschen zu betreuen. „Pflege ist so viel, so komplex und auch so schön“, schwärmt Ylmaz von seinem Beruf. Die Kraft dafür holt er sich immer noch bei seinen Bienen. Neuerdings aber auch beim Fischen und beim Motorradfahren. VN-HK

„Mir war die Arbeit mit Menschen wichtiger. Ich sah tolle Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.“