Ein Stück Urbanität für Lustenau

02.09.2023 • 05:30 Uhr / 8 Minuten Lesezeit

Das Atelier Ender plante ein Wohnquartier um einen schönen Platz mit Kopfbauten, Eltern-Kind-Zentrum und Café für Jung und Alt.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer

Lustenau Ein fünf- und ein sechsgeschossiger Bauteil bilden an der Kreuzung zur stark befahrenen Holzstraße im Zentrum von Lustenau den Auftakt zur neuen Wohnanlage am Pfarrweg. Das Atelier Ender setzte zwei verschiedene skulpturale, abgetreppte Baukörper auf das 5.500 m2 große Areal. Ein Eltern-Kind-Zentrum, ein Tagescafé, ein Lokal und 53 Wohneinheiten – davon 24 betreut – gruppieren sich um das Herz der Anlage. Es ist der schön gestaltete, öffentliche Freiraum, in dem einander alle begegnen.

Ein Stück Urbanität für Lustenau
Auftakt: An der Kreuzung ragt der Baukörper fünf Geschosse hoch, von dort treppt er sich segmentweise um je ein Stockwerk bis drei Geschossen an seinem südlichen Ende ab.

Wie es sich gehört für ein Dorf, schlängelt sich der Pfarrweg vom Kirchplatz weg am Friedhof und der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul vorbei durch das Zentrum von Lustenau. Er quert den gemeinschaftlichen „Lust.Garten Permatop“ und wird dann zu einer Art Boulevard, der an der Kreuzung mit der stark befahrenen Holzstraße in einen üppig begrünten Platz mit Cortenstahlbrunnen und Fahrradständern einmündet. Dieser bildet das soziale Zentrum der Wohnanlage am Pfarrweg, von dem sich wie Adern weitere Wege in die Stadt verzweigen.

Ein Stück Urbanität für Lustenau
Urban: Dieser weitläufige Platz an der Kreuzung, der weiter in den Pfarrweg einmündet, ist das soziale Herz der Anlage mit 53 Wohnungen, Tageszentrum und Kinderbetreuung.

Die Marktgemeinde realisierte dieses kleine Quartier gemeinsam mit der Wohnbauselbsthilfe und dem Wohnbauträger i+R Wohnbau. Die Ambitionen waren groß, die Lage zentral, das Programm gemischt: Wohnen – auch betreut, Kinderbetreuung und Tageszentrum. 2017 schrieb man dafür einen geladenen, städtebaulichen Wettbewerb aus.  Das Atelier Ender wagte viel, setzte zwei sehr spezifische, abgestufte Baukörper mit klaren Hochpunkten auf das 5500 m2 große Areal und gewann.

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Skulptural: Die Balkonbrüstungen aus silber eloxiertem Aluminium stehen vor die Fassade vor und sind auch ein plastisches Gestaltungselement.

„Es war ein sehr spannender Entwurf, der vor allem im Außenraum großes Potenzial hat“, sagt Bauamtsleiter Bernhard Kathrein. „Wohnen im Zentrum ist hier sehr attraktiv. Wir wollten keine gesichtslosen drei- oder viergeschossigen Blöcke planen, sondern trotz hoher Dichte einen Ort mit Qualität und Charakter ausbilden“, sagt Architektin Ursula Ender.

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Der Freiraum ist sehr sorgfältig gestaltet. Die polygonale Baukörperform schafft viele Einbuchtungen, Nischen und fließende Übergänge von innen nach außen.

Zwei skulptural entwickelte Baukörper fassen den schön gestalteten, öffentlichen Freiraum ein. Ihre hohen Kopfteile bilden an der Kreuzung eine Art urbanes Portal. Es adelt das gegenüberliegende, kleine alte Pfarrhaus zum zentralen Bildmotiv. Umgekehrt bilden die hohen Bauteile ein selbstbewusstes Entrée für die neue Anlage.

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Hell, freundlich, lichtdurchflutet, barrierefrei und mit Terrasse: Eine Einheit für betreutes Wohnen in
der Anlage am Pfarrweg.

Wie die Segmente von Spielzeugklapperschlangen, die mit Gelenken verbunden sind, knicken sich die Teile des südöstlichen Baukörpers am Grundstück entlang. Er bildet zur Holzstraße hin lärmabweisende, gerade Lochfassadenflächen und zum Platz hin einladende Nischen aus. Die dortigen Balkonbrüstungen aus silber eloxiertem Aluminium sind ein plastisches Gestaltungselement. Sie erzeugen eine dynamische Form und schaffen den dahinterliegenden Balkonen genug Privatheit.

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Architektin Ursula Ender und Cornelia Sperger, die für das betreute Wohnen in Lustenau verantwortlich ist, überzeugen sich von der Wohnzufriedenheit der Mieterin Annemarie König.

