Was Tempo 100 auf der Autobahn wirklich bringt

Mobilität / 27.07.2022 • 12:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Was Tempo 100 auf der Autobahn wirklich bringt
Canva, APA/GIndl

Tempo 100 statt 130: Zwischen Allheilmittel und Wunschdenken, und wie man tatsächlich Sprit spart.

Schwarzach, Wien Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat bereits angekündigt, dass man in Österreich vorerst nicht mit reduzierten Höchstgeschwindigkeiten rechnen muss. Befürworter betonen vor allem den Vorteil, wer langsamer fährt, verbraucht weniger Treibstoff und hilft somit dem Klima und schadet den russischen Erdölexporten. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Die Frage, wie viel Sprit gespart wird, lässt sich nicht ganz einfach beantworten. Das Umweltbundesamt zog die Abgaswerte heran und schloss vom CO2-Ausstoß auf den Treibstoffverbrauch. Nach dieser Berechnung spart man sich bei Tempo 100 genau 23 Prozent des Treibstoffs, den man für eine Geschwindigkeit von 130 km/h benötigen würde (siehe Grafik). Eine Zahl, die auch der VCÖ gern zitiert. Diese kann man jedoch als Laborwerte betrachten, gehen sie doch von einer konstanten Fahrweise aus. Der ÖAMTC blickt lieber auf das große Ganze. Demnach macht es auf den gesamten Treibstoffverbrauch in Österreich nur eine Ersparnis von maximal drei Prozent aus. Denn längst nicht jede Fahrt findet auf der Autobahn statt.

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Was tatsächlich möglich ist

“Das theoretische Potenzial ist hoch, aber es bleibt letztendlich Wunschdenken”, erklärt Bernhard Geringer. Er ist Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien. Denn im realen Straßenverkehr lassen sich die vom Umweltbundesamt genannten Werte nicht erreichen. Entsprechend dem Handbuch der Emissionsfaktoren im Straßenverkehr, das auf jahrelangen Forschungen beruht, ist nur ein Viertel des Autobahnverkehrs flüssig. Geringer schätzt die tatsächlich mögliche Spritersparnis daher eher auf 5,5 bis sechs Prozent ein.

Auch der Fokus rein auf Pkws kritisiert der Forscher. “Beim Verbrauch zählt das gesamte Verkehrsaufkommen, nicht nur der Pkw”, betont Geringer. Der Schwerverkehr mit Bus und Lkw macht unter der Woche über 60 Prozent aus, auch am Wochenende kommt der Pkw nur auf etwa zwei Drittel des Gesamtverkehrsaufkommens. Bus und Lkw wären jedoch von einer reduzierten Höchstgeschwindigkeit kaum betroffen. Und auch die Faustregel, je langsamer, desto effizienter gilt nicht.

Viele Einflussfaktoren

Allgemein gilt, die höchste Effizienz wird bei Geschwindigkeiten von 60 bis 80 km/h erreicht. Im stockenden Verkehr und im Stau steigt der Verbrauch wiederum an. Neben der Effektivität der Verbrennung im Motor spielen bei niedrigen Geschwindigkeiten der Rollwiderstand der Räder, bei hohen Geschwindigkeiten der Luftwiderstand ebenfalls eine wichtige Rolle in der Effizienzberechnung. Gerade letzterer steigt mit jedem zusätzlichen km/h quadratisch an und trifft wenig windschnittig geschnittene SUV besonders hart.

Hinzu kommen andere Umwelteinflüsse. Wer schneller fahrt, hat einen höheren Reifenabrieb und hinterlässt damit mehr Mikroplastik auf der Straße, das über Regen ins Grundwasser gelangen kann. Auch sind schnellere Fahrzeuge lauter und stoßen mehr Abgase aus.

Die nächste Frage ist, welches Fahrzeug man nutzt. Da für Lkw schon länger strengere Gesetze gelten als für Pkw, kann es sein, dass ein SUV mehr Stickoxide ausstößt als ein moderner Euro-VI-Lkw, obwohl letzterer den höheren Verbrauch hat. Zudem ist der Lkw-Motor auf die erlaubte Spitzengeschwindigkeit von 80 km/h hin optimiert.

Schlussendlich hat der Fahrstil den wohl größten Einfluss auf den Treibstoffverbrauch, und ob man bereit ist, auf manche Fahrten zu verzichten.

So fährt man Treibstoffsparend

– Nach dem Motorstart sofort losfahren, den Motor langsam warmfahren.

– Im höchstmöglichen Gang fahren. Die Grundregel ist dass die Zehnerstelle der Geschwindigkeit den Gang vorgibt. Also 3. Gang bei 30 km/h, 5. Gang ab 50 km/h.

– So spät wie möglich herunterschalten. Den optimalen Drehmoment kann man der Bedienungsanleitung entnehmen. Annäherungsmäßig gilt, dass man bei 2000 Umdrehungen meist schon hochschalten kann und erst knapp über 1000 Umdrehungen runterschalten muss. Bei Bedarf dürfen und sollten Gänge übersprungen werden.

– Rasch, aber kurz beschleunigen. Es spart mehr Treibstoff, “Gas” zu geben als sich an die gewünschte Geschwindigkeit langsam heranzutasten.

– Keine unnötigen Lasten mitführen. Dazu zählen auch Dachträger.

– Möglichst konstant und vorausschauend fahren, nicht dauernd abbremsen und beschleunigen.

– Rollphasen nutzen.

– Bei längeren Stehzeiten den Motor abschalten.

– Reifendruck kontrollieren und auch Serviceintervalle einhalten.

– Tempomat sinnvoll einsetzen. Er hilft auf der Ebene und der Autobahn, ist aber bei Bergetappen eher kontraproduktiv.

– Klimaanlagen und andere Bonussysteme nutzen, wenn sie für das Wohlbefinden und die Fahrtüchtigkeit notwendig sind. Ansonsten abschalten.