Wahrheit beim Verbrauch ein Stück näher

Motor / 03.11.2017 • 12:44 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Tests unter realen Bedingungen. Ab 1. September 2018 gibt es für Verbraruchsangaben eine neue Norm.
Tests unter realen Bedingungen. Ab 1. September 2018 gibt es für Verbraruchsangaben eine neue Norm.

Pkw-Hersteller beginnen damit, ihre Verbrauchsangaben auf die realitätsnähere Norm WLTP anzupassen.

Wolfsburg Normalerweise lässt Volkswagen niemand Fremden in den Wolfsburger Trakt mit der höchsten Sicherheitsstufe, dem Abgaszentrum. Schließlich werden hier alle kommenden Entwicklungen des Konzerns auf Verbrauch und Emissionen getestet. Doch Richard Preuß darf heute mal eine Ausnahme machen.

Denn der Herr über die mehr als 100 Millionen teuren 21 Prüfstände von VW soll für Transparenz sorgen – schon im Ansatz. Nach dem Höhepunkt der Dieselkrise geht es in den kommenden Monaten darum, für Vertrauen in neue Abgasnormen zu werben. In zehn Monaten muss jeder Neuwagen den Verbrauch nach der „Worldwide harmonized Light vehicle Test Procedure“ ausweisen. Und die Wahrheit hinter WLTP, sie wird weh tun.

Bei Preuß und seinen Mitarbeitern ist das schon jetzt der Fall: „Statt 40.000 machen wir inzwischen 55.000 Abgasmessungen im Jahr – und bald werden es 70.000 sein.“ Sechs Tage, zwei Schichten und Nachteinsätze sind angesagt. Sechs neue Prüfstände sind im Bau. WLTP ist eine Mammutaufgabe. Zehn Jahre lang haben Ausschüsse der Vereinten Nationen die globale Norm geplant, die endlich realistischere Verbrauchsangaben bringen soll. „Schon lange vor der Abgasaffäre“, wie Volkswagens Projektleiter für WLTP Jan Dossing betont. Die Vorfälle haben aber sicher den Prozess noch mal dramatisiert.

Die neue Norm für die Prüfstand-Tests setzt an mehreren Stellen an: Zunächst mal wurde dafür nicht wie beim Vorgänger NEFZ einfach in Fachkreisen am grünen Tisch ein genormter Testparcour definiert. Zwar pedantisch bei der Vorgabe für Reifen, zu verwendendem Öl oder exakter Temperatur – aber weltfremd in seinem Mix aus Schleichtempo von durchschnittlich 34 Stundenkilometern und Höchstgeschwindigkeit von mickrigen 120 für gerade einmal zehn Sekunden. Bei WLTP liegen reale Nutzungsdaten ganz normaler Autofahrer aus China, den USA, Indien oder Europa dem Testaufbau zugrunde. Im Unterschied zu NEFZ muss für die Typgenehmigung jetzt länger gefahren werden, mit weniger Stillstand, bei höheren Geschwindigkeiten bis zu mehr als 130 Stundenkilometern und auch bei kälteren Temperaturen.

Enormer Aufwand

Wichtigster Unterschied: „Es reicht jetzt nicht mehr, allein für eine Kombination von Motor und Getriebe einen allgemeingültigen Verbrauchswert zu bestimmen“, so Preuß. Stattdessen muss jede mögliche Kombination mit den verschiedenen möglichen Ausstattungen einzeln abgeprüft und genehmigt werden. Und zwar, wenn diese Option den Rollwiderstand verändert, das Gewicht oder die Aerodynamik. Also etwa der 1,2-Liter-Benziner mit DSG – aber mit und ohne Schiebedach, mit und ohne Dachspoiler, mit und ohne schwereren Metalliclack … und jede daraus mögliche Mischung, die der Kunde bestellen kann. „Das sind allein bei einem Golf etwa Tausende Kombinationen – ein Riesenaufwand“, so Preuß. Doch durch das Zubehör wird eben der Abgas- und Verbrauch bewegt. Und das blieb dem Kunden bisher verborgen, wenn er etwa nur die Verbrauchsdaten der Normalversion im Prospekt sah.

Deutliche Annäherung

Auch daher ist schon vor der Abgasaffäre mancher Frust der Verbraucher gekommen – wenn reale Verbrauchswerte und Normangaben der Hersteller ganz weit auseinanderklafften. Auch mit WLTP wird das natürlich noch passieren – zum Beispiel, wenn der Kunde gern mal später bremst, die Gänge ausfährt oder stärker beschleunigt. Die Norm-Werte werden aber dennoch dem wirklichen Verbrauch deutlich näherkommen, so Preuß.