An der Kreuzung ragt der Baukörper fünf Geschosse hoch, von dort treppt sich der lange Bauteil segmentweise um je ein Stockwerk bis drei Geschosse an seinem südlichen Ende ab. Insgesamt gibt es dort 29 Wohnungen und ein Geschäft, weit auskragende Vordächer, die üppig blühenden privaten Vorgärten und das angrenzende „Permatop.Grün“ schaffen einen harmonischen Übergang zur dörflichen Nachbarschaft.

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Das Tagescafé liegt strategisch günstig im Wohnturm mit den betreuten Wohneinheiten neben der Kinderbetreuung am Platz. Es gibt genug zu beobachten!

„Natürlich sind diese großvolumigen Baukörper sehr speziell, aber genau ihre besonders facettierte Form und die dem Straßenverlauf angepassten Gebäudeknicke schaffen abwechslungsreiche Außenräume“, sagt Architektin Ursula Ender. Der zweite, nördliche Bauteil beginnt mit einem städtebaulichen Paukenschlag: einem sechsstöckigen Wohnturm mit insgesamt 24 geförderten Einheiten zum betreubaren Wohnen. Hinter einer tiefen Einschnürung scheint sich der anschließende zweigeschoßige Trakt zum Park hinabzuneigen.

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Nicht nur Eltern und Kinder, auch Bauamtsleiter Bernhard Kathrein, Bürgermeister Kurt Fischer, Koordinatorin Cornelia Sperger, Architektin Ursula Ender und Helen Brandl-Waibel vom Familienservice (von links nach rechts) fühlen sich im Gemeinschaftsraum des Kinderbetreuungszentrums wohl.

Mit gutem Grund: Hier ist der Eingang ins Eltern-Kind-Zentrum. Die zwei Gruppenräume und deren Ausweichraum sind zum Platz hin orientiert, der rückseitige Flur erweitert sich durch einen Lichthof und wird so von oben erhellt. Flammend gemaserte Wände aus Kernesche, freigeformte Sitzfenster, durch die man einander über zwei Räume hinweg winken kann, verspielte Garderoben und fröhliche Farben schaffen eine gute Atmosphäre für bis zu 24 Kinder. Nebenan befindet sich das Tagescafé Dilara im Sockel des Wohnturms. Seine Glasfronten öffnen sich zum Platz, wo Alt und Jung entspannt im Freien sitzen.

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Dieses Sichtfenster im Kindertageszentrum schafft eine optische Verbindung zwischen dem
Spielflur und dem Tagescafé.

Es ist schon spät, als die Journalistin und die Architektin an einer Tür klingeln. Eine freundliche Dame öffnet, dürfe man die Wohnung sehen? Sie ist südorientiert, sehr hell, praktisch, barrierefrei, mit Glasfront auf die Terrasse. Letztere ist allerdings kleiner als die benachbarte, weil das Appartement am Eck liegt und der Baukörper sich verjüngt. Die Bewohnerin hat sich damit arrangiert, ihr bleibt genug Platz für Blumen und ihre Katze. Eine gute Freundin hat sie auch schon im Haus gefunden, sie fühlt sich wohl.

daten und fakten

Objekt: Wohnquartier Am Pfarrweg, Lustenau

Bauherrschaften: Marktgemeinde Lustenau; Wohnbauselbsthilfe; i+R Wohnbau, Lauterach

Architektur: Atelier Ender | Architektur, www.atelierender.at

Fachplanung: Freiraum: Gruber+Haumer, Bürs; Verkehr: Besch & Partner, Feldkirch; Entwässerung: Rudhardt Gasser, Pfefferkorn, Bregenz; Bauphysik: Thomas Schwarz, Frastanz; Heizung, Sanitär, Lüftung: Marte Diem, Bregenz; u. a.

Planung: 2017–2020 (Wettbewerb 2017)

Ausführung: 11/2018–07/2021

Grundstück: 4567 m² (beide Gebäudeteile)

Nutzfläche: 4412 m² (zzgl. Tiefgarage)

Bauweise: Beton, Ziegel; hinterlüftete Fassade; Dächer begrünt; Böden Kunststein/Parkett; Raumluft-Wärmerückgewinnung

Ausführung: Baumeister: i+R, Lauterach; Spengler: Heinzle, Koblach; Fenster: i+R, Lauterach, ATW, Dornbirn, Jobarid, Röthis; Fassade: Spiegel, Koblach; Maler: Werner Bösch, Höchst und Hannes Hagen, Lustenau; Tischler: Alfons Feuerstein, Nüziders; u. a.

Energiekennwert: 26-31 kWh/m² im Jahr (HWB)

Eine Baukulturgeschichte von vai Vorarlberger Architektur Institut.

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at. Mit freundlicher Unterstützung von der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen

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