Ein elektrischer Golf-Schläger?

Der ID.3 ist die neue Strom-Hoffnung von VW. Gelingt mit ihm die Elektro-Wende?
VW Auf den ersten Blick ist alles, wie es war: kompakte Abmessungen, gefälliges, mehrheitsfähiges Design ohne Experimente. Äußerlich könnte der ID.3 theoretisch auch ein Golf sein, der ein Jahrzehnt übersprungen hat. Unter dem Blech ist aber alles anders: Elektromotor an der Hinterachse, Akkus im Unterboden geschlichtet, Steckdose statt Tankstutzen. VW ist nach wie vor im Wiedergutmachungs-Modus wegen des Abgasskandals und setzt jetzt voll auf Nullemissionen. Der ID.3 ist das erste einer ganzen Flotte von vollelektrischen Modellen, schon bald kommt das SUV ID.4, die kleineren ID.1 und 2 sind ebenfalls schon in der Pipeline.
Hohe Erwartungshaltung
Wenn Volkswagen ein neues Segment aufs Korn nimmt, dann immer ernsthaft und mit großem Erfolgsdruck. Auch beim ID.3 liegen die Erwartungen hoch: Schon 2021 soll er nach Vorstellung Wolfsburgs die Nummer eins auf dem E-Auto-Markt sein, die Vision geht Richtung eine Million verkaufte Stück per anno. Seine praktischen Talente werden ihm dabei nicht im Weg stehen: Das Raumkonzept ist ansprechend, die Bedienung simpel und intuitiv zu handhaben. Mit 204 PS als Gegenmittel zu knapp 1,75 Tonnen Leergewicht ist er ausreichend, aber nicht rasant motorisiert. Die Sitzposition entspricht dem Marktgeschmack, ist also beinahe SUV-artig hoch, Platzangebot und Stauraum sind großzügig ausgelegt.
Kleiner Wendekreis
Den Hinterradantrieb verheimlicht der ID.3 mit stoischer Spurtreue und neutralem, anspruchslosem Handling erfolgreich. Der mit nur 10,2 Metern äußerst knappe Wendekreis ist ein praktischer Nebeneffekt der neuen Technik, bei der zwischen den Vorderrädern kein Motor Platz beansprucht. Je nach Gusto und Geldbörse lässt sich der elektrische Newcomer mit jeder Menge High-Tech-Optionen aufbrezeln – allerdings muss er sich auch gerade deswegen Kritik gefallen lassen: Das zum Marktstart im August angebotene Einstiegsmodell Pro Performance mit einem Listenpreis von 35.000 Euro ist äußerst dürftig ausgestattet – und kann mit keinem Optionspaket mehr aufgebessert werden. Das ist erst ab der gehobeneren Variante Life zu 37.140 Euro möglich. Die weiteren Trimmlevels heißen Style, Business, Family, Tech und Max, bei dem die Preisliste mit 45.560 Euro endet. Die aktuellen E-Mobilitäts-Prämien sind hiervon jeweils noch abzuziehen. Wenig erfreulich ist angesichts dieser Tarife die Materialauswahl im Innenraum – hier dominiert Hartplastik mit Billigcharakter, auch die Haptik der Sitzstoffe ist alles andere als hochwertig, Schalter für die Bedienung der hinteren Fensterheber vom Fahrersitz aus wurden überhaupt wegrationalisiert.
Reichlich Reichweite
Positiv schneidet der Wolfsburger Stromer hingegen bei den reinen E-Antriebs-Talenten ab: Die Reichweite von 420 Kilometers ist nicht nur ein Katalogwert, sondern hält auch in der Praxis. Nur auf Autobahnpassagen sinkt sie wegen der geringen Rekuperationsmöglichkeiten um etwa ein Drittel. In 30 Minuten können die Akkus an einer Schnell-Ladesäule im Idealfall wieder Energie für 290 Kilometer aufnehmen. Wer dafür die Schuko-Steckdose daheim verwenden will, braucht deutlich mehr Geduld – und muss das aufpreispflichtige 220 Volt-Kabel dazu bestellen.
Der ID.3 ist ein rationaler und praktischer Beitrag zur E-Mobilität. Im Innenraum leistet er sich Schwächen.

– bei Materialqualität knausert VW aber.

Fakten und Daten
Motor/Antrieb Synchron-Elektromotor, 204 PS (150 kW), 310 Nm; 1-Gang-Getriebe; Hinterradantrieb
Fahrleistung/Verbrauch 0-100 km/h 7,3 Sek., Höchstgeschwindigkeit 160 km/h, 13,6 kWh/100 km, Reichweite 426 km
Preis 35.000 Euro
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