Boote und Auto-Karosserien aus Kunststoff

Motor / 02.08.2019 • 10:08 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Kittelberger-Werkstattmeister Anton Vonach bei der Erprobung des Sportwagens mit der Kunststoff-Karosserie.Kittelberger/Rupp
Kittelberger-Werkstattmeister Anton Vonach bei der Erprobung des Sportwagens mit der Kunststoff-Karosserie.Kittelberger/Rupp

Wie die Kittelberger-Brüder einen Neubeginn machten.

Bregenz Im Mai 1945 stand Walter Kittelberger vor großen Herausforderungen, denn sein Betrieb ‚Flugzeugwerke Kittelberger‘ in Höchst war „von der französischen Besatzung zur Gänze beschlagnahmt und demontiert worden“. An seinem Stammsitz in Bregenz Neu Amerika versuchte Kittelberger einen Neubeginn. „Im November 1945 habe ich mit bescheidenen Mitteln meinen jetzigen Betrieb für die Erzeugung von Holzwaren gegründet“, erklärte er 1948. Zunächst wurden aus dem reichlich vorhandenen Material des Segelflugzeuglagers Paddelboote aus Holz gefertigt.

Kunstharz und Jute

„Zur Zeit stelle ich Automobil-Karosserien nach einem neuen, von mir selbst entwickelten Verfahren für den Volks-Sportwagen her. Außerdem ist auch die Herstellung von Ersatzkarosserien für DKW-Personenwagen sowie von Auto-Wohnanhängern geplant. Die Durchführung dieser Pläne sowie die Ausweitung des derzeitigen Programmes hängen von der Beschaffung der nötigen Räumlichkeiten ab“, erklärte Walter Kittelberger 1948. Im Frühling 1950 meldete Kittelberger in Deutschland seine Erfindung an. Diese „betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Fahrzeugbauteilen, insbesondere von Flugzeugbauteilen und Karosserien aller Art. Das Verfahren besteht darin, dass auf ein Formmodell in wechselnder Folge Schichten von Jute oder dergleichen und Kunstharzleim, der mit möglichst grobkörnigen Füllstoffen, wie Kunstharzpulver, Holzmehl, Steinmehl oder dergleichen versetzt ist, aufgetragen werden, wodurch die Schichten nach Trocknung unter Vermeidung jeder Pressung eine widerstandfähige Einheit bilden.“

Kunststoffkarosserie für „Denzel“

Seit 1947 beschäftigten sich Ferdinand Porsche und Wolfgang Denzel mit der Herstellung von Sportwagen. Als Basis dienten ehemalige Wehrmachtsfahrzeuge, vorwiegend handelte es sich um den sogenannten Kübelwagen von VW. Während Porsche auf das Leichtmetall Aluminium setzte und in Gmünd im Juni 1948 den Porsche 356 Nr. 1 Roadster präsentierte, bevorzugte Denzel eine Kunstharz-Karosserie. 1947 war Denzel auf die Firma Kittelberger in Bregenz gestoßen, die mit dem neuen Werkstoff Kunstharz arbeitete und daraus Boote herstellte.

Kittelberger-Betriebsobmann Clemens Groß reiste nach Wien und sah bei Denzel ein kleines Modell aus Knetmasse. In Bregenz entstand aus Lagen von Jute und Kunstharzschichten eine sehr leichte Karosserie, die in vorgefertigten Holzformen gefertigt wurde. Die Kunstharz-Karosserie wog nur 75 kg, was sich bei den späteren Teilnahmen an Autorennen positiv auswirkte.

Premiere in Bregenz

Ein Denzel-Mitarbeiter war mit einem tiefer gelegten VW-Chassis ohne Aufbau von Wien nach Bregenz gefahren, wo die Kunststoff-Karosserie montiert wurde. Der erste Denzel-Sportwagen wurde somit bei Kittelberger in Bregenz fertiggestellt. Aus Gründen der besseren Stabilität besaß das Fahrzeug keine Türen. Kittelberger fertigte noch weitere fünf Kunststoffkarosserien, zwei bereits mit Türen. Keines dieser sechs Fahrzeuge blieb bis in die Gegenwart erhalten. In der Praxis bewährten sich diese innovativen und formschönen Karosserien jedoch nicht, denn sie erwiesen als spröde und brüchig. 1949 stieg Denzel auf Stahl-Karosserien um. Kittelberger fertigte nun vorwiegend Kunststoff-Bootsschalen, bis er 1953 Bregenz verließ.

Karl Kittelberger und der „WD“-Sportwagen in Bregenz Neu Amerika (Anfang 1948)
Karl Kittelberger und der „WD“-Sportwagen in Bregenz Neu Amerika (Anfang 1948)

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