Strom und Proteste: Messe unter Spannung

Draußen Proteste, drinnen leere Ausstellungsflächen und elektrische Hoffnungsträger.
IAA Frankfurt Möglicherweise wird man sich in 20 Jahren an die 2019er-IAA als jene Messe erinnern, die nicht nur Volkswagen, sondern die gesamte deutsche Autobranche gerettet hat. Wenn es so kommt, dann wohl vor allem wegen des VW ID.3 – des ersten wirklich ernst gemeinten Elektroautos für große Bevölkerungsteile. Der geräumige Kompaktwagen soll zum Käfer, oder besser noch zum Golf des anbrechenden Elektrozeitalters werden und als Hoffnungsträger den Weg aus der Krise weisen. Ähnlich wie die beiden Klassiker soll der batteriebetriebene Fünftürer ein ganzes Marktsegment begründen und prägen. Knapp 30.000 Euro Startpreis, mindestens 330 Kilometer Reichweite und ein ansonsten beruhigend konventioneller Gesamteindruck sollen zunächst den bisherigen Golf- und Passat-Käufer überzeugen, dann der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen und schließlich seinem Hersteller saftige CO2-Strafzahlungen ersparen. VW hat darauf viel Geld gesetzt – so viel, dass ein Scheitern des Projekts für den Konzern eine lebensbedrohliche Katastrophe wäre.
Der ID.3 ist so gesehen wohl das wichtigste E-Auto der Messe, längst aber nicht das einzige. Im Windschatten des Wolfsburgers fahren zahlreiche neue Stromer mit Mainstream-Potenzial vor, in erster Linie Kleinwagen wie Opel Corsa e, Honda e und Mini Electric, die akzeptable Reichweiten mit einigermaßen fairen Preisen vereinen. Erstmals auf einer IAA kann sich der Durchschnittsbesucher die E-Mobilität also nicht nur anschauen, sondern auch leisten.
Es könnten sogar noch viel mehr elektrische und elektrifizierte Modelle im Scheinwerferlicht stehen, wären Marken wie Peugeot, Citroen oder Polestar in Frankfurt vertreten. Doch auch sie zählen zu den rund 30 Herstellern, die in diesem Jahr nicht auf der IAA vertreten sind.
Proteste vor den Hallen der IAA
Kernkompetenz der heimischen Autobauer ist seit Jahrzehnten das kräftig motorisierte fahrende Prestige-Objekt. Aktuell vor allem in Form von SUVs. Drei coupéhafte Premierenmodelle dürften dabei Kritiker der Branche besonders provozieren: BMW X6, Audi Q3 Sportback und Mercedes GLE Coupé verbrauchen viel Sprit und können das nicht durch überlegenes Platzangebot oder besonderen Nutzwert rechtfertigen. Eine perfekte Zielscheibe also für die Argumente von Umweltschützern und Klimaaktivisten, die die IAA öffentlichkeitswirksam als Symbol für alles nutzen, was in der Mobilität aktuell schiefläuft. Diesmal soll der Protest dagegen ein neues Niveau erreichen – ausgerechnet in dem Jahr, in dem die IAA sichtbar Schwäche zeigt.
Da hilft es wenig, wenn neben den Allrad-Wuchtbrummen elektrisch angetriebene Konzeptfahrzeuge stehen, bei Mercedes etwa der EQS, eine Oberklasselimousine mit Strommotor, die in den kommenden Jahren auf den Markt kommen soll. Das aktuelle, einträgliche Geschäftsmodell von heute trifft hier mit Wucht auf die Unsicherheiten einer künftigen, elektromobilen Welt. Dass man diese Polarisierung in Frankfurt so stark empfindet, liegt auch daran, dass „normale“ Autos diesmal nur eine Nebenrolle spielen. Der umfassend geliftete Opel Astra, BMWs neuer 1er und der Kia Xceed zählen zu den wenigen starken Brot-und-Butter-Premieren.
